Land und Leute | 19. Juli 2018

Aktive Frauenpolitik ist unverzichtbar

Von Michaela Bross
Ein sozial verantwortliches und nachhaltiges Handeln führt zu mehr Lebenszufriedenheit. Frauen im ländlichen Raum sind dabei wichtige Impulsgeberinnen, dies zeigte jüngst ein deutsch-französischer Fachkongress in Lahr.
Marie-Cécile Claudepierre und Beate Hauswirth-Eggs präsentierten ihre Unternehmen und stellten sich einer Gesprächsrunde mit einer Dolmetscherin und mit Moderatorin Isabel Kling (von links).
Unter dem Motto „Land.Frauen.Zukunft” hatten die Landfrauenverbände Baden-Württembergs und das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) eingeladen.  Seit 2001 gibt es diesen Kongress, seit 2003 sogar international, wie MLR-Pressesprecherin und Moderatorin des Tages Isabel Kling berichtete. Dieses Mal war er erstmals deutsch-französisch. Die Projektleiterin Treffpunkt Baden-Württemberg, Silvie Kostic, wies bei ihrer Begrüßung auf die Ausstellung „Frauen bewegen das Land – innovativ, qualifiziert, erfolgreich” hin. 
Landwirtschaftsminister Peter Hauk lobte die aktiven Frauen des ländlichen Raums als dessen Rückgrat und als Stabilisatorinnen der Demokratie. Aktive Frauenpolitik sei unverzichtbar. Er brach eine Lanze für starke Frauen und spannte in seiner Rede einen Bogen von Europa bis hin zur Regionalität. Er plädierte für mehr Gewächshäuser zur Mehrproduktion der regionalen Produkte, damit sie stärker am Markt vertreten sind.
Landfrauenpräsidentin Rosa Karcher forderte die Frauen auf, nicht nur bei den kommenden Kommunalwahlen zu wählen, sondern sich auch zur Wahl zu stellen, und gab einen Überblick über die Qualifizierungsangebote ihres Verbands. Frauen müssen sich einmischen, wie sie sagte, gerade bei zentralen Themen wie medizinische Versorgung, Ehrenamt und Digitalisierung. Sie forderte Datenautobahnen statt holpriger Feldwege und  notwendige Bildungsangebote, um die digitale Kompetenz der Bevölkerung zu stärken.
Ergebnisse aus dem Glücksatlas
Mit ihrer Rede zu „Frauen.Leben.Europa!” begeisterte Evelyne Gebhardt, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Sie unterstrich den Gleichstellungsgedanken der Europäischen Union, sprach über die große Herausforderung der Finanzierung der EU ab 2021 und über Fördermittel. Es müsse ein Recht in der EU geben, das allen den Zugang zu modernen Technologien ermögliche, unterstrich sie.
Sie ging zudem auf die aktuelle Lage Europas ein und verglich Populisten mit Rattenfängern. Wichtig sei, Wohlstand, Frieden und Freiheit für die Nachkommen zu sichern, gerade im Hinblick auf das, was heute im syrischen Aleppo passiert und in Europa während und nach den beiden Weltkriegen war. Sie betonte: „Ja, wir wollen unsere Demokratie und eine europäische Identität!” Was den Europäern gemeinsam ist, sei das Werteverstehen: Freiheit der Versammlung,  Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Rechtsstaatlichkeit und eine unabhängige Justiz – dafür lohne es sich einzusetzen. 
René Petilliot vom Institut für Finanzwissenschaften und Sozialpolitik der Uni Freiburg stellte die neuesten Forschungsergebnisse aus dem Glücksatlas 2017 vor. Geld, Gesundheit, Gemeinschaft und genetische Disposition machen demnach die Zufriedenheit der Menschen aus. Die eine oder andere wissenschaftliche Analyse oder Statistik regte zum Schmunzeln und Lachen an, da die Ergebnisse nicht immer mit den Erfahrungen der Frauen im Publikum im Einklang waren. Interessant war am Schluss, dass Baden nun auf dem dritten Platz im Ranking der glücklichsten Regionen in Deutschland steht.
Erfolgreiche Unternehmerinnen
Amüsant wurde es mit dem Zauberkünstler, Komiker und Bauchredner Michael Parléz bei „La magie magnifique”, bevor eine Elsässerin und eine Ortenauerin ihre Unternehmen vorstellten. Marie-Cécile Claudepierre entwickelte den übernommenen landwirtschaftlichen Betrieb zu einer Käserei, die heute bis nach Kanada exportiert. Der „Munster” und der „Tomme” sind beliebte Käsesorten in ganz Frankreich, Belgien und auch Deutschland. Ebenso bietet sie „Ferien auf dem Bauernhof” an. Von 1986 bis heute hat sich die Fläche von 16 auf 74 Hektar sowie die Anzahl der Kühe von zwölf auf 28 gesteigert. Kontinuierlich hat sie den Direktvertrieb des Käses ausgebaut. Im Winter ist ihr Ehemann als Schneeräumer unterwegs und präpariert die Skipiste. Auch für die Zukunft ist gesorgt. Tochter und Sohn werden in den Betrieb miteinsteigen. Beate Hauswirth-Eggs bietet auf ihrem Bio-Bauernhof  in Hohberg „Tanzkuhltur” an. Sie verbindet die Bereiche Tanz, Tanzpädagogik, Tanzkunst mit Bauernhofpädagogik. Der Bauernhof in dritter Generation hat 50 Milchkühe mit Nachzucht und Zuchtbulle, 25 Schweine, 100 Legehennen und einige Kleintiere wie Katzen, Hunde, Hasen und Schafe. 
Durchhaltevermögen gefragt
Nach einer kurzen Gesprächsrunde, in der klar wurde, dass Durchhaltevermögen zum Umsetzen der Visionen gebraucht wird, ebenso wie Vernetzung, Hilfe, Unterstützung, eigene Begeisterung und Mut, schloss Edelgard Fieß-Heizmann vom MLR die Veranstaltung. Danach hatten die Kongressteilnehmerinnen die Gelegenheit, die Landesgartenschau zu erkunden.