Land und Leute | 24. November 2016

Nicht laut, sondern nachhaltig

Seit der L.U.I. im Jahr 1997 zum ersten Mal verliehen wurde, hat er sich wahrlich zum Ansporn für landwirtschaftliche Unternehmen entwickelt. Für den BBL ist das Jubiläum Anlass, einen Blick auf das Gründungsjahr zu werfen. Bildungsreferentin Christina Mikuletz sprach mit vier Vertretern der ersten Tage: Barbara Sester (Geschäftsführerin Badischer Landwirtschafts-Verlag), Franz Benz (Winzer), Martin Ganz (Landwirt) und Dr. Ewald Glaser (ZG Raiffeisen Karlsruhe).
Warum brauchte es damals einen Landwirtschaftspreis für unternehmerische Innovationen?
Benz: Die Idee des L.U.I. war: Weg vom Jammerbild und hin zum Bild des innovativen landwirtschaftlichen Unternehmers. Der war – auch wenn er oft nicht öffentlich wahrgenommen wurde – eigentlich schon immer da. Wenn die Bauern nicht schon von jeher findig und kreativ gewesen wären, hätten die Höfe nicht über so viele Generationen trotz aller Widrigkeiten überleben können.
Sester: Wir hatten von einem ähnlichen Preis gehört, den es bei der befreundeten  Landjugend in Vorarlberg gab. Wir durften an deren  Juryfahrt teilnehmen und das hat uns endgültig überzeugt, einen derartigen Wettbewerb auch bei uns in Südbaden zu initiieren.
 
War der Weg von der Idee bis zur ersten Preisverleihung lang?
Benz: Anfang März 1996 war eine erste Sitzung in Neustadt  mit einem Vorarlberger Referenten. Also über anderthalb Jahre vor der ersten Preisverleihung.
Sester: Zum Glück hatten wir von der Landjugend von Anfang an die ZG Raiffeisen als Partner. Sie war nicht nur Sponsor, sondern hat vor allem die notwendige Professionalität eingebracht. Besonders intensiv haben wir uns damals mit den Bewertungskriterien auseinandergesetzt. Das hat sich ausgezahlt: Sie sind bis heute fast gleich geblieben.
 
Können Sie sich an die erste Preisverleihung am 24. Oktober 1997 im Haus des Südwestrundfunks in Freiburg erinnern?
Ganz:
Klar, mir ist vor allem die festliche Atmosphäre in Erinnerung geblieben, die freudigen Gesichter der Preisträger und Gäste. Wir L.U.I.-Koordinatoren waren stolz auf unser „Kind”!
Sester: Das damals sehr moderne Funkhaus bot einen tollen Rahmen, die Preise übergab die damalige baden-württembergische Landwirtschaftsministerin Gerdi Staiblin und wir hatten gleich beim ersten Mal 56 Bewerbungen. Die Besucherresonanz war riesig und es war eine richtig schöne Gemeinschaftsaktion der südbadischen Landjugend, des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) und des Landfrauenverbandes Südbaden.
 
Herr Dr. Glaser, Sie sind als einer der L.U.I.-Koordinatoren heute noch dabei. Wie hat sich der Innovationspreis im Laufe der Zeit verändert?
Glaser: Zunächst einmal wurde aus einer rein badischen Idee eine baden-württembergische. Heute ist der L.U.I. eigenständig und sozusagen ein Selbstläufer. Er kann sich inzwischen ohne größere Unterstützung der ZG Raiffeisen entwickeln. Offensichtlich hat sich jedoch das Innovationstempo beschleunigt, denn die Zahl der Bewerbungen ist nicht kleiner, sondern vielmehr noch größer geworden.
 
Herr Ganz, Sie haben den L.U.I. schon aus zwei ganz unterschiedlichen Perspektiven erlebt. Einmal als Initiator und einige Jahre später als  Preisträger. Welche Vorteile hat Ihnen die Auszeichnung  gebracht?
Ganz: Das Schild an meinem Hof macht sich gut. Die Besucher sehen, dass hier jemand arbeitet, der sich Gedanken um den Lauf der Dinge macht. Und etwas auf den Weg bringen kann. Das schafft einen gewissen Vertrauensvorschuss bei der Kundschaft.
 
Vieles, was vor knapp 20 Jahren innovativ war, ist heute schon veraltet. Warum ist es trotzdem wichtig, Innovationen zu belohnen?
Glaser: Wir leben in einer dynamischen Welt, weshalb jede Innovation im Laufe der Zeit veraltet, sofern sie nicht weiterentwickelt wird. Aus diesem Grund ist Innovation ein Dauerthema.
Ganz: Innovationen erscheinen als veraltet, wenn sie von der nächsten Innovation abgelöst werden. Diese baut aber oft auf dem Vorgängermodell auf. Dazu soll ein Preis einen Anreiz mehr bieten.
Benz: Genau. Einer der ersten L.U.I.-Preisträger war ein Kollege aus Bottenau. Er hat sein Weinbausteillagengerät immer weiterentwickelt und sogar ein zweites Mal den Preis gewonnen. Durch diese permanente Weiterentwicklung ist das Gerät heute immer noch sehr wichtig, um Steillagen in Deutschland zu erhalten.
Sester: Wenn es keine Innovationen gäbe, könnte ja schließlich nichts veralten. Gute Innovationen sollen durch den L.U.I. Nachahmer finden, damit sich Dinge verbessern.
 
Was genau ist für Sie persönlich wirklich innovativ?
Benz: Das sind nicht immer die „lauten Dinge”. Innovativ sind auch die Menschen, die leise Fortschritt schaffen.
Glaser: Wirklich innovativ ist etwas, wenn es nachhaltig anders oder neu ist und sich somit durchsetzt. Der L.U.I. selbst ist eine solche Innovation, ansonsten gäbe es ihn heute nicht mehr.
Sester: Das Wort wird ja fast schon inflationär verwendet und immer mit „neu” in Verbindung gebracht. Innovativ kann für mich auch eine alte Idee sein, wenn man sie neu denkt.
Ganz: Ja, aus Althergebrachtem wird Neues zusammengefügt. Wirklich innovativ ist für mich,  wenn dieses Zusammenfügen zu einem „Aha-Erlebnis” führt.
 
Ist Baden-Württemberg nach Ihrer Erfahrung ein Land der Tüftler und Denker?
Glaser: Wir können Baden-Württemberg mit Fug und Recht so bezeichnen, ansonsten hätten wir auf der Welt nicht un-
sere herausragende Position er-
reicht. Hier gilt mit Sicherheit das Gesetz, dass Erfolg neuen Erfolg schafft.
Sester: Vielleicht steckt uns der Erfindergeist schon in den Genen. Viele L.U.I.-Sieger schaffen aus großer Sachkenntnis heraus sehr individuelle Lösungen. Oft entsteht aus der Not eine Tugend. Mich begeistern aber auch Kooperationspreise, die Leute zusammen- wie auch gemeinsam nach vorne bringen.
Ganz: Absolut. Ich bin davon überzeugt, dass die Einbindung von Landwirten und ihren Partnern beziehungsweise Partnerinnen in andere Arbeitswelten besonders in Baden-Württemberg einen wesentlichen Anteil an den vielen angemeldeten Patenten und Innovationen in, aber auch außerhalb der Landwirtschaft hat.
Benz: Gerade die besonderen landwirtschaftlichen Strukturen im Süden Deutschlands bedingen ja auch, dass wir innovativ sein müssen. Größer, höher, stärker können andere besser als wir. Kreativ und erfinderisch sein ist eine Möglichkeit, in diesen kleinräumigen Strukturen zu überleben.