Bund und Länder haben sich auf eine Neufassung des Düngerechts verständigt. Sie sieht die Einführung einer verbindlichen Stoffstrombilanz für Stickstoff und Phosphat für Tierhaltungsbetriebe mit mehr als 2000 Mastschweineplätzen oder über 2,5 Großvieheinheiten (GVE) je Hektar vor.
Auf die Landwirte kommt mit dem neuen Düngerecht einiges zu. Die Koalition will die Änderung des Düngegesetzes Ende Januar beschließen. Das Paket aus Verordnung, Gesetz und Anlagenverordnung soll dann am 31. März im Bundesrat verabschiedet werden.
Ab 2023 soll die Stoffstrombilanz für alle Betriebe oberhalb einer Bagatellgrenze obligatorisch werden. Außen vor sollen Betriebe bis 20 ha bleiben, deren Dunganfall eine bestimmte Grenze nicht überschreitet. Neu ist eine Regelung für Gebiete mit phosphatbelasteten Gewässern. In diesen Gebieten sollen die Länder, ähnlich wie in den nitratbelasteten Gebieten, Maßnahmen zur Phosphatbegrenzung ergreifen können. Welche Gebiete betroffen sein werden, ist noch offen. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll dazu Vorschläge machen.
Erleichterung mit Bedenken
In Gebieten mit besonderer Nitratbelastung sollen den
Ländern zusätzliche Handlungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Vertreter
aller Seiten zeigten sich erleichtert. Auch der Deutsche Bauernverband
(DBV) begrüßte, dass die Verhandlungen endlich zum Abschluss gekommen
seien. Zugleich äußerte Verbandspräsident Joachim Rukwied erhebliche
Bedenken gegen einige der vorgesehenen Regelungen.
Rukwied geht davon aus, dass mit dem vereinbarten Düngepaket das
Klageverfahren der Europäischen Union erledigt ist und damit
Rechtssicherheit hergestellt wird. Das Bundeslandwirtschaftsministerium
soll die Änderungen kurzfristig in den Entwurf zur Novelle der
Düngeverordnung einarbeiten.
Zeitplan
Vorausgesetzt es ergeben sich keine
neuen Streitpunkte, will die Koalition die notwendige Änderung des
Düngegesetzes Ende Januar beschließen. Das Paket aus Verordnung, Gesetz
und Anlagenverordnung soll dann am 31. März im Bundesrat endgültig
verabschiedet werden.
Liste mit Änderungen
An der Einigung am 11. Januar
waren neben den beiden Bundesministern Christian Schmidt und Barbara
Hendricks sowie ihren Staatssekretären die stellvertretende Vorsitzende
der Unionsfraktion, Gitta Connemann, die Agrarsprecher von CDU/CSU und
SPD, Franz-Josef Holzenkamp und Wilhelm Priesmeier, ferner die
Länderminister Till Backhaus, Christian Meyer und ein Vertreter von
Peter Hauk beteiligt.
Die Voraussetzung für den Kompromiss hatte bereits in der Vorwoche eine
Expertenrunde mit Fachleuten aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium
sowie den Agrarressorts von Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und
Baden-Württemberg geschaffen. Deren insgesamt 15 Änderungsvorschläge
wurden von der Politikerrunde weitgehend übernommen. Niedersachsens
Minister Meyer sagte als Koordinator der grünen Ressortchefs zu, dass es
im Bundesrat keine weitergehenden Forderungen mehr geben werde, sollte
die jetzt erzielte Vereinbarung umgesetzt werden.
Die Absenkung der Vieheinheitengrenze für die Stoffstrombilanz von 3
GVE/ha, wie bislang vorgesehen, auf 2,5 GVE/ha begründen die Beteiligten
mit fehlenden statistischen Nachweisen für die 3-GVE-Grenze. Dadurch
wird die Zahl von 12000 Betrieben deutlich steigen, die laut einer
Schätzung der Bundesregierung ursprünglich unter die Regelung gefallen
wären. Betroffene Betriebe, die künftig zur Erstellung einer
Stoffstrombilanz verpflichtet sind, sollen keine Nährstoffvergleiche
mehr durchführen müssen.
„Rote Gebiete”
Die Einigung gibt den Ländern
erweiterte Handlungsmöglichkeiten für die sogenannten „roten Gebiete”.
So sollen sie in den Gebieten mit hoher Nitrat- oder Phosphatbelastung
zusätzliche Maßnahmen ergreifen können. Genannt werden
Sperrfristverlängerungen, Verbots- und Abstandsregelungen, eine
Phosphor-Mengenreduzierung sowie eine verkürzte Einarbeitungsfrist für
Gülle von einer Stunde. Zudem ist vorgesehen, dass die Länder aus dem
Katalog für belastete Gebiete mindestens drei Maßnahmen ergreifen
müssen.
