Betrieb und Wirtschaft | 01. Februar 2018

Märkte differenzieren sich immer mehr aus

Von René Bossert
Wie ticken die Märkte im Moment? Aus erster Hand konnten das die Besucher des Agrartages in Donaueschingen für Milch, Fleisch und Getreide erfahren. In allen drei Bereichen gilt: Die Bedürfnisse der Verbraucher differenzieren sich immer mehr aus und Emotionen werden wichtiger.
Das war das Fazit einer Podiumsdiskussion im Rahmen des von BLHV und Maschinenring Schwarzwald-Baar gemeinsam veranstalteten Agrartages am vergangenen Samstag. Drei Verantwortliche von regionalen Unternehmen nahmen Stellung: Andreas Pöschel, Geschäftsführer der Schwarzwaldhof GmbH, Andreas Schneider, Geschäftsführer der Schwarzwaldmilch GmbH, und Franz Utz, Geschäftsbereichsleiter Vermarktung der ZG Raiffeisen. Die drei Vermarkter brachten die Differenzierung in ihrer jeweiligen Sicht auf den Punkt.
Utz sieht eine Atomisierung der Gesellschaft: „Jeder will etwas Eigenes.” Dem werden sich die Produzenten von Lebensmitteln stellen müssen, im Falle der ZG heiße das beispielsweise, eine spezielle Braugerstensorte liefern zu können.
Franz Utz ist für den Dinkelmarkt inzwischen wieder positiv gestimmt.

Schneider zufolge ist die Differenzierung das Lebenselixir für die Schwarzwaldmilch.  „Wir wollen in das rein, was nur wir können, es geht darum, ein Gesicht in der Masse zu schaffen und auf die Marke zu setzen”, betonte er. Auch auf der Pulverseite müsse man sich differenziert aufstellen.
Und Schwarzwaldhof-Geschäftsführer Pöschel beschrieb die Differenzierung und die Veränderung der Märkte mit folgendem Zitat: „Früher haben wir hungrige Leute satt gemacht. Heute machen wir satte Leute hungrig.”
Für die Edeka-Tochter Schwarzwaldhof mit ihren 300 Beschäftigten und etwa 63 Millionen Euro Umsatz geht die Differenzierung über die Verarbeitung von Fleisch, das nach den Vorgaben des Qualitätszeichens Baden-Württemberg (QZBW) produziert wurde, und über Bio-Fleisch. „Bei diesen beiden Schienen sind wir im Markt weniger austauschbar und deshalb forcieren wir sie”, sagte Pöschel. Von den rund 11.000 Tonnen Jahresverarbeitung seien bislang 10 % QZBW-Ware und 5 % Bio-Ware. 50 % des verarbeiteten Schweinefleisches kommen aus Baden-Würtemberg.
"Das läuft sehr gut"
Auch das über das Hofglück-Programm erzeugte Zwei-Sterne-Fleisch der Edeka erwähnte Pöschel als Beispiel für erfolgreiche Differenzierung: „Das läuft sehr gut.” Derzeit werde Fleisch von 1000 Schweinen pro Woche in Rheinstetten verarbeitet und der Erzeugerpreis liege bei 2,15 Euro/kg Schlachtgewicht. Nötig seien bei solchen Programmen langfristige Verträge, weil die Landwirte investieren müssten.
Neben der Differenzierung ging es auf dem Podium auch um die wachsende Bedeutung von Emotionen. „Wir müssen mehr an den Bauch der Verbraucher ran”, meinte Utz. Und Schneider stellte am Beispiel Glyphosat fest: „Emotion schlägt immer Sachlichkeit.”
Das Thema sei in der Bevölkerung durch. Zwei Molkereigenossenschaften hätten sich mit einem Glyphosat-Verzicht positioniert. Hier nachzuziehen sei für die Schwarzwaldmilch aber kein Thema. Man habe verschiedene Kulturen in den Betrieben im Erfassungsgebiet.
Schneider wies auch auf das Problem der zugekauften Futtermittel hin, die mithilfe von Glyphosat erzeugt sein könnten. „Wir haben viele Reaktionen zu diesem Thema bekommen, das müssen wir erdulden und das fällt uns schwer.”
Auch die Anbindehaltung sei ein sehr emotionales Thema. Die Diskussion sei aber nicht aufzuhalten, stellte Schneider fest. Man dürfe über dem Tierwohl nicht das Menschenwohl vergesssen. Über Beratung und Investitionsförderung gelte es Lösungen und Übergänge zu finden, wobei Hofnachfolge und Finanzierung beachtet werden müssten.
Klar sei aber, dass es irgendwann schwierig werde, Milch aus Anbindehaltungsbetrieben noch zu verarbeiten. Auf dem mittlerweile stärker versorgten Biomilch-Markt gebe es neue Anbieter, die stark von Handelsmarken her geprägt seien, Schneider sieht die Gefahr, dass dann das Gefühl für Marken fehlt.  
Tiefpreise von aktuell 30 bis 35 Cent/kg Milch für freie Bio-Milch am Spot-Markt zeigten die veränderte Situation. Die Warenterminbörse werde zur Absicherung bei Milch eine wachsende Bedetung erhalten, erwartet er. Auch die Schwarzwaldmilch sei dabei, Absicherungsmodelle zu entwickeln, die für manche Erzeuger wichtig sein könnten. Auch Festpreismodelle seien denkbar.
Beweglich bleiben
Am Getreidemarkt sei die Nutzung der Warenterminbörse zur Absicherung und als Information zur Markteinschätzung wichtig, erklärte Franz Utz. Getreide sei ein globales Thema und die Weltbilanz habe Auswirkungen auf die Preise in Donaueschingen.  Maßgeblichen Einfluss auf den Markt haben die Zahlen des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums (USDA).  
Derzeit belaste die hohe russische Ernte von 134 Millionen Tonnen – normal seien rund 100  – den Markt. „Hier in der Region fehlt uns dagegen Getreide”, so Utz. Befragt nach Alternativkulturen zur Fruchtfolgeauflockerung für die Baar nannte Utz die Braugerste, deren Marktperspektiven für 2018 er für erfreulich hält.
Auch der Dinkelmarkt habe das Tal der Tränen durchschritten und Dinkel sei eine bedenkenswerte Kultur. Der Bio-Getreidemarkt sei derzeit stabil, wenn zu viele umstellen, dann werde er allerdings reagieren. Für Utz folgt daraus: „Der Bio-Markt muss mit steigenden Anbauflächen mit entwickelt werden.”
Was folgt für die Bauern aus der zunehmenden Differenzierung und Emotionalisierung?  Für Podiumsmoderator und BLHV-Marktreferent Dr. Martin Armbruster ergab sich als Fazit der Diskussion: „Wir  müssen beweglich bleiben.” Er sei zuversichtlich, dass die Landwirte sich in Produktion und Vermarktung anpassen können, so Armbruster. Mit Sorge sehe er allerdings, dass fachliche Argumente immer weniger zählten.