Land und Leute | 10. März 2016

Gute Organisation und nötige Gelassenheit

Von Birgitta Klemmer
„Die Herausforderung, Bäuerin zu sein und zu bleiben” war Thema einer Podiumsrunde im Rahmen des Bäuerinnenkongresses des LFVS in Aitern (Kreis Lörrach). Fünf Bäuerinnen aus Südbaden stellten sich dabei den Fragen von Vizepräsidentin Kerstin Mock.
Antonia Kiefer aus Aitern-Oberrollsbach leitet einen Milchviehbetrieb. Sie liebt die Verbundenheit mit der Natur und den Umgang mit dem Vieh. Landwirtschaft ist für sie eine Herzensangelegenheit. Diese Leidenschaft braucht es in schwer zu bewirtschaftenden Regionen wie im Oberen Wiesental. Häufig arbeiten die Landwirte am Rand der Existenzfähigkeit, die meisten Betriebe werden im Nebenerwerb geführt.
Bäuerinnen teilten ihre Erfahrungen (v.l.): Karina Stengelin, Christina Wangler, Kerstin Mock, Ingrid Reisle, Antonia Kiefer und Michaela Russ.
Es erfordere staatliche Unterstützung, um Landwirtschaft in den Steillagen erhalten zu können. Nur so lasse sich die Landschaft offen halten, was für den Tourismus sehr wichtig sei, so die Landwirtschaftsmeisterin auf dem Podium. „Der Korb darf aber nicht so hoch hängen, dass keiner drankommt”, kritisierte Kiefer die bürokratischen Belastungen und sehr strengen Vorgaben.
Michaela Russ aus Lottstetten sah in der Milchviehhaltung unter Wirtschaftlichkeitsaspekten keine Zukunftsperspektiven mehr. Die Familie sattelte daher auf die regionale Vermarktung von Qualitätsfleisch um und baute ein Premium-Markenfleisch-Programm auf. Hier eroberte sie sich erfolgreich eine Marktnische. In dem eigens dafür errichteten Schulungshaus informiert Michaela Russ über die Philosophie des Markenfleischprogramms und bringt Verbraucherinnen und Verbrauchern auch bei einem Hofrundgang Landwirtschaft näher. „Im direkten Kontakt kann man die Menschen sehr gut erreichen und ihnen auch vermitteln, warum Qualität ihren Preis hat”, sagte Russ.

 
Landwirtschaft als Lebenseinstellung
Aufklärungsarbeit ist auch Karina Stengelin aus Eigeltingen am Bodensee ein wichtiges Anliegen. Stengelin bewirtschaftet mit ihrer Familie einen Betrieb mit Milchvieh und Sonderkulturen.  Als geschulte Botschafterin für Agrarprodukte aus der Region vermittelt sie im Lebensmitteleinzelhandel, bei Aktionen sowie auf Messen und Ausstellungen alles Wissenswerte zu Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung heimischer Produkte. Sie stärkt damit den Absatz regionaler Erzeugnisse und erwirtschaftet sich über diese Tätigkeit zudem ein Zusatzeinkommen. „Mit einer guten Organisation und der nötigen Gelassenheit gelingt es, Familie, Betrieb, Botschafterinneneinsätze und Ehrenamt unter einen Hut zu bringen ”, sagt Stengelin.
Die Liebe zur Landwirtschaft war auch Christiane Wangler anzumerken. Sie führt gemeinsam mit ihrem Mann einen Winzerbetrieb in Oberrotweil. „Für mich steht die Familie an erster Stelle”, betont Wangler. Die enge Verzahnung von Produktionsstätte und der Lebenswelt der Familie sei eine Herausforderung in der Landwirtschaft. Beides müsse voneinander unterschieden und getrennt werden. Gerade in betrieblichen Spitzenzeiten  dürften die Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder nicht aus dem Blickfeld geraten, lautet ihre Empfehlung.
Ingrid Reisle aus Kandern vertrat die ältere Generation und berichtete von der Aufgabe der Viehhaltung in ihrem Familienbetrieb. „Die Entscheidung fiel uns schwer, unser Herz hing an den Tieren, letztendlich war es aber richtig so”, ist Reisles Fazit. Auch sie riet, darauf zu achten, dass alle auf dem Betrieb lebenden Generationen genügend Privatsphäre haben. Bei der engen Verknüpfung von Haus und Hof sei es wichtig, dass jedes Familienmitglied seine Rückzugsmöglichkeiten habe. So könne das enge Miteinander der Generationen im landwirtschaftlichen Betrieb gut gelingen, sagt Reisle.
„Landwirtschaft ist eine Lebenseinstellung”, betont Agnes Zimmermann, Vorsitzende des Bäuerinnenausschusses, in ihrem Schlusswort. Wichtig sei die Wertschätzung dieser Arbeit.
Die Veranstaltung, über deren Vortrag von Professor Gerhard Schwarting bereits in BBZ-Ausgabe 9 berichtet wurde, wurde von den Landfrauen des Oberen Wiesentals unter Leitung von Irmtraud Strohmeier bewirtet.