Serie: Christliche Symbolpflanzen (1) Kräuterbüschel zu Mariä Himmelfahrt
Die Vegetation befindet sich im August auf dem Höhepunkt. In der heißen Zeit des Sommers blühen viele Heilpflanzen, das hohe Lichtangebot langer Tage und die hohen Temperaturen fördern die Ausbildung von Duft-, Geschmacks- und Wirkstoffen. Die hohe Konzentration an sekundären Pflanzenstoffen kann man heutzutage wissenschaftlich mittels Gaschromatografie nachweisen, das Prinzip war den Leuten früherer Zeiten längst bekannt. Die wirksamsten Heilkräuter lassen sich am Ende des Sommers sammeln, auch behalten sie ihren Duft länger bis in den Winter hinein als früher gesammelte Pflanzen.
Als Frauendreißiger werden die Tage von 15. August bis 13. September, dem Tag der Kreuzerhöhung, bezeichnet. Der 15. August hieß früher auch Frauentag. Kräuterkunde, Kräutersammeln und Heilen waren anscheinend schon immer Domänen der Frauen.
Demnach rief man nach dem Tod Marias in Ephesos einst alle Apostel zusammen. Der Apostel Thomas soll – wieder einmal – um drei Tage zu spät eingetroffen sein. Da man die Verstorbene noch einmal sehen wollte, wurde das Grab geöffnet, doch darin befanden sich an Stelle des Leichnams duftende Blumen, denn Maria war in den Himmel aufgefahren.
In Erinnerung daran wird das gebundene Kräuterbüschel bisweilen auch „Maria Bettstroh” genannt. Von dieser Legende gibt es verschiedene Abwandlungen. Die Idee, die dahinter steckt, besagt, dass Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde. Die Weihe in der Kirche bedeutet so viel wie eine Bitte um göttliche Unterstützung. Die Kräuter verweisen auf das Heil des ganzen Menschen, auf das Wirken Gottes in der Schöpfung und auf die Erlösung. Je nach Region und Ort kennt man unterschiedliche Angaben, welche Heilkräuter im Kräuterbüschel enthalten sein müssen:
Kamille, Wermut, Lavendel, Pfefferminze, Salbei, Ysop und Thymian bilden die sieben Hauptkräuter, ergänzt um
Johanniskraut, Beifuß, Dost, Schafgarbe und Rainfarn. Es dürfen auch weitere Kräuter enthalten sein wie:
Alant, Arnika, Baldrian, Frauenmantel, Johanniskraut, Tausendgüldenkraut, Majoran und Ringelblume.
Am wichtigsten sind demnach Kräuter, mit denen man Husten und Katarrh lindert oder andererseits leichte Magen- und Darmbeschwerden behandelt. Somit finden sich vorwiegend Heilpflanzen, die in den Wintermonaten häufig gebraucht werden. Auf jeden Fall kommt es auf die Anzahl der Kräuter an, es muss beim Büschelbinden eine magische Zahl von 7-9-12-15 oder mehr Kräutern in einer Vielzahl von drei sein. Kundige Kräutersammlerinnen binden auch Sträuße mit 77 oder 99 verschiedenen Kräutern.
Heilkräuter, die im Hochsommer blühen, machen den Großteil der Pflanzen aus, doch das Büschel wird ergänzt um reifende Getreideähren, blühenden Faser-Lein und Rosenblüten. Auch Blumen vom Wegrand oder aus dem Bauerngarten dürfen dabei sein. Die Mitte eines Kräuterbüschels nimmt ein Blütenstand der Königskerze ein, der symbolisch als Zepter für die Himmelskönigin Maria steht. Geschmückt wird das Kräuterbüschel mit Bändern und Schleifen. Frauen und Mädchen eines Dorfes sammeln gemeinsam, die älteren wissen, an welchen Stellen bestimmte Arten zu finden sind.
Traditionell holte man die Pflanzen am 14. August vor Sonnenuntergang zusammen. Dem alten Volksglauben nach muss man sie pflücken, darf sie nicht schneiden, denn Eisen würde die Kräfte entziehen.Wegen ihrer vielfältigen Heilkräfte gehört die Großblütige Königskerze (Verbascum densiflorum) im Mittelpunkt des Kräuterbüschels ohnehin zu den Marienblumen. Die Hauptblüte der zweijährigen Pflanze fällt in den Juli, einzelne Exemplare blühen bis in den Herbst. Oft wird die Königskerze durch den zierlicheren Kleinen Odermennig (Agrimonia eupatoria) ersetzt.
Erfreulicherweise lebt der Brauch, Kräuterbüschel zu binden, in vielen Gemeinden bis heute fort oder wird neu belebt. Nur müssen wir uns eines bewusst sein: Aufgrund der Klimaerwärmung blühen viele Pflanzenarten mittlerweile früher, bis Mitte August sind viele gängige Heilkräuter verblüht und auch ihr Wirkstoffgehalt nimmt wieder ab.
Wer Kräuter sammelt, um sie im Winter für heilende Tees zu verwenden, muss etwas früher sammeln. Gerade die Lippenblütler wie Salbei, Majoran, Thymian weisen den höchsten Gehalt an ätherischen Ölen kurz vor der Blüte auf, bei der Kamille sollten sich gerade die ersten Kreise der gelben Röhrenblüten in der Mitte des Blütenköpfchens öffnen.