Politik | 27. Juli 2023

Kommission überzeugt Minister nicht

Von AgE
Die Mehrheit der Agrarminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union steht dem Verordnungsvorschlag zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) nach wie vor skeptisch gegenüber.
Auch die nun von der EU-Kommission vorgelegte erweiterte Folgenabschätzung hat die kritische Auffassung vieler Ressortchefs dem Gesetzesvorhaben gegenüber nicht geändert. Wie auf dem Brüsseler Agrarrat am Dienstag dieser Woche  deutlich wurde, reichen vielen Ministern die Ergebnisse nicht, um ihre Zweifel auszuräumen.
Nichtsdestoweniger bekräftigte Spaniens Landwirtschaftsminister Luis Planas bei seinem ersten Treffen mit den Amtskollegen als Agrarratspräsident die Absicht, spätestens bis Jahresende eine Position der Mitgliedstaaten zur SUR auszuhandeln. Selbst wenn dies gelingen sollte, wäre es allerdings fraglich, ob noch eine Einigung bis zur nächsten Europawahl im Juni mit dem EU-Parlament und der Kommission erzielt wird.
Özdemir gegen Mehrheitsmeinung
Die für die SUR federführende Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides stellte klar, dass die neuerliche Folgenabschätzung „das bestätigt, was wir schon wussten”. Weder würde für die meisten Produkte das Preisniveau auf eine nicht mehr erträgliche Höhe steigen, noch sei die Ernährungssicherheit gefährdet, so die Kommissarin.    Zugleich versicherte die Zypriotin, dass wirksame Alternativen zu chemischen Produkten auf „einem guten Weg sind”. Gegen die Mehrheitsmeinung im Rat erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, dass weitere Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren nicht zu rechtfertigen seien. Schließlich habe die Untersuchung wichtige Fragen beantwortet.
Sorge um Weinbau
Gleichzeitig stellte  der Grünen-Politiker klar, dass es bei der Verringerung der Einsatzmengen von Pflanzenschutzmitteln einheitlicher Regeln bedürfe. Gerade bei den individuellen Reduktionsvorgaben gelte, „der Fleißige darf nicht der Dumme sein”. Laut Özdemir muss außerdem der Anbau von Sonderkulturen und von Wein möglich bleiben. Als gutes Beispiel für eine wirksame und praktikable Reduzierung chemischer Pflanzenschutzmittel nannte der grüne Ressortchef das Biodiversitäts-stärkungsgesetz in Baden-Württemberg.
Derweil beklagte Portugal die in der Folgenabschätzung aufgezeigten negativen Auswirkungen auf den Anbau vieler Sonderkulturen. Vor allem die Folgen für den Weinsektor wären für Lissabon wie auch für die anderen südlichen EU-Mitgliedsländer kaum hinzunehmen.
Frankreichs Landwirtschaftsminister Marc Fesneau warnte ebenfalls vor einem Einbrechen der Weinproduktion in der EU. Er stellte in diesem Zusammenhang klar, dass es sich bei diesem Thema nicht um „französischen Chauvinismus” handle; das Problem betreffe alle Mitgliedstaaten mit Weinbau. Ein wichtiges Werkzeug zur Umsetzung der SUR sieht Fesneau in den neuen Züchtungstechnologien.
Er beklagte, dass viele Aspekte auch im Rahmen der erweiterten Folgenabschätzung nicht hinreichend untersucht worden seien. Diese Kritik übten auch östliche Mitgliedstaaten.
Die finnische Delegation pochte auf Änderungen bei der Definition der sensiblen Gebiete. Dem Kommissionsentwurf zufolge würde ganz Finnland in diese Kategorie fallen.
Thema Fruchtfolge und Stilllegung
Die Diskussion um die mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) eingeführten Vorgaben zur Fruchtfolge und Stilllegung hat wieder Fahrt aufgenommen. Rumänien drängte beim Agrarrat am Dienstag dieser Woche in Brüssel mit Unterstützung Polens und Ungarns die EU-Kommission dazu, die Landwirte auch im kommenden Jahr davon zu befreien.  Die rumänische Delegation begründete die Forderung mit den niedrigen Niederschlägen sowie den hohen Preisen für landwirtschaftliche Vorleistungsgüter. Als einer von wenigen Ressortchefs  stellte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir indes klar, dass er eine erneute Aussetzung der Regeln zur Stilllegung und zum Fruchtwechsel ablehne. „Schließlich wurden GLÖZ 7 und 8 geschaffen, um etwa durch mehr Humusaufbau die Resilienz der Böden vor Trockenheit zu verbessern”, so Özdemir. Vielmehr seien nun ambitionierte Maßnahmen zum Schutz der Umwelt die richtige Antwort, erklärte der Grünen-Politiker.