Die Mehrheit der Agrarminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union steht dem Verordnungsvorschlag zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) nach wie vor skeptisch gegenüber.
Auch die nun von der EU-Kommission vorgelegte erweiterte Folgenabschätzung hat die kritische Auffassung vieler Ressortchefs dem Gesetzesvorhaben gegenüber nicht geändert. Wie auf dem Brüsseler Agrarrat am Dienstag dieser Woche deutlich wurde, reichen vielen Ministern die Ergebnisse nicht, um ihre Zweifel auszuräumen.
Nichtsdestoweniger bekräftigte Spaniens Landwirtschaftsminister Luis Planas bei seinem ersten Treffen mit den Amtskollegen als Agrarratspräsident die Absicht, spätestens bis Jahresende eine Position der Mitgliedstaaten zur SUR auszuhandeln. Selbst wenn dies gelingen sollte, wäre es allerdings fraglich, ob noch eine Einigung bis zur nächsten Europawahl im Juni mit dem EU-Parlament und der Kommission erzielt wird.
Özdemir gegen Mehrheitsmeinung
Die für die SUR federführende Gesundheitskommissarin
Stella Kyriakides stellte klar, dass die neuerliche Folgenabschätzung
„das bestätigt, was wir schon wussten”. Weder würde für die meisten
Produkte das Preisniveau auf eine nicht mehr erträgliche Höhe steigen,
noch sei die Ernährungssicherheit gefährdet, so die Kommissarin. Zugleich versicherte die Zypriotin, dass wirksame Alternativen zu
chemischen Produkten auf „einem guten Weg sind”. Gegen die
Mehrheitsmeinung im Rat erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Cem
Özdemir, dass weitere Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren nicht zu
rechtfertigen seien. Schließlich habe die Untersuchung wichtige Fragen
beantwortet.
Sorge um Weinbau
Gleichzeitig stellte der Grünen-Politiker klar, dass es
bei der Verringerung der Einsatzmengen von Pflanzenschutzmitteln
einheitlicher Regeln bedürfe. Gerade bei den individuellen
Reduktionsvorgaben gelte, „der Fleißige darf nicht der Dumme sein”. Laut
Özdemir muss außerdem der Anbau von Sonderkulturen und von Wein möglich
bleiben. Als gutes Beispiel für eine wirksame und praktikable
Reduzierung chemischer Pflanzenschutzmittel nannte der grüne Ressortchef
das Biodiversitäts-stärkungsgesetz in Baden-Württemberg.
Derweil beklagte Portugal die in der Folgenabschätzung aufgezeigten
negativen Auswirkungen auf den Anbau vieler Sonderkulturen. Vor allem
die Folgen für den Weinsektor wären für Lissabon wie auch für die
anderen südlichen EU-Mitgliedsländer kaum hinzunehmen.
Frankreichs Landwirtschaftsminister Marc Fesneau warnte ebenfalls vor
einem Einbrechen der Weinproduktion in der EU. Er stellte in diesem
Zusammenhang klar, dass es sich bei diesem Thema nicht um „französischen
Chauvinismus” handle; das Problem betreffe alle Mitgliedstaaten mit
Weinbau. Ein wichtiges Werkzeug zur Umsetzung der SUR sieht Fesneau in
den neuen Züchtungstechnologien.
Er beklagte, dass viele Aspekte auch im Rahmen der erweiterten
Folgenabschätzung nicht hinreichend untersucht worden seien. Diese
Kritik übten auch östliche Mitgliedstaaten.
Die finnische Delegation pochte auf Änderungen bei der Definition der
sensiblen Gebiete. Dem Kommissionsentwurf zufolge würde ganz Finnland in
diese Kategorie fallen.
Thema Fruchtfolge und Stilllegung
Die Diskussion um die mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) eingeführten Vorgaben zur Fruchtfolge und Stilllegung hat wieder Fahrt aufgenommen. Rumänien drängte beim Agrarrat am Dienstag dieser Woche in Brüssel mit Unterstützung Polens und Ungarns die EU-Kommission dazu, die Landwirte auch im kommenden Jahr davon zu befreien. Die rumänische Delegation begründete die Forderung mit den niedrigen Niederschlägen sowie den hohen Preisen für landwirtschaftliche Vorleistungsgüter. Als einer von wenigen Ressortchefs stellte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir indes klar, dass er eine erneute Aussetzung der Regeln zur Stilllegung und zum Fruchtwechsel ablehne. „Schließlich wurden GLÖZ 7 und 8 geschaffen, um etwa durch mehr Humusaufbau die Resilienz der Böden vor Trockenheit zu verbessern”, so Özdemir. Vielmehr seien nun ambitionierte Maßnahmen zum Schutz der Umwelt die richtige Antwort, erklärte der Grünen-Politiker.