Land und Leute | 05. April 2018

Lehrfahrt zu kleineren Milchvieh-Laufställen

Von Hans-Martin Schwarz
Wie geht es weiter mit der Anbindehaltung? Lohnt sich bei kleineren Milchviehbetrieben der Umbau für die Laufstallhaltung überhaupt? Um diese Fragen ging es bei einer Lehrfahrt des Landwirtschaftsamts Donaueschingen. Besucht wurden drei Betriebe mit gelungenen baulichen Lösungen.
Auf dem Betrieb Bähr wurde die Fresshalle mit dem beidseitig genutzten Stichfuttertisch neu angebaut.
Über 40 Bäuerinnen und Bauern von kleineren Höfen – auch aus benachbarten Landkreisen – waren zu der Veranstaltung gekommen. Als erstes wurde  Familie Lauble in St. Georgen-Oberkirnach besucht.  Bereits  2003 errichtete sie   einen Tretmiststall in Außenklima-Offenfront-Bauweise. 2007 wurde die  Anbindehaltung der Milchkühe auf Laufstallhaltung umgestellt. Da zwei Zimmermänner in der Familie sind, wurde sehr viel Eigenleistung eingebracht und der Baustoff Nummer 1 hieß „Holz”. Das Altgebäude wurde einbezogen, indem dort der Melkstand untergebracht wurde, wobei die Milchkühe Treppen steigen müssen, um in den Melkstand zu kommen, was aber gut funktioniert. Das melkende Familienmitglied kommt ohne Stufen in den Melkstand hinein.

Liegehalle neu gebaut
Die ehemaligen Anbindebereiche des Altstalles werden als Stichfuttertisch mit links und rechts angeordneten Fressplätzen genutzt. Dort werden die gummibeschichteten Laufflächen noch manuell entmistet, Mistschieber könnten aber einfach nachgerüstet werden. Der Futtertisch ist befahrbar, wird aber auch vom deckenlastigen Bergeraum aus beschickt.
Die Liegehalle wurde komplett neu gebaut als Wiederkehr zum Bestandsgebäude. Dort wurden zweireihig selbstgezimmerte Liege-Tiefbuchten für 26 Kühe mit einem mittigen Laufgang angeordnet. Da dieses Gebäude relativ lang ist, wurde  ein Schieber mit eingebaut. Eine First-Trauf-Lüftung und ausreichend Fensterflächen sorgen für ein helles, luftiges Stallklima.
 An die Liegehalle ist ein Laufhof angedockt, der ganzjährig nutzbar ist und über den der Weideaustrieb erfolgt. Dieser Laufhof befindet sich auf der Betondecke des Güllebehälters, da die Gülle noch im Stall dem Güllebehälter zugeführt wird. So wird bei Kälteperioden dem Einfrieren von Rohrleitungen oder Querkanälen vorgebeugt. Laubles äußerten sich sehr zufrieden mit ihrer baulichen Lösung. Sie sei kostengünstig gewesen, habe zu einer tiergerechteren Haltung geführt und es gebe nun eine Zukunftsperspektive für den Hofnachfolger. Durch die frühe Umstellung auf „Bio”  werden bereits seit vielen Jahren höhere Milchpreise erzielt, was den Betrieb zusätzlich stabilisiert hat. Da im Betrieb kein Kraftfutter verabreicht wird, ist man auf gute Grundfutterleistungen angewiesen, die um die 5000 kg pro Kuh und Jahr liegen. „Sie sind Kostenminimierer und somit auch  Gewinnmaximierer, da möglichst viel vom Umsatz als Er-
trag im Betrieb verbleibt. So kann auch mit geringen Produktionskapazitäten ein Einkommen im Haupterwerb erwirtschaftet werden”, kommentierte Betriebsberater Hans-Martin Schwarz vom Landwirtschaftsamt Donaueschingen das Erfolgsrezept von Familie Lauble.    
Fresshalle neu gebaut
Weiter ging es im selben Ortsteil von St. Georgen zu Familie Bähr. Elke und Ewald Bähr bewirtschaften ebenfalls einen Grünland-Milchviehbetrieb mit Steillagenflächen. Bis  2013 wurden die Tiere im Anbindestall gehalten. Bereits zwei Jahre zuvor war ein Beratungsprozess eingeleitet worden, in dem es zunächst um folgende Kernfrage ging:  Anbau oder Neubau? Zunächst wurde ein Neubau favorisiert, die ersten Kostenvoranschläge hielten die Betriebsleiterfamilie allerdings von einem separaten Stallneubau ab: Mehr als 400000 Euro Investitionskosten waren nicht zu schultern! So fiel die Aufstockung der Kuhanzahl etwas geringer aus und ein Anbau an den bestehenden Milchviehstall im Eindachhof  für 25 Milchkühe wurde favorisiert. An der Stirnseite des ehemaligen Anbindestalls wurde der einseitige Fünfer-Melkstand angeordnet mit großem „Schaufenster” für die Feriengäste. Als zweites Standbein verfügt die Familie nämlich über fünf Ferienwohnungen, die das Familieneinkommen als Haupterwerbsbetrieb komplettieren.
 Im Gegensatz zum vorigen Betrieb wurde in diesem Fall die Fresshalle mit dem beidseitig genutzten Stichfuttertisch neu angebaut. Ein Großteil der Liegebuchten befindet sich im ehemaligen Anbindebereich. Entmistet wird mit dem Faltschieber in den Fressachsen. Da es sich um einen Biobetrieb handelt, sind die Tiere horntragend und das Tier-Fressplatz-Verhältnis muss 1:1 betragen. Durch einen Lichtfirst und Lichtplatten an der angebauten Stirnseite sowie Hubfenster an den Traufseiten erhält der Stall einen hellen, luftigen Charakter. Damit einher geht auch eine Aufwertung des alten Stallbereichs, dessen Raumhöhe angehoben wurde. Insgesamt sind  Elke und Ewald Bähr  sehr zufrieden mit der gefundenen Lösung. Die Milchleistungen wurden verbessert, die Arbeitsqualität erhöht und die Tiergerechtheit und Bio-Konformität erreicht.