Auf einige der geforderten Verschärfungen soll verzichtet werden. So
ist vorgesehen, dass es im Rahmen des Nährstoffvergleichs bei den
Abzugsmöglichkeiten
für unvermeidbare Verluste von 15 Prozent für Feldfutter und 25 Prozent
für Grünland bleibt. Bei der Weidehaltung sollen wie bisher 25 Prozent
der Stickstoffmengen angerechnet werden dürfen.
Zufriedene SPD
Die
Stickstoffbedarfswerte für bestimmte Kulturen werden den aktuellen
Einigungen zufolge nun doch nicht reduziert. Bleiben soll es auch bei
der Frist für die verschärften Anforderungen an die Gülleaufbringung auf
Grünland bis 2025. Ferner besagt der Entwurf, dass auf Ackerland
bereits ab 2020 Gülle streifenförmig aufgebracht oder eingearbeitet
werden muss. Die Derogation für Biogasbetriebe soll auf Ackerland nur
für mehrjährigen Feldfutterbau gelten, nicht für Silomais.
Zufrieden mit dem Kompromiss zeigte sich insbesondere die SPD.
Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef Backhaus sprach nach dem
Zusammentreffen von einer „klaren sozialdemokratischen Handschrift”. Für
Agrarsprecher Priesmeier ist mit der vorgesehenen Stoffstrombilanz die
Forderung seiner Partei nach einer „ehrlichen Nährstoffbilanzierung”
erfüllt.
In der Union wurde die Einigung bestätigt. Es sei gelungen, sich bei
den noch offenen Fragen zum Düngepaket zu verständigen, erklärten
Connemann und Holzenkamp. Damit habe im Grundsatz eine Einigung über die
Inhalte von Düngegesetz und Düngerverordnung erzielt werden können.
Auch wenn es noch Detailfragen zu klären gebe, sei man zuversichtlich,
dass die
Koalitionsfraktionen auf dieser Grundlage das Düngegesetz noch im Januar
abschließend beraten könnten.
Schmidt: „Fordernd, aber machbar”
Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt sieht in der Einigung „für die
Landwirte fordernde, aber machbare Regelungen für einen besseren
Wasserschutz”. Er wies darauf hin, dass die verschärften Vorgaben vor
allem Gebiete mit kritischen Nitratwerten betreffen.
Umweltministerin Hendricks nannte die Einigung „längst überfällig”. Das
vereinbarte Regelungspaket stelle einen umweltbewussten und sparsamen
Umgang mit Nährstoffen in der Landwirtschaft sicher. Mit der Novelle der
Düngeverordnung würden die Sperrzeiten für die Düngung verlängert und
die Abstände zu Gewässern ausgeweitet. Gärreste aus Biogasanlagen
beziehe sie in die Berechnung der Stickstoffobergrenze von 170 kg/ha mit
ein. Darüber hinaus würden die Länder zum Erlass zusätzlicher Maßnahmen
in Gebieten mit hohen Nitratwerten verpflichtet. Dies gelte auch für
Regionen, in denen stehende oder langsam fließende oberirdische Gewässer
zu stark belastet sind.
Die Stoffstrombilanz als Kern der Novelle des Düngegesetzes sei auf
Betreiben des Bundesumweltministeriums neu eingeführt worden, betonte
die SPD-Politikerin. Mit der Bilanzierung der Nährstoffmengen lasse sich
künftig die Stickstoffbelastung der Böden durch einen Betrieb besser
bestimmen.
DBV rechnet mit erheblichen Auswirkungen auf die Strukturen
„Die Novelle des Düngerechts bringt für die Bauern in ganz Deutschland zusätzliche Auflagen und stellt die Betriebe vor enorme Herausforderungen”, erklärte DBV-Präsident Rukwied. Nach seiner Einschätzung wird die Einigung erhebliche Auswirkungen auf die Strukturen in der Landwirtschaft haben.
Rukwied wirft den Ländern vor, sie hätten zusätzliche Verschärfungen der ohnehin schon weitreichenden Novelle der Düngeverordnung eingebracht. Der DBV-Präsident erkennt allerdings an, dass auch in Zukunft der Nährstoffbedarf der Kulturen der Maßstab für die Düngung bleibe.
Die gravierenden Bedenken des Bauernverbandes richten sich gegen die vorgesehene Phosphatregelung. Rukwied bezweifelt deren Umsetzbarkeit und Rechtssicherheit und verweist auf Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Gebiete mit phosphatbelasteten Gewässern und der Nachweisführung bei der Einhaltung der Vorschriften. Seiner Auffassung nach besteht hier eine große Gefahr der Zweckentfremdung.
Kritisch bewertet der Bauernpräsident auch die von den Ländern immer weiter ausgeweitete Länderöffnungsklausel für nitratgefährdete Gebiete. Rukwied befürchtet, dass sich die Länder und die Wasserwirtschaft dadurch ihrer Verantwortung für den kooperativen Gewässerschutz entziehen könnten.Wichtig sei, dass die Landwirte bei der Anpassung an die sehr weitreichend geänderten Düngevorschriften ausreichende Übergangsfristen bekämen und die Anschaffung neuer Technik gefördert werde.