Politik | 19. Januar 2017

Kompromiss zum Düngepaket steht

Von AgE
Bund und Länder haben sich auf eine Neufassung des Düngerechts verständigt. Sie sieht die Einführung einer verbindlichen Stoffstrombilanz für Stickstoff und Phosphat für Tierhaltungsbetriebe mit mehr als 2000 Mastschweineplätzen oder über 2,5 Großvieheinheiten (GVE) je Hektar vor.
Auf die Landwirte kommt mit dem neuen Düngerecht einiges zu. Die Koalition will die Änderung des Düngegesetzes Ende Januar beschließen. Das Paket aus Verordnung, Gesetz und Anlagenverordnung soll dann am 31. März im Bundesrat verabschiedet werden.
Ab 2023 soll die Stoffstrombilanz für alle Betriebe oberhalb einer Bagatellgrenze obligatorisch werden. Außen vor sollen Betriebe bis 20 ha bleiben, deren Dunganfall eine bestimmte Grenze nicht überschreitet. Neu ist eine Regelung für Gebiete mit phosphatbelasteten Gewässern. In diesen Gebieten sollen die Länder, ähnlich wie in den nitratbelasteten Gebieten, Maßnahmen zur Phosphatbegrenzung ergreifen können. Welche Gebiete betroffen sein werden, ist noch offen. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll dazu Vorschläge machen.
Erleichterung mit Bedenken
In Gebieten mit besonderer Nitratbelastung sollen den Ländern zusätzliche Handlungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Vertreter aller Seiten zeigten sich erleichtert. Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) begrüßte, dass die Verhandlungen endlich zum Abschluss gekommen seien. Zugleich äußerte Verbandspräsident Joachim Rukwied erhebliche Bedenken gegen einige der vorgesehenen Regelungen.
Rukwied geht davon aus, dass mit dem vereinbarten Düngepaket das Klageverfahren der Europäischen Union erledigt ist und damit Rechtssicherheit hergestellt wird. Das Bundeslandwirtschaftsministerium soll die Änderungen kurzfristig in den Entwurf zur Novelle der Düngeverordnung einarbeiten.
Zeitplan
Vorausgesetzt es ergeben sich keine neuen Streitpunkte, will die Koalition die notwendige Änderung des Düngegesetzes Ende Januar beschließen. Das Paket aus Verordnung, Gesetz und Anlagenverordnung soll dann am 31. März im Bundesrat endgültig verabschiedet werden.
Liste mit Änderungen
An der Einigung am 11. Januar waren neben den beiden Bundesministern Christian Schmidt und Barbara Hendricks sowie ihren Staatssekretären die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Gitta Connemann, die Agrarsprecher von CDU/CSU und SPD, Franz-Josef Holzenkamp und Wilhelm Priesmeier, ferner die Länderminister  Till Backhaus, Christian Meyer und ein Vertreter von Peter Hauk beteiligt.
Die Voraussetzung für den Kompromiss hatte bereits in der Vorwoche eine Expertenrunde mit Fachleuten aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium sowie den Agrarressorts von Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Baden-Württemberg geschaffen. Deren insgesamt 15 Änderungsvorschläge wurden von der Politikerrunde weitgehend übernommen. Niedersachsens Minister Meyer sagte als Koordinator der grünen Ressortchefs zu, dass es im Bundesrat keine weitergehenden Forderungen mehr geben werde, sollte die jetzt erzielte Vereinbarung umgesetzt werden.
Die Absenkung der Vieheinheitengrenze für die Stoffstrombilanz von 3 GVE/ha, wie bislang vorgesehen, auf 2,5 GVE/ha begründen die Beteiligten mit fehlenden statistischen Nachweisen für die 3-GVE-Grenze. Dadurch wird die Zahl von 12000 Betrieben deutlich steigen, die laut einer Schätzung der Bundesregierung ursprünglich unter die Regelung gefallen wären. Betroffene Betriebe, die künftig zur Erstellung einer Stoffstrombilanz verpflichtet sind, sollen keine Nährstoffvergleiche mehr durchführen müssen.
„Rote Gebiete”
Die Einigung gibt den Ländern erweiterte Handlungsmöglichkeiten für die sogenannten „roten Gebiete”. So sollen sie  in den Gebieten mit hoher Nitrat- oder Phosphatbelastung zusätzliche Maßnahmen ergreifen können. Genannt werden Sperrfristverlängerungen, Verbots- und Abstandsregelungen, eine Phosphor-Mengenreduzierung sowie eine verkürzte Einarbeitungsfrist für Gülle von einer Stunde. Zudem ist vorgesehen, dass die Länder aus dem Katalog für belastete Gebiete mindestens drei Maßnahmen ergreifen müssen.
Auf einige der geforderten Verschärfungen soll verzichtet werden. So ist vorgesehen, dass es im Rahmen des Nährstoffvergleichs bei den Abzugsmöglichkeiten für unvermeidbare Verluste von 15 Prozent für Feldfutter und 25 Prozent für Grünland bleibt. Bei der Weidehaltung sollen wie bisher 25 Prozent der Stickstoffmengen angerechnet werden dürfen.
Zufriedene SPD
Die Stickstoffbedarfswerte für bestimmte Kulturen werden den aktuellen Einigungen zufolge nun doch nicht reduziert. Bleiben soll es auch bei der Frist für die verschärften Anforderungen an die Gülleaufbringung auf Grünland bis 2025. Ferner besagt der Entwurf, dass auf Ackerland bereits ab 2020 Gülle streifenförmig aufgebracht oder eingearbeitet werden muss. Die Derogation für Biogasbetriebe soll auf Ackerland nur für mehrjährigen Feldfutterbau gelten, nicht für Silomais.
Zufrieden mit dem Kompromiss zeigte sich insbesondere die SPD. Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef Backhaus sprach nach dem Zusammentreffen von einer „klaren sozialdemokratischen Handschrift”. Für Agrarsprecher Priesmeier ist mit der vorgesehenen Stoffstrombilanz die Forderung seiner Partei nach einer „ehrlichen Nährstoffbilanzierung” erfüllt.
In der Union wurde die Einigung bestätigt. Es sei gelungen, sich bei den noch offenen Fragen zum Düngepaket zu verständigen, erklärten Connemann und Holzenkamp. Damit habe im Grundsatz eine Einigung über die Inhalte von Düngegesetz und Düngerverordnung erzielt werden können. Auch wenn es noch Detailfragen zu klären gebe, sei man zuversichtlich, dass die Koalitionsfraktionen auf dieser Grundlage das Düngegesetz noch im Januar abschließend beraten könnten.
Schmidt: „Fordernd, aber machbar”
Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt sieht in der Einigung „für die Landwirte fordernde, aber machbare Regelungen für einen besseren Wasserschutz”. Er wies darauf hin, dass die verschärften Vorgaben vor allem Gebiete mit kritischen Nitratwerten betreffen.
Umweltministerin Hendricks nannte die Einigung „längst überfällig”. Das vereinbarte Regelungspaket stelle einen umweltbewussten und sparsamen Umgang mit Nährstoffen in der Landwirtschaft sicher. Mit der Novelle der Düngeverordnung würden die Sperrzeiten für die Düngung verlängert und die Abstände zu Gewässern ausgeweitet. Gärreste aus Biogasanlagen beziehe sie in die Berechnung der Stickstoffobergrenze von 170 kg/ha mit ein. Darüber hinaus würden die Länder zum Erlass zusätzlicher Maßnahmen in Gebieten mit hohen Nitratwerten verpflichtet. Dies gelte auch für Regionen, in denen stehende oder langsam fließende oberirdische Gewässer zu stark belastet sind.
Die Stoffstrombilanz als Kern der Novelle des Düngegesetzes sei auf Betreiben des Bundesumweltministeriums neu eingeführt worden, betonte die SPD-Politikerin. Mit der Bilanzierung der Nährstoffmengen lasse sich künftig die Stickstoffbelastung der Böden durch einen Betrieb besser bestimmen.
DBV rechnet mit erheblichen Auswirkungen auf die Strukturen
„Die Novelle des Düngerechts bringt für die Bauern in ganz Deutschland zusätzliche Auflagen und stellt die Betriebe vor enorme Herausforderungen”, erklärte DBV-Präsident Rukwied. Nach seiner Einschätzung wird die Einigung erhebliche Auswirkungen auf die Strukturen in der Landwirtschaft haben.
Rukwied wirft den Ländern vor, sie hätten zusätzliche Verschärfungen der ohnehin schon weitreichenden Novelle der Düngeverordnung eingebracht. Der DBV-Präsident erkennt allerdings an, dass auch in Zukunft der Nährstoffbedarf der Kulturen der Maßstab für die Düngung bleibe.
Die gravierenden Bedenken des Bauernverbandes richten sich gegen die vorgesehene Phosphatregelung. Rukwied bezweifelt deren Umsetzbarkeit und Rechtssicherheit und verweist auf Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Gebiete mit phosphatbelasteten Gewässern und der Nachweisführung bei der Einhaltung der Vorschriften. Seiner Auffassung nach besteht hier eine große Gefahr der Zweckentfremdung.
Kritisch bewertet der Bauernpräsident auch die von den Ländern immer weiter ausgeweitete Länderöffnungsklausel für nitratgefährdete Gebiete. Rukwied befürchtet, dass sich die Länder und die Wasserwirtschaft dadurch ihrer Verantwortung für den kooperativen Gewässerschutz entziehen könnten.Wichtig sei, dass die Landwirte bei der Anpassung an die sehr weitreichend geänderten Düngevorschriften ausreichende Übergangsfristen bekämen und die Anschaffung neuer Technik gefördert werde.