Tierhaltung | 01. Juni 2017

Kombiimpfungen bieten neue Möglichkeiten

Von Dr. Hendrik Nienhoff, LWK Niedersachsen
Die Idee ist verlockend: Ferkel nur einmal impfen und die gesamte Vorsorge ist erledigt. Das hätte Vorteile für Mensch und Tier. Aber ist das, was auf den ersten Blick vorteilhaft erscheint, auch immer das Beste, um die Infektionskrankheiten im Betrieb in Schach zu halten?
Für Impfungen im Ferkelbereich stehen einige Kombiimpfstoffe zur Verfügung. Die Einsatzmöglichkeiten müssen aber betriebindividuell abgeklärt werden.
Gerade weil die Idee so verlockend ist und die Vorteile so groß sind, arbeiten pharmazeutische Unternehmen schon seit den 1990er-Jahren, aber verstärkt in den letzten fünf Jahren daran,  Impfstoffe zu kombinieren oder neue Kombiimpfstoffe auf den Markt zu bringen. Dies ist möglich, da das Schwein  in der Lage ist, auf unterschiedliche   Viren und Bakterien gleichzeitig mit einer Immunantwort zu reagieren und einen Schutz aufzubauen. Allerdings reagiert  der Körper auf die verschiedenen Viren und Bakterien mit unterschiedlichen Mechanismen.
Kompliziertes System
Dieses System ist sehr kompliziert. Am einfachsten lässt sich noch das Prinzip der humoralen Immunität erklären. Dabei bildet der Organismus Antikörper im Blut, die dann zum Beispiel ein Virus markieren, das  anschließend  von Fresszellen beseitigt werden kann. Das funktioniert zum Beispiel gut bei Viren, die in großer Anzahl im Blut sind, wie  zum Beispiel das Circo-Virus. Anders funktioniert die zelluläre Immunität, die zum Beispiel eine große Bedeutung bei Mykoplasmen hat. Hier ist es wichtig, einen Schutz direkt in den Lungenalveolen über sogenannte Lungenmakrophagen (andere Fresszellen) aufzubauen. Ein Kombiimpfstoff gegen diese beiden Erreger muss das Immunsystem somit auf verschiedene Art und Weise ansprechen können. Dies gilt nicht nur für die Ferkelimpfungen, sondern auch für die Sauenimpfungen wie Parvo/Rotlauf oder Coli/Clostridien. Das bedeutet auch, dass viele Kombinationen getestet  und vor allen Dingen die richtigen Hilfsstoffe, die sogenannten Adjuvantien, gefunden werden müssen,  damit die Kombinationen am Ende auch wirksam sind.
Der richtige Zeitpunkt ist entscheidend
Eine weitere Herausforderung bei der Kombination von Impfungen ist der  Impfzeitpunkt. Für jeden Erreger, ob Virus oder Bakterium, gibt es einen optimalen Impfzeitpunkt. Dieser  ist  bestimmt über die maternale Immunität und den Infektionszeitpunkt mit dem Erreger. Da die maternale Immunität gegen  die unterschiedlichen Erreger (siehe Tab. 1)  verschieden lang anhält und auch der Einfluss der maternalen Antikörper auf eine Impfung für jeden Erreger unterschiedlich ist, variieren  je nach Erreger und Impfstoff auch die empfohlenen frühesten Impfzeitpunkte. Zumal auch der  Einfluss der Adjuvantien berücksichtigt werden muss.
 Auf der anderen Seite sollte der Impfschutz aufgebaut sein, wenn die Infektion mit dem Erreger stattfindet. Somit gibt es je nach Erreger und Impstoff auch große Unterschiede für den empfohlenen spätesten Impfzeitpunkt. Das alles gilt es bei der Kombination vom Impfungen zu berücksichtigen und fließt ein in die Entwicklung von Baukastensystemen und Kombiimpfstoffen. Sprich: Die Entwicklung solcher Impfkonzepte ist ein schwieriges, kompliziertes Unterfangen.
Dementsprechend sind bei insgesamt 75 zugelassenen Impfstoffen für das Schwein bislang auch nur wenige Kombinationen, sei es im Baukastensystem oder als Kombiimpfstoff, verfügbar.
Was zu beachten ist
Gerade im Bereich der Ferkelimpfungen hat sich  in letzter Zeit einiges getan. So wurden
 für die Kombiimpfung gegen M. hyo und PCV2 bzw. eine Dreifachimpfung mit zusätzlich PRRS-US-Lebendimpfstoff (per Ausnahmegenehmigung) verschiedene Produkte zugelassen (MSD Intervet,  Zoetis, Boehringer). Daher soll auf diesen Bereich im Folgenden näher eingegangen werden.
 Als erstes ist festzuhalten, dass nur die Impfstoffe, die dafür auch zugelassen sind, in einer Mischspritze verimpft werden sollten. Das in der Praxis ab und an praktizierte Mischen unterschiedlicher Impfstoffe, zum Teil noch mit reduzierter Dosis, birgt die große Gefahr des „Nicht-Wirkens” und ist strikt abzulehnen. Wenn es nach dem Verkauf so geimpfter Ferkel zu Regressanprüchen kommt, wird ein Gutachter ein solches  „Impfkonzept” immer als nicht ordnungsgemäß  bezeichnen und somit den Regressfordernden Recht geben.
Zweitens sollte die Mischung der dafür zugelassenen Impfstoffe immer frisch angesetzt werden, damit die Wirksamkeit der Impfstoffe voll erhalten bleibt. Das Gleiche gilt für die Lagerung von angebrochenen Flaschen etwa der  Kombiimpfstoffe. Diese sind in dem vom Hersteller angegebenen Zeitraum zu verbrauchen. Lebendimpfstoffe müssen immer frisch aufgelöst und zügig verbraucht werden.
Zum dritten muss klar sein, gegen welche Erreger im   Betrieb überhaupt geimpft werden soll –  sei es für die Vermarktung oder für den Betrieb selbst. Hierzu sollte sowohl in der Ferkelerzeugung als auch in der Mast über Diagnostik geklärt werden, welche Erreger überhaupt im System vorhanden sind. Danach wird der Tierarzt prüfen, ob ein  Kombinationsimpfstoff bzw. Impstoff im Baukastensystem zur Verfügung steht und eingesetzt werden kann.
Bei einer festen Vermarktung sollte man die Impfstrategie zusammen mit dem Mäster und dessen Tierarzt festlegen.
Als viertes sollte bei einer festen Vermarktung die Impfstrategie mit dem Mäster und dem Tierarzt des Mästers festgelegt werden. Einige Mäster wünschen sich zum Beispiel, da der Mykoplasmendruck in ihren  Betrieben sehr hoch ist, die „Two-shot”-Mykoplasmenimpfung der Ferkel. Hier stehen dann aber keine Kombiimpfstoffe mit PCV2 zur Verfügung. Ein anderes Beispiel wäre der Wunsch, die Impfung gegen  M. hyo und die  Glässersche Krankheit zu kombinieren. Das geht dann nur mit einem dafür zugelassenen „Two-shot-Mykoplasmen-Glässer-Impfstoff”, der aber zurzeit nicht  verfügbar ist. Auch ist es zurzeit nicht möglich, die Impfung gegen einen  PRRS-EU-Stamm in einem Baukastensystem oder Kombiimpfstoff mit der Impfung gegen M. hyo und PCV2 zu kombinieren.
Fünftens ist  bei den Kombiimpfstoffen  wie bereits erwähnt der richtige  Impfzeitpunkt wichtig. Der Kombiimpfstoff und das Baukastensystem für  M. hyo und PCV2 sind beide für die Verimpfung ab einem Alter von drei Wochen zugelassen. Soll  aus betrieblichen Gründen zum Beispiel gegen PCV2 deutlich später geimpft werden, kann es sein, dass man  mit der Mykoplasmen-Komponente sehr spät kommt. Oder anders herum, soll aus betrieblichen Gründen eine frühe Mykoplasmenimpfung installiert werden, wäre man mit der Circo-Komponente zu früh. Für diese Fälle muss man auf Einzelimpfstoffe zurückgreifen.
Der sechste und letzte Punkt ist die Erfolgskontrolle. Da der Erfolg einer Impfung über Blutuntersuchungen erregerabhängig nur schwer bis gar nicht kontrollierbar ist, ist die Auswertung der Leistungsparameter und der Krankheitsinzidenz bzw. der Behandlungshäufigkeit der Gradmesser für den Erfolg. Regelmäßiger Austausch von Daten und Erkenntnissen zwischen den Betriebsleitern und Tierärzten ist hierbei vonnöten. Stellt sich der gewünschte Erfolg mit der gewählten Impfstrategie nicht ein, so ist zu klären, ob es an der Impfstrategie, Fehlern bei der Durchführung, anderen Erkrankungen, Umweltfaktoren (Stallklima, Fütterung, ...) oder dem Management liegt. Hierzu sind neben den durch den Tierarzt einzuleitenden diagnostischen Untersuchungen alle anderen betrieblichen Faktoren auf den Prüfstand zu stellen.
Fazit
Kombiimpfstoffe und Doppelimpfungen im Baukastensystem sind sowohl für den Tierschutz als auch aus arbeitswirtschaftlicher Sicht für die Betriebe interessant, allerdings ist die Auswahl an Kombinationen zurzeit noch überschaubar (siehe Tab. 2). Durch die Einführung neuer Ferkelkombiimpfstoffe und Erweiterung der Baukastensysteme ergeben sich in den Betrieben jedoch auch neue Möglichkeiten für Impfkonzepte. Die Impfkonzepte bei den Ferkeln sollten jedoch im Vorfeld mit den Mästern und den Tierärzten besprochen und ausgelotet werden. Dabei sind die Gegebenheiten in den Betrieben, der Infektionsdruck und die Leistungen zu berücksichtigen. Eine Erfolgskontrolle über auswertbare Parameter sollte bei Änderung der Konzepte vereinbart werden. Es  sollte kein eigenmächtiger Wechsel von Impfkonzepten ohne Absprache durchgeführt werden. Letztendlich gilt, nicht nur für Kombiimpfungen und Baukastensysteme: Jeder Betrieb muss sein maßgeschneidertes Impfkonzept entwickeln. Die Zeiten des „Gießkannenprinzips” sind auch bei Impfungen vorbei. Die Erstellung und Begleitung maßgeschneiderter betrieblicher Impfkonzepte ist zunehmend ein essentieller Teil des tierärztlichen Handelns im Schweinebestand.