Wie lassen sich freiheitseinschränkende Schritte in der häuslichen Pflege vermeiden oder reduzieren? Zu dieser Frage referierte Inge-Dorothea Boitz-Gläßel, Pflegedienstleitung der Evangelischen Sozialstation Freiburg, im Rahmen der jüngsten Verbandsversammlung der südbadischen Landfrauen.
Auch wenn es gut gemeint ist: Menschen dürfen nicht einfach fixiert werden, um sie zu „schützen”, auch nicht, wenn sie dement sind.
Boitz-Gläßel klärte auf: Rund 1,4 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Demenz. Bis zum Jahr 2030 wird mit einem Anstieg auf etwa 2,2 Millionen Menschen gerechnet. Zwei Drittel der an Demenz erkrankten Menschen werden zu Hause von Angehörigen gepflegt. Viele werden fixiert, eingesperrt oder mit Medikamenten ruhiggestellt. Hochgestellte Bettgitter, Gurte um Arm und Rumpf, verschlossene Türen, aber auch festgestellte Rollstuhlbremsen oder das Wegnehmen der Gehhilfe zählen zum Katalog der Freiheitseinschränkungen.
Oft sind Angehörige überfordert
„Die Gründe sind vielfältig”, sagte
Boitz-Gläßel, „in erster Linie sollen die Betroffenen vor Unfällen und
damit verbundenen Verletzungen geschützt werden. Oft sind Angehörige
aber auch einfach überfordert und wissen nicht, was man anders und
besser machen kann.” Boitz-Gläßel machte deutlich, dass solche
Einschränkungen als Menschenrechtsverletzungen gelten. Diese seien
grundsätzlich strafbar, sofern nicht die Zustimmung der Betroffenen oder
ein richterlicher Beschluss dazu vorliege.
Sie stellte klar, dass
freiheitseinschränkende Schritte nicht zu mehr Sicherheit führten,
sondern eher das Gegenteil bewirkten. Ihre Erfahrung zeigt: „Durch die
Fixierung eines Menschen im Bett oder Sessel nimmt die Muskelkraft ab
und der Gleichgewichtssinn leidet. Der Geist baut durch fehlende Impulse
schneller ab. Die Mobilität geht zurück und Verhaltensauffälligkeiten
nehmen zu. Beruhigende Medikamente können benommen machen, auch damit
steigt das Risiko, zu stürzen.”
Boitz-Gläßel informierte über
Alternativen, die Sicherheit ermöglichen, ohne die Freiheit der
Pflegebedürftigen einzuschränken und pflegende Angehörige zu
überfordern. Dazu gehörten beispielsweise Niederflurbetten und
Falldetektoren oder auch Klingelmatten, die Alarm auslösen, sobald der
Patient oder die Patientin sie betritt.
Zuschüsse von der Pflegekasse möglich
Sinnvoll könne auch sein, in der Wohnung Stolperfallen zu
beseitigen oder Haltegriffe anzubringen, dafür kann es Zuschüsse von der
Pflegekasse geben. Viel Bewegung am Tag und geistige Anregung könnten
ebenfalls gegen Unruhe bei Nacht helfen. Sie empfahl, Betreuungsangebote
für Menschen mit Demenz, wie die Kurzzeit- und Verhinderungspflege, die
Tagespflege oder auch die Betreuungs- und Entlastungsleistungen in
Anspruch zu nehmen. Sie appellierte in ihrem Schlusswort, achtsam zu
sein und gegenüber Betroffenen Empathie zu zeigen. „Der Umgang mit
Menschen mit Demenz sollte für uns alle zu einem normalen Bestandteil des Alltags werden”, unterstrich Boitz-Gläßel.