Land und Leute | 08. März 2017

YouTube-Videos gegen das Image-Problem

Von Gisela Ehret
Der 24-jährige Dominic Ell dreht für den YouTube-Kanal „agriKULTUR” Videos von seinen Arbeiten im Obstbau. Die Videos sollen vor allem Verbraucher und Gesellschaft über die Arbeit eines Landwirts aufklären.
Dominic Ell beim Video-Dreh auf dem Feld
Heute muss Dominic die Erdbeeren mit Folie abdecken. Und als wäre das nicht Arbeit genug, muss dabei auch noch ein neues Video für den YouTube-Kanal herauskommen. Dafür geht der Jungbauer mit der Kamera über die Felder, filmt die Maschinen bei der Arbeit oder hängt die Actionkamera an die Maschine. So entsteht Schritt für Schritt die Dokumentation eines Arbeitsablaufes, die  Dominic später am PC zusammenschneiden wird – im „Sendung mit der Maus-Style”, wie er es nennt. Zwischendrin erklärt er immer wieder, warum er die Arbeiten so ausführt. Dafür stellt er die Kamera auf ein Stativ – oder auch mal aufs Autodach – und filmt sich selbst. „Das ist stressig, weil das Tagesgeschäft ja ganz normal weitergeht”, erklärt Dominic. „Deswegen sind meine Videos eher schlichter.” Er glaubt aber, wenn es zu professionell wird, ist es nicht mehr authentisch.
Teure Ausstattung
Der Oberkircher hat dennoch schon einiges in professionelle Filmausrüstung investiert: Für die Maschinen-Detailaufnahmen nutzt er eine Actionkamera mit Magnetfuß und Saugnapf. Die kann er überall platzieren. Im Gehen arbeitet er mit der Spiegelreflex, die mit einem Schwebestativ und einem externen Mikrofon ausgerüstet ist. Das sorgt für Aufnahmen mit deutlichem Ton und ohne Verwacklungen.  Denn allzu dilettantisch dürfen die Videos auch nicht  gemacht sein: „Versprecher oder Dialekt sind okay, aber verwackelte Bilder oder schlechter Ton führen dazu, dass die User das Video erst gar nicht anschauen”, berichtet er. Auf etwa 40 Hektar baut Dominic mit seinen Eltern Erdbeeren, Johannisbeeren, Äpfel, Kirschen und Mirabellen an. Ein paar Ar Weinreben sind auch dabei. Vor zwei Jahren kaufte sich Dominic die Actionkamera. Damals hatte er schon im Kopf, seine Arbeit auf dem Obsthof Ell zu filmen. „Ich habe mir überlegt, dass wir  dem Verbraucher zeigen sollten, was wir eigentlich machen. Denn selbst die Leute bei uns im Dorf wissen das nicht genau.” Leute außerhalb der eigenen Familie und des Freundeskreises haben keine Vorstellung vom Beruf Landwirt, weiß der Jungbauer. Da kommt häufig die Frage: „Was machst du eigentlich im Winter?” Dominic hat es erschüttert, dass auch innerhalb der Region so viel Unwissenheit herrscht. „Ich glaube, dass deswegen vieles missverstanden wird. Denn meist sieht dich keiner, wie du in der Anlage Nistkästen aufhängst und Blumen für die Umwelt pflanzt, sondern dann, wenn du mit dem Spritzfass durchs Dorf fährst. Und dann bist du immer der Böse”, weiß er aus eigener Erfahrung.
 
Über soziale Netzwerke weitläufiger gestreut
Bevor er damit begann, für agriKULTUR Videos zu drehen, war der junge Gartenbaumeister gar nicht aktiv in den Sozialen Netzwerken. „Ich habe mich immer dagegen gewehrt”, erinnert er sich. Erst als er anfing, Videos zu drehen, begann er sich auch mit YouTube, Facebook und Co. auseinanderzusetzen. Eher zufällig stieß er bei YouTube auf agriKULTUR. Gegründet wurde der Kanal im Juni 2015 von David Engel. Mittlerweile hat er mehr als 587 000 Aufrufe. Die anderen vier YouTuber kommen aus der Umgebung von Trier. Dass Dominic aus einem anderen Bundesland kommt, hat allen gefallen: Er hat andere Kreise und Medien um sich herum, dadurch wird das Projekt weitläufiger gestreut. „Auf YouTube ist ja alles ziemlich unberechenbar”, sagt er. Die Videos werden sehr unterschiedlich oft aufgerufen, und man kann nur schwer ergründen, woran das liegt. Dominics Videos liegen meist zwischen 5000 und 7000 Aufrufen. Der Kanal hat inzwischen mehr als 4000 Abonnenten, die dazugehörige Facebookseite fast 2500 „Gefällt mir”. Bereits mehr als 50 Videos haben die Jungbauern gedreht und hochgeladen. Für ihr Engagement haben sie schon mehrere Preise abgeräumt: 2016 den Gerd-Sonnleitner-Preis und den Förderpreis der Agrarwirtschaft, 2017 den Ernst-Engelbrecht-Greve-Preis. Auch beim Wettbewerb „Clip my Farm” haben die YouTuber 2016 das Gewinnervideo „Respect your farmer” geliefert. Der steigende Bekanntheitsgrad bedeutet auch einen höheren Zeitaufwand für Reisen. Der Vorteil eines gemeinsamen YouTube-Kanals: Solche Termine können sich die Landwirte aufteilen. Die Preisgelder nutzt die Gruppe, um in ihre Filmausrüstung zu investieren. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, alle zwei Wochen ein Video hochzuladen. „Du brauchst einen Rhythmus, sonst gehen dir die Leute flöten”, begründet das Dominic. Und je nach Witterung kann der eine Landwirt gerade nichts drehen, dafür aber vielleicht ein anderer.
Fachwörter vermeiden
Dominic Ell dokumentiert die Feldarbeit
Mit den Videos wollen die Bauern vor allem die Gesellschaft aufklären, deshalb verzichten sie bewusst auf zu viele Fachwörter. „Das soll so wirken, wie wenn man am Feld vorbeispaziert und den Landwirt fragt, was er macht”, erklärt Dominic. Dieser Dialog fehlt dem Obstbauer in seinem realen Arbeitsalltag: „Viele Leute  schimpfen, wenn man mit dem Spritzfass kommt, anstatt einfach zu fragen, was man macht.” Nach einem langen Arbeitstag auf dem Feld geht es abends am PC in die zweite Runde: Jetzt muss das Video geschnitten werden. Zwei bis vier  Stunden pro Video braucht Dominic dafür. Szenen werden zusammengefasst, Zeitraffer eingebaut, Musik dahinter gelegt ... Für den Videoschnitt hat sich der Obstbauer ein spezielles Programm gekauft. „Das braucht ein bisschen Einarbeitungszeit”, berichtet er. Am Anfang musste er immer wieder nachlesen, wie das Programm funktioniert. Ein bisschen Spaß an der Technik muss man für diese Art der Öffentlichkeitsarbeit natürlich mitbringen – und es dann einfach ausprobieren. „Für mein erstes Video habe ich mich eine Stunde lang gefilmt – und danach daheim alles wieder gelöscht.” Aber Stück für Stück ist es gewachsen. „Das ist ja der Charme von YouTube: Es muss nicht alles fehlerfrei sein”, findet Dominic. So wurde das Läuten der Kirchenglocken in seinem ersten Video mittlerweile zum „Running Gag”.