Komplett neu gebaut
Bei Familie Kern werden die Kälber unter einem Vordach gehalten, das niederschlagsgeschützter Versorgungsgang für die Tierbetreuung ist.
Als dritter und letzter Betrieb wurde der Hof von Sabine und Josef Kern in Schönwald angefahren. Dort ist der Entscheidungsprozess zwischen Umbau und Neubau völlig anders verlaufen. Der damals noch konventionell wirtschaftende Betrieb entschied sich für einen kompletten Neubau für Milch- und Jungvieh und hält nun im alten  Anbindestall keine Tiere mehr. Zu viele Kompromisse im Hinblick auf die Stallhöhe und Eingriffe ins Altgebäude wären notwendig gewesen.
Da der Betrieb im Nebenerwerb geführt wird, musste eine arbeitswirtschaftlich optimale Lösung realisiert werden. Beim Neubau handelt es sich um einen dreireihigen Boxenlaufstall mit zwei Schieberbahnen auf der Milchviehseite und einer Schieberbahn auf der Jungviehseite. Vor dem Melkstand- und Technikbereich ist eine einreihige Aufstallung mit dazugehörigem Futtertisch angeordnet, so dass das Tier-Fressplatz-Verhältnis wieder gut passt. Die Tiere liegen in Hochboxen mit Komfortmatratzen.  Gebaut wurde für 40 Kühe mit weiblicher Nachzucht. Für die Umstellung auf Biomilcherzeugung hat sich die Betriebsleiterfamilie erst während der Planung entschieden.
 „Von den Stallplatzkosten liegen wir beim Neubau  in anderen Regionen und die Wirtschaftlichkeit darf auch nicht außer Acht gelassen werden”, erläuterte Hans-Martin Schwarz, der den Betrieb beratend begleitet hatte. Die Biomilch-Schiene sei vom Deckungsbeitrag her gesehen für einen Betrieb, der ohnehin extensiv wirtschaftet,  eine sinnvolle Alternative. Sehenswert bei  Kerns war auch die Kälberhaltung: Unter einem Vordach, das als niederschlagsgeschützter Versorgungsgang für die Tierbetreuung dient,  werden die Tränkekälber in Iglus im Freien gehalten. Auch das Ehepaar Kern sieht  den Schritt, den es 2014 gewagt hat, im Rückblick positiv.