Politik | 17. Oktober 2019

Landesregierung mit Eckpunktepapier – das Volksbegehren macht Pause

Von Walter Eberenz/red
Die Landesregierung hat am Dienstag ein Eckpunktepapier als Alternativvorschlag zum Gesetzesentwurf des Volksbegehrens vorgelegt. Es enthält gegenüber dem Volksbegehren in erster Linie weniger Einschränkungen für den Pflanzenschutzmitteleinsatz in Schutzgebieten und weniger ehrgeizige Zielvorgaben für den Ökoanbau.
Als Reaktion auf das Eckpunktepapier der Landesregierung wollen die Initiatoren des Volksbegehrens zunächst bis Mitte Dezember die Unterschriftenwerbung dafür einstellen. Das Bild zeigt ein Transparent am Ortseingang von Ihringen, mit dem Menschen von einer Unterschrift abgehalten werden sollen.
Umweltminister Franz Untersteller und Landwirtschaftsminister Peter Hauk haben das Eckpunktepapier am Dienstag gemeinsam vorgelegt. „Es waren gute und intensive Gespräche, und wir haben einen Weg gefunden, der sowohl die biologische Vielfalt stärkt als auch die bäuerliche Landwirtschaft mit ihrer regionalen Erzeugung sichert”, erklärten sie.
Breiter Konsens angestrebt
Mit dem Eckpunktepapier reagiert die Landesregierung auf das von der Initiative ProBiene angestoßene Volksbegehren „Rettet die Bienen”. Das Papier liegt den Initiatoren und Unterstützern des Volksbegehrens vor. „Wir hoffen sehr, dass unser Vorschlag eine breite Unterstützung findet”, sagte Umweltminister Franz Untersteller. „Erste positive Signale haben wir von verschiedenen Seiten bereits erhalten.”
„Unsere Eckpunkte erfüllen nicht nur das Anliegen des Volksbegehrens, die Artenvielfalt zu stärken, sie tragen auch dazu bei, die konventionelle und ökologische Landwirtschaft im Land zukunftssicher zu erhalten”, betonte Minister Hauk. „Wir sind zuversichtlich, dass unsere Eckpunkte in den Reihen der Unterstützer des Volksbegehrens, bei den betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben und darüber hinaus auch insgesamt eine breite gesellschaftliche Akzeptanz finden werden.”
Hauk und Untersteller hoben hervor, dass sich weite Teile der Intention des Volksbegehrens in dem Papier wiederfänden. „Wir teilen das Ziel, die biologische Vielfalt zu schützen und auf diesem Weg, gemeinsam mit der Landwirtschaft, an einer Weiterentwicklung zu arbeiten”, sagten die Minister.
Insbesondere beim Umgang mit Pflanzenschutzmitteln und deren angestrebter Reduzierung seien aber Änderungen an den Vorschlägen des Volksbegehrens nötig gewesen, um die Zukunft erheblicher Teile unserer heimischen Landwirtschaft nicht zu gefährden. Das vorgeschlagene strikte Pflanzenschutzmittelverbot im ökologischen und konventionellen Anbau in allen Schutzgebieten – namentlich Landschaftsschutzgebieten, Natura 2000, Biotopen, Naturdenkmalen und Naturschutzgebieten – sei in ihrem Vorschlag deshalb durch differenziertere Regelungen ersetzt worden.
Zu diesen differenzierten Regelungen steht im Eckpunktepapier  erläuternd, dass künftig nur ein restriktiver Einsatz von Pflanzenschutzmitteln – nach den Regeln des Integrierten Pflanzenschutzes –  zulässig ist. Daneben seien landesspezifische Vorgaben zum Integrierten Pflanzenschutz verpflichtend einzuhalten.  Zu diesen landesspezifischen Vorgaben zählen laut Eckpunktepapier:
  • die Verwendung einer Applikationstechnik mit hoher Abdriftminderung, die Einhaltung einer weiten Fruchtfolge bei Auftreten von Fruchtfolgeschädlingen,
  • die konsequente Bestandsbeobachtung auf Schadorganismen,
  • das Aufstellen von Gelbschalen zur Überwachung und Behandlung nach Prognosemodellen und Schadschwellen,
  • die Verwendung von nützlingsschonenden Pflanzenschutzmitteln und
  • das Anlegen von Spritzfenstern zur Beurteilung der Behandlungsnotwendigkeit,
  • die Einhaltung der vorgegebenen Schadschwellen,
  • die Umsetzung von kulturspezifischen Maßnahmen zur Förderung von Nützlingen.
Pflanzenschutzmittel reduzieren
Ein striktes Verbot gäbe es aber weiterhin dort, wo Tiere und Pflanzen den höchsten Schutzstatus genießen: in allen Naturschutzgebieten. Die davon betroffenen Betriebe können unbürokratische Unterstützung und Ausnahmen erhalten, heißt es dazu ergänzend in der gemeinsamen Pressemitteilung der Stuttgarter Ministerien für Umwelt und Landwirtschaft.
Im Eckpunktepapier steht dazu, dass in Naturschutzgebieten ab dem 1. Januar 2022 jeglicher Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verboten werden soll. Das Verbot sei so auszugestalten, dass betroffene Betriebe keine unbilligen Härten erdulden müssen und somit nicht in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet werden. Zudem haben sich die beiden Fachminister Hauk und Untersteller auf eine Mengenreduktion chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel um 40 bis 50 Prozent bis zum Jahr 2030 geeinigt.
„Damit würden wir bundesweit eine Vorreiterrolle einnehmen,  gemeinsam mit der Landwirtschaft und dem Naturschutz. Dazu plant die Landesregierung eine gezielte Förderung und Beratung”, so die Minister. Wie es mit dem Volksbegehren weitergehe, müssten die Initiatoren und Unterstützer des Begehrens entscheiden, erklärten Untersteller und Hauk. Es gebe jetzt eine Alternative, hinter die sie sich stellen könnten.
Vom Trägerkreis des Volksbegehrens Artenschutz kamen inzwischen positive Signale. Er betrachtet das Eckpunktepapier als ersten großen Erfolg und begrüßt gegenüber der Presse das damit verbundene Dialogangebot. Der Trägerkreis  will in Folge bis Mitte Dezember keine Unterschriftenwerbung mehr für das Volksbegehren betreiben. Er erwartet allerdings, dass die Landesregierung bis Mitte Dezember wesentliche Punkte des Gesetzes konkretisiert, dass sich die Fraktionen von CDU und Grünen sowie alle landwirtschaftlichen Landnutzungsverbände dazu bekennen und dass Vertreter des Trägerkreises bei der Ausformulierung und Konkretisierung des Gesetzentwurfes einbezogen werden.
Aus dem Eckpunktepapier der Landesregierung
Die „Eckpunkte zum Schutz der Insekten in Baden-Württemberg als Weiterentwicklung des Gesetzentwurfes ,Rettet die Bienen‘” enthält folgende elf Punkte:
  • Erhalt der Artenvielfalt als gesetzliches Ziel
  • Ausbau des Biotopverbundes sowie Erhalt und Ausbau einer vielfältig strukturierten Landschaft als Lebensraum für eine artenreiche Flora und Fauna
  • Die Pflege und die Bewirtschaftung von Streuobstwiesen werden gestärkt
  • Konsequenter Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft
  • Schutzwirkung der Schutzgebiete für Pflanzen und Tiere effektiv gestalten
  • Der Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel wird bis 2030 um 40  bis 50 Prozent in der Menge reduziert
  • Ausbau des Anteils der ökologischen Landwirtschaft auf 30 bis 40 Prozent bis zum Jahr 2030
  • Verbot aller chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel in Privatgärten
  • Artenschutz in Städten und Siedlungsbereichen
  • Wissensvermittlung und Forschung Einrichtung eines Dialogforums Landwirtschaft und Naturschutz.
Das Gemeinsame Eckpunktepapier des MLR und des UM für Insektenschutz kann hier abgerufen werden. 
Der BLHV nimmt den Dialog an
Nach erster Prüfung sieht der BLHV im Eckpunktepapier der Landesregierung eine Diskussionsgrundlage für einen Dialog zwischen Politik, Naturschutz und Landwirtschaft. Über einige Punkte werde man streiten müssen, um sie konkret gestalten zu können. Andere Punkte decken sich mit dem Eckpunktepapier der Weinsberger Runde, was der BLHV begrüßt. Im Dialog werde der BLHV das Ziel verfolgen, dass die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft gerecht und praktikabel sind.