Politik | 21. April 2022

Kritische Stimmen zu Özdemir nehmen zu

Von AgE
Die Kritik am agrarpolitischen Kurs von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir nimmt sowohl in der Ampelkoalition als auch in der Opposition zu.
Cem Özdemir eckt mit seinem Kurs angesichts des Ukraine-Kriegs auch in den eigenen Reihen der Ampel-koalition an.
„Unsere guten Böden und die Produktion noch weiter stillzulegen und zu extensivieren, ist ein fataler Irrweg”, sagte die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Carina Konrad, vergangene Woche. Ziel müsse es sein, „den von der Vorgängerregierung ausgestalteten nationalen GAP-Strategieplan dahingehend anzupassen, kommende Produktionshemmnisse abzubauen”. Bei einem solchen Vorhaben werde man das Bundeslandwirtschaftsministerium „klar unterstützen”, versicherte die FDP-Politikerin.
Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, warf Özdemir vor, er ignoriere die Notwendigkeit einer leistungsstarken und hocheffizienten Landwirtschaft in Deutschland. Stegemann fordert den Minister auf, „nicht weiter den Wunschträumen der Grünen von einer heilen Welt hinterherzulaufen”. Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber forderte von Özdemir verlässliche Entscheidungen zur Tierhaltung.
Nicht den „Tiergarten” umpflügen
Unterdessen erteilte der Bundesminister Forderungen nach einem einseitigen Fokus auf Intensivierung und Produktivitätssteigerungen erneut eine Absage. Wer einfach mehr Flächen in Produktion nehmen und „auch noch den Tiergarten umpflügen” wolle, müsse auch eine ehrliche Debatte über die Verwendung der erzeugten Rohstoffe führen, erklärte Özdemir am 12. April  bei einer Aktion von Entwicklungs-, Menschenrechts- und Bauernorganisationen vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium.
Der Grünen-Politiker wies darauf hin, dass mehr als die Hälfte des in Deutschland angebauten Getreides derzeit in die Fütterung gehe oder für die Erzeugung von Biokraftstoffen eingesetzt werde. Wenn es um die internationale Ernährungssicherung geht, sollte Özdemir zufolge deshalb auch diskutiert werden, „wie viele der Agrarerzeugnisse dann noch in den Tank oder den Teller gehen dürfen”.
„Teller first”
Für ihn sei klar, so der Minister, dass in so einer Situation die Devise heißen müsse „Teller first”. Intensivierung sei hingegen keine Lösung, führte Özdemir aus. Vielmehr müsse es darum gehen, eine „krisenresiliente” Landwirtschaft aufzubauen und die Abhängigkeit von fossilen Energien zu beenden, die erst zu den heutigen Abhängigkeiten geführt hätten.
„Der Hunger ist dort am größten, wo die Klimakrise heute schon Existenzen bedroht”, erklärte der Minister. Seinen Angaben zufolge droht in Ostafrika derzeit die schlimmste Hungersnot seit 40 Jahren. Eine Ursache sei die Importabhängigkeit von Ländern, die bereits von Kriegen, der Klimakrise und damit einhergehenden Dürren und Überschwemmungen betroffen seien. Dort seien gravierende Auswirkungen auf die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln zu erwarten. „Nachhaltige, klimagerechte Landwirtschaft muss sowohl vor Ort als auch vor unserer eigenen Haustür, in Europa, gestärkt werden”, so der Minister. Nur so sei das Recht auf Nahrung zu sichern.
„Umweltfreundlichere Erzeugung ohne Ertragseinbußen kann mit Mut zu Fortschritt und neuen Technologien gelingen”, stellte FDP-Fraktionsvize Konrad fest. Was bei der zukünftigen Energieerzeugung der Fall sei, lasse sich in gewisser Weise auch auf die Landwirtschaft übertragen. Konrad: „Der nachhaltigen Intensivierung unserer Produktion durch Innovationen kommt eine entscheidende Rolle zu.” Die moderne Biotechnologie sei dabei eine „Freiheitstechnologie, die uns unabhängiger von Dünger- und Energieimporten machen kann”.
Der FDP-Politikerin zufolge verschärft der Angriffskrieg auf die Ukraine die ohnehin schon besorgniserregende Entwicklung mit der zunehmenden Zahl an Hungernden auf der Welt. Bei wachsender Weltbevölkerung steige die landwirtschaftliche Produktivität nicht mehr in gleichem Maße an, wie es noch vor einigen Jahren der Fall gewesen sei. Äußere Einflüsse wie Missernten, extreme Wetterereignisse und zuletzt die Folgen der Corona-Pandemie seien noch hinzugekommen. „Wir müssen nun unsere Verantwortung in der Welt wahrnehmen und dürfen die Ärmsten nicht im Stich lassen, denn wir haben keinesfalls ein Verteilungsproblem, sondern eine real existierende Knappheit an Agrarrohstoffen”, erklärte Konrad.
Allein in Europa
Auch für Stegemann steht außer Frage, „wir brauchen eine stärkere und höhere Produktion in Europa, um Putin zu trotzen”. Das gelte für die Energieversorgung genauso wie für die Lebensmittelversorgung. Mit seiner Weigerung, die landwirtschaftliche und vor allem konventionelle Erzeugung auszuweiten, stehe der Bundeslandwirtschaftsminister in Europa alleine da.  Nach seiner Einschätzung nutzt  Wladimir Putin den Hunger als Waffe. Die Einstellung russischer Getreideexporte setze dieser als Druckmittel gegenüber anderen Staaten ein.