Die Erdbeersaison läuft in diesem Jahr unter besonderen Vorzeichen: Die Knappheit an Arbeitskräften führt zu geringeren
Erntemengen und zu hohen Preisen. Allerdings sind
auch die Kosten gestiegen.
Die Erdbeerernte dürfte hierzulande in diesem Jahr wegen fehlender Saisonarbeitskräfte deutlich kleiner ausfallen als üblich.
„20 Prozent an Menge dürfte uns die knappe Versorgung mit Arbeitskräften schon kosten”, schätzt Marcelino Expósito. Der Geschäftsführer des Obstgroßmarktes Mittelbaden (OGM) rechnet für die Saison am Ende mit einer gesamten Vermarktungsmenge von 4000 bis 4500 Tonnen. Etwa 200 regionale Erntehelfer haben die OGM-Erzeuger über eine eigens eingerichtete Webseite an Land gezogen, das gleicht aber die fehlenden osteuropäischen Kräfte längst nicht aus. Bei den regionalen Erntehelfern handle es sich häufig um Studenten, mit denen die Betriebe sehr zufrieden seien. Allerdings dürften manche davon auch wieder in die Gastronomie abwandern, wenn die Lokale wieder öffnen dürfen, befürchtet Expósito.
Am Montag noch Minusgrade
Bis Dienstag dürften 30 Prozent der erwarteten Gesamtenge vermarktet worden sein. Der Saisonstart war zwar früh wie nie und schon Anfang Mai kam erste Freilandware, aber die zuletzt niedrigen Temperaturen bremsten die Reife. „Zum Wochenbeginn hatten wir sogar Minusgrade”, unterstreicht Expósito. So kam es zu keinem steilen Mengenanstieg. In diesen Tagen hätte Expósito freilich sehr gerne mehr Ware in der Anlieferung.
Die knappe Verfügbarkeit halte aber die Preise oben, zieht er ein bisher zufriedenes Zwischenfazit zumindest in dieser Hinsicht. Auch die spanische Ware war in diesem Jahr kein so starkes Hemmnis in der Vermarktung wie in anderen Jahren. In dieser Woche meldeten die Erzeugermärkte in Deutschland Kilopreise von 4,90 Euro (ohne Verpackung), berichtet die Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI). Vergangene Woche waren es 4,76 Euro.
Anspruchsvoll
Allerdings seien auch die Kosten höher als üblich, betont Expósito: Teilweise reisten osteuropäische Arbeitskräfte mit dem Flugzeug an, dazu kommen diverse Hygienemaßnahmen. „Das Preisniveau für Erdbeeren in Deutschland ist also insgesamt gesehen aus Sicht der Erzeuger auch in diesem Jahr anspruchsvoll”, sagt Expósito.
Auch Lorenz Boll, Geschäftsführer beim Erzeugergroßmarkt Südbaden (EGRO), ist sich noch nicht sicher, ob die Erzeuger trotz der optisch hohen Preise am Ende mit der Saison zufrieden sein werden. „Wir werden deutlich unter der üblichen Vermarktungsmenge liegen, schätzungsweise ein Drittel der Erntehelfer fehlt in unseren Betrieben”, berichtet er.
Das Angebot, aber auch die Nachfrage sei gedämpft. Er geht wie Expósito davon aus, dass die Verbraucher in Corona-Zeiten weniger häufig einkaufen als üblich, da unterbleibe der eine oder andere Spontankauf. Die Discounter nehmen Boll zufolge flott Erdbeeren ab, aber für freie Ware stagniere im Moment die Nachfrage. „Immerhin lief der Muttertag gut, wie das häufig der Fall ist.”
Noch Vorsprung
Hilfreich ist derzeit noch der Erntevorsprung gegenüber den weiter nördlich gelegenen deutschen Anbaugebieten. „Ich erwarte, dass wir auch in den nächsten zehn Tagen noch keinen Marktdruck aus Norddeutschland haben werden”, meint Hans Lehar. Der Geschäftsführer der Obst- und Gemüseabsatzgenossenschaft Nordbaden (OGA) sieht die Preise zwar bröckeln, aber das Niveau sei vertretbar für diesen Saisonzeitpunkt. „Aber wir haben viel zu wenig Ware”, bedauert er. Einen positiven Aspekt kann er der Saison abgewinnen: „Wir haben ein höheres Preisniveau und die Leute kaufen trotzdem Erdbeeren.”
Immerhin sind die badischen Erzeugergroßmärkte von Corona-Fällen bisher verschont geblieben. „Die Erzeuger liefern mit Mundschutz an und auch in der Annahme wird mit Mundschutz gearbeitet”, berichtet Expósito. In Südbaden gab es allerdings Corona-Fälle bei einem EGRO-Erzeugerbetrieb.