Pflanzenbau | 02. Dezember 2021

Kupfer weiter auf der Kippe

Von Jürgen Beckhoff
Um die eingesetzten Kupfermengen im ökologischen Obst-, Wein- und Gemüsebau weiter zu verringern, muss mehr in die Forschung des Ökolandbaus investiert werden, insbesondere in die Züchtung resistenter Sorten.
Die Rückstände von Kupferspritzmitteln reichern sich im Boden an. Befürchtet wird, dass sie zum Beispiel Regenwürmer schädigen.
Das ist ein Ergebnis der sechsten Europäischen Kupfertagung, die Mitte November online stattgefunden hat. Etwa 150 Wissenschaftler, Praktiker und Berater haben daran teilgenommen.
Im Mittelpunkt des Fachgesprächs standen die Ergebnisse der Kupferminimierungsstrategie, auf die sich ökologische und konventionelle Anbauverbände in Absprache mit der Politik geeinigt hatten. Ziel der Strategie ist es, mithilfe innovativer Ansätze aus Forschung und Praxis Alternativen zu Kupfer zu entwickeln und die eingesetzten Mengen weiter zu verringern. 
Klage der Kupfer Task Force abgewiesen
Matthias Weidenauer, Vorsitzender der europäischen Kupfer Task Force, berichtete, dass die Klage seiner Organisation gegen die Einstufung von Kupfer als Substitutionskandidat vom Europäischen Gerichtshof abgewiesen wurde.  In den EU-Staaten ist die Zulassung von Kupfer für alle relevanten Kulturen bis Ende 2025 gesichert.
Kern der Klage war, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) beim Naturstoff Kupfer die gleichen Bewertungskriterien anlegt wie bei synthetischen Wirkstoffen. Da es sich bei Kupfer um einen Naturstoff handelt, fordert die Task Force, andere Maßstäbe bei der Bewertung der Persistenz und Anreicherung im Boden anzulegen.
Die Task Force ist laut Weidenauer von der Sicherheit von Kupfer überzeugt. Dabei beruft er sich unter anderem auf eine Langzeitstudie mit Regenwürmern, bei der die Ausbringung von Kupfer in den gesetzlich vorgegebenen Mengen über 18 Jahre keine Auswirkungen auf die Tiere hatte. Die Task Force erwägt deshalb, Widerspruch gegen das Urteil einzulegen.
Jutta Kienzle von der Fördergemeinschaft Ökologischer Obstbau (Föko) beurteilt das Anbaujahr 2021 aufgrund der Witterung als sehr durchwachsen mit großen Befallsunterschieden von Betrieb zu Betrieb. Nachdem lange Zeit vor allem Apfelschorf Probleme bereitet hatte, sieht sie seit einigen Jahren einen steigenden Druck durch andere Pilzkrankheiten. Als Alternative zu Kupferpräparaten hat laut Kienzle in Ringversuchen vor allem das Präparat Neu1143 ein hohes Potenzial gezeigt. Wie auch bei anderen Wirkstoffen, die für den ökologischen Anbau geeignet sind, warte man hier weiterhin auf eine Zulassung. Kienzle wünschte sich zudem eine stärkere finanzielle Förderung der Züchtung resistenter Sorten. Die Praxis könne den großen Aufwand der Züchtungsarbeit nicht alleine stemmen.
Palette an resistenten Kartoffelsorten wächst
Bei der Kupferminimierung im Biokartoffelanbau sieht Dr. Stephanie Fischer vom Bioland-Verband Fortschritte. In den letzten Jahren habe man die Kupfermengen nicht zuletzt wegen der günstigen Witterung kontinuierlich verringern können auf 1,2 Kilogramm pro Hektar und Jahr im Jahr 2019.
Fischer sieht den Biokartoffelanbau bei der Kupferminimierung auf einem sehr guten Weg. So gebe es inzwischen eine große Auswahl an toleranten und resistenten Sorten. Um deren Anbau auszuweiten, sehen die Bioland-Vorgaben vor, dass die Mitgliedsbetriebe ab dem 1. Januar 2022 auf mindestens zehn Prozent ihrer Kartoffelfläche resistente Sorten anbauen.
Mathilde Calmels von der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (IFOAM) betonte die Vorreiterrolle des ökologischen Landbaus bei der Reduzierung der Kupfermengen auf EU-Ebene. Durch die Bemühungen im Ökolandbau sei es gelungen, die zulässigen Ausbringungsmengen seit 1991 bis heute von acht auf vier Kilogramm pro Hektar zu senken. In der Praxis lägen die applizierten Mengen noch niedriger, genauso wie die Vorgaben einzelner Staaten und Verbände. Ein entscheidender Schritt sei dabei die Einführung eines Kupferkontos gewesen, beim dem die zulässigen Einsatzmengen über sieben Jahre verteilt werden können.
EU will Forschung im Ökobereich fördern
Die weitere Strategie zur Kupferminimierung auf EU-Ebene sieht vor, das gesamte Anbausystem bei den Kulturen einzubeziehen, beginnend mit der Resistenzzüchtung über die Anbaumethoden und alternative Wirkstoffe bis hin zu genaueren Prognosemodellen für das Risikomanagement. Laut Calmels plant die EU-Kommission, 30 Prozent des Budgets für Forschung und Innovation für die Erforschung dieser und weiterer Herausforderungen im Ökolandbau bereitzustellen. Das sind etwa 380 Millionen Euro.
Bastian Benduhn vom Öko-Obstbau Norddeutschland Versuchs- und Beratungsring e.V. stellte die Ergebnisse eines sechsjährigen BÖLN-Projektes zur Kupferreduzierung im Obstbau vor.
Auch in diesjährigen Versuchen bestätigte sich laut Benduhn die gute Wirkung des Präparates Neu1143F gegen Schorf –  trotz der schwierigen Witterungsbedingungen. „Das Mittel erzielte protektiv und bis zu 24 Stunden nach einer Infektion eine gute Wirkung”, sagte der Versuchsleiter. Er ist überzeugt, dass der Wirkstoff zukünftig eine wichtige Rolle bei der Minimierung von Kupfer spielen kann.
Aus dem 2019 gestarteten BÖLN-Projekt Vitifit stellte Yvette Wohlfahrt von der Hochschule Geisenheim Versuchsergebnisse zur Reduzierung des Kupfereinsatzes in Wein vor. Bei durchgehend hohem Infektionsdruck im Anbaujahr 2021 zeigte laut Wohlfahrt eine Kombination aus Kupfer und Kaliumphosphonat die beste Wirkung gegen Falschen Mehltau an Blättern und Trauben. Auch sogenannte Kupfer-Caps, die das Kupfer langsam freigeben, hätten im Vergleich zur Kontrolle eine deutliche Wirkung gehabt. 
Zulassung von Alternativen dauert zu lange
In der Diskussion wurde unter anderem bemängelt, dass die Zulassung von Naturstoffen als Alternativen zum Kupfereinsatz im Ökolandbau extrem lange dauert. Jutta Kienzle nannte als Beispiel Löschkalk, für dessen Zulassung im Obstbau Bedenken bestehen, weil er hautreizend ist. Das sei schwer zu akzeptieren. „Aber ich verstehe es auch. Vieles ist inzwischen politisch so aufgeladen, dass sich die Verantwortlichen zunehmend scheuen, Entscheidungen zu fällen”, sagte Kienzle. Das bestätigte auch Hermann Färber, Bundestagsabgeordneter der CDU. Färber: „Behörden, die Entscheidungen treffen, geraten schnell ins Fadenkreuz von Kritikern. Wir müssen wieder lernen, dass ein gewisses Risiko vertretbar ist.”
Initiatoren der sechsten Europäischen Kupfertagung waren das Julius-Kühn-Institut (JKI) und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW). Sie wurde vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) gefördert.