Pflanzenbau | 04. August 2016

Keine Beizmittel gegen den Rapserdfloh

Von Dr. Peter Knuth, Referent für Pflanzenschutz, RP Tübingen
Die Zulassungssituation von Pflanzenschutzmitteln zur Bekämpfung des Rapserdflohs ist auch in diesem Herbst unverändert. Nach wie vor stehen keine insektiziden Beizen zur Verfügung.
Lochfraß durch Rapserdflöhe an einer jungen Rapspflanze. Die Bekämpfungsschwelle von mehr als zehn Prozent abgefressener Blattfläche bis zum 4-Blatt- Stadium ist hier überschritten.
In Baden-Württemberg sind größere Schäden bislang ausgeblieben und auch im vergangenen Herbst konnte in vielen Regionen auf eine Rapserdflohbekämpfung verzichtet werden. Doch Vorsicht ist trotzdem unbedingt geboten, daher müssen die Rapsbestände ab dem Auflaufen der Saat regelmäßig kontrolliert werden.
Welchen Schaden Erdflöhe anrichten
Ab Anfang September wandern die Rapserdflöhe in die Bestände ein und beginnen an den auflaufenden Rapspflänzchen zu fressen. Typische Schadbilder sind die durchlöcherten Keim- und Laubblätter. Im weiteren Verlauf des Wachstums ist der Lochfraß an älteren Laubblättern meistens nicht mehr ertragswirksam, auch wenn der Befall augenscheinlich schlimm aussieht. Bei einem starken Befall der Keimblätter und ersten Laubblätter können die kleinen Rapspflanzen allerdings erheblich geschädigt werden. Um das Auflaufen zu sichern, ist daher die Bekämpfungsschwelle vom Auflaufen bis zum Vier-Blatt-Stadium bei zehn Prozent abgefressener Blattfläche erreicht.
Zehn bis 15 Tagen nach dem Zuflug beginnen die Weibchen mit der Eiablage. Die Eier werden 1 bis 2 cm tief in den Boden in der Nähe der Pflanzen abgelegt. Die schlüpfenden Larven bohren sich in die Blattstiele der Rapspflanzen ein und können bis zum Vegetationspunkt wandern und diesen zerstören. Einmal eingebohrt, sind die Larven nicht mehr zu bekämpfen. 
Larven sind unauffällig
Schneidet man eine befallene Pflanze längs durch, sind die verbräunten Fraßgänge gut zu erkennen. Der Larvenfraß ist unter Umständen von größerer Bedeutung als der Blattfraß der Käfer, auch wenn er zunächst nicht auffällig ist.  Zum einen können die minierenden Larven den Totalausfall der betroffenen Pflanzen verursachen, zum anderen schwächen sie die Pflanzen. Durch Frosteinwirkung über den Winter können die befallenen Blattstiele aufplatzen, sodass die Gefahr der Auswinterung deutlich erhöht ist. Aufgeplatzte Blattstiele sind zudem ideale Infektionsorte für pilzliche Krankheitserreger wie zum Beispiel die Wurzelhals- und Stängelfäule (Phoma lingam).
Bei einer lang anhaltenden Vegetationsperiode, zum Beispiel  bis fast in den Dezember hinein, sind auch die Käfer sehr lange aktiv, ohne an den Rapspflanzen noch nennenswerten Fraßschaden zu verursachen. Sie legen aber kontinuierlich weiter ihre Eier ab, die Larven schlüpfen und wandern zu den Rapspflanzen. Das hat zur Folge, dass in den Blattstielen der Pflanzen ganz unterschiedliche Entwicklungsstadien der Larven vorhanden sind. Im darauffolgenden Frühjahr entwickeln sich die Larven weiter und können auch dann den Raps noch schädigen. 
Bekämpfungsschwelle ermitteln
Bis zum Vier-Blatt-Stadium des Rapses orientiert sich die Bekämpfungsschwelle allein am Blattfraß der Käfer. Ab Mitte September, wenn die Rapspflanzen im Vier- bis Sechs-Blatt-Stadium sind, ist die Anzahl der Käfer der entscheidende Faktor für die Bekämpfungsschwelle. Jetzt steht nicht mehr der Blattfraß im Vordergrund. Je mehr Käfer auf der Fläche vorhanden sind, desto mehr Eier werden abgelegt und desto größer ist dann der Schaden durch den Fraß der Larven in den Blättern.
Die Ermittlung der Bekämpfungsschwelle in diesem Stadium des Rapses erfolgt mit Gelbschalen. Zur Überwachung des Zufluges der Erdflöhe sollten die Gelbschalen aber am besten schon gleich nach der Saat aufgestellt und nach Möglichkeit auf Bodenhöhe eingegraben werden. Die Erdflöhe fallen sonst nicht in die Schalen. Nur wenn im Vier- bis Sechs-Blatt-Stadium die Bekämpfungsschwelle – mehr als 50 Käfer pro Gelbschale in drei Wochen, siehe Tabelle 1 – überschritten wird, muss eine Bekämpfung durchgeführt werden. Um einen besseren Überblick über den Befallsdruck  insgesamt zu bekommen, sollte am besten auf jedem Rapsfeld mindestens eine Gelbschale stehen.
Richtige Strategie zur Bekämpfung
Solange man sich noch auf die Wirkung der insektiziden Beizmittel verlassen konnte, waren die kleinen Rapspflänzchen bis zum Drei- bis Vier-Blatt-Stadium geschützt und eine zusätzliche Insektizidbehandlung zur Auflaufsicherung war in der Regel nicht notwendig. Da jetzt zur Bekämpfung des Rapserdflohs ausschließlich Pflanzenschutzmittel aus der Wirkstoffgruppe der Pyrethroide zur Verfügung stehen (Tabelle 2), wird durch den Wegfall der Beizmittel die Resistenzproblematik bei den Rapsschädlingen noch weiter verschärft. Dies trifft insbesondere in den Fällen zu, bei denen eine einmalige Spritzung nicht ausreicht und sogar ein zweites Mal behandelt werden muss. Da ein Wirkstoffgruppenwechsel nicht möglich ist, muss auch beim Rapserdfloh, ähnlich wie beim Rapsglanzkäfer, innerhalb kurzer Zeit mit Minderwirkungen und Resistenzbildungen gerechnet werden. Untersuchungen des Julius-Kühn-Institutes mit Herkünften aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ergaben, dass hier bereits verbreitet
pyrethroidresistente Erdflohpopulationen vorhanden sind.
Aus Süddeutschland liegen bislang keine Untersuchungsergebnisse vor, was allerdings nicht bedeutet, dass es nicht auch hier bereits Resistenzen geben könnte. Betroffen von dieser Resistenz sind offenbar alle Pyrethroide. Darum gilt es umso mehr, jeden Pyrethroideinsatz auf seine Notwendigkeit zu prüfen, unnötige Spritzungen zu vermeiden und nur zu behandeln, wenn die Bekämpfungsschwelle überschritten wird. Zur Überwachung des Käferfluges sollten die Gelbschalen über mehrere Wochen regelmäßig kontrolliert werden.
Die Einführung neuer chemischer Wirkstoffe – insbesondere für die Schädlingsbekämpfung – ist derzeit nicht zu erwarten. Auch die noch vorhandenen
 insektiziden Wirkstoffe könnten künftig durch neue Anforderungen bei der Zulassung immer mehr in ihrer Nutzung beschränkt werden oder sogar ganz vom Markt verschwinden. Die BASF entwickelt zurzeit ein neues Beizmittel für die Erdflohbekämpfung auf mikrobieller Basis (Integral Pro) und hat sogar für die Aussaat 2016 beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Antrag auf Notfallzulassung gestellt.
Der Antrag wurde aufgrund noch fehlender Großparzellenversuche für dieses Jahr zwar abgelehnt, es besteht aber die Hoffnung, dass bei einem erneuten Antrag für die Aussaat 2017 ein positiver Bescheid folgen könnte. Die Wirkung dieses biologischen Beizmittels beruht auf einer Stimulierung der natürlichen Abwehrmechanismen der Pflanze. In den bisherigen Versuchen konnte eine deutliche Reduktion der Erdflohschäden beobachtet werden. Zusätzlich wird durch die Beizung auch der Stängelbefall durch die Wurzelhals- und Stängelfäule Phoma lingam reduziert.
Schwarzer und gefleckter Kohltriebrüssler
In den Gelbschalen wird im Herbst in einigen Regionen Baden-Württembergs neben dem Rapserdfloh auch der Schwarze Kohltriebrüssler gefangen. Der 2,5 bis 3,5 mm große Käfer fliegt ab Mitte September die Rapsschläge an.
Schwarzer Kohltriebrüssler.
Der Blattfraß durch den Käfer ist nur von