Wie frau die Balance schafft zwischen Arbeit und Erholung, Verantwortung und Auszeit war Thema beim Landfrauentag des Bezirks Offenburg, zu dem 250 Landfrauen kamen.
Frauen in der Landwirtschaft sind vielfältig gefordert: Arbeit draußen, Hofladen, Marktstand, Hauswirtschaft, Buchhaltung und Büro, Kindererziehung, Personalführung bei Erntehelfern, oft noch Ehrenämter oder Pflege. Wie ist das zu schaffen?
Fehlerhafter Umgang mit Stress
Das Team um die Bezirksvorsitzende Rita Sester hatte die Psychologin und Sozialmedizinerin Susanne Russek eingeladen. Deren Credo lautete: „Gut abgrenzen!” Phänomene von der Stressgeplagtheit bis hin zum Burn-out, dem „Ausgebranntfühlen”, beträfen doppelt so häufig Frauen wie Männer, insbesondere Frauen in den mittleren Lebensjahren, erklärte die Referentin aus dem Allgäu. Russek charakterisiert „Burn out” als fehlerhaften Umgang mit Stress über eine lange Zeit hinweg: „Man hat zu lange zuviel Energie abgegeben, aber das erhoffte Ergebnis tritt nicht ein.” Frauen in landwirtschaftlichen Betrieben tauchen in den Burn-out-Statistiken selten auf. Nicht, weil es das dort nicht gebe. „Ich frage Sie, meine Damen: Können Sie einfach Schluss machen, sich rausziehen?”, wandte sich die Psychologin ans Publikum. Man sei eingebunden zwischen Arbeit, Mann, Kinder, Tieren, Ehrenamt. „Sie denken verantwortlich. Aber ich frage Sie: Wer ist dafür verantwortlich, dass es Ihnen gut geht?” Die Antwort gab die Psychologin gleich mit: „Sie selber!”
Russek betonte: „Einzig Ihre Kinder haben uneingeschränkt Anspruch darauf, dass Sie sich um ihre Belange kümmern. Alle andern sind selbst erwachsen und sie haben diesen Anspruch nicht!” Wobei es Fälle des Abwägens gibt: Kinder in der Pubertät oder hilfebedürftige Kranke. Russek forderte von ihren Zuhörerinnen eine Bestandsaufnahme: Wo sind andere Menschen und deren Bedürfnisse beständig wichtiger als ich? Natürlich werde Druck ausgeübt. „Aber Sie sind zunächst sich selbst verpflichtet.” Ob man fünf Kinder habe oder eines, seine Eltern pflege oder nicht: „Das ist Ihre Entscheidung!” Russek will Selbstbewusstsein im Sinne von „sich seiner selbst bewusst sein bezüglich der eigenen Grenzen”. Ein „Nein” führe oft dazu, dass Verwandte, Freunde, Nachbarn mit Unverständnis reagieren. Aber hier gelte: Jeder Erwachsene ist für sich selbst verantwortlich. Und: „Wer Sie kritisiert, weil Sie eine Aufgabe nicht übernehmen – sind das Ihre wirklichen Freunde?” Ein ständiges Ja zu allem vermeide Konflikte, führe aber zu Überlastung und Burn-out. „Wir fordern manchmal Dinge von uns selber, die würden wir von keinem anderen fordern”, formuliert es Susanne Russek.
Inventur der Motivationen
„Wenn Sie krank werden, wer hat dann etwas von Ihnen?” Gerade in der Krankheit würden wir begreifen, wie wertvoll das Leben und unsere Lebenszeit sind. „Sie müssen herausfinden, was Sie wollen, Sie müssen Ihre Grenze ziehen”, lautet Russeks Rat. Ihr Tipp: „Tu das Deine so aufrichtig wie möglich.” Deshalb fordert sie eine Inventur der Motivationen: Was tue ich, und warum tue ich es? Was sind meine persönlichen Herzenswünsche? Die Veränderung brauche Mut. Aber gerade wer viel leisten müsse, müsse auf sich selbst achten.
Zertifikate
Bei der Veranstaltung vergaben Rita Sester und LFVS-Präsidiumsmitglied Monika Schnaiter 29 Zertifikate an Absolventinnen der Schulungen „Fit fürs Agrarbüro” oder „Landfrauen im Verkauf – mit Coaching zum Erfolg.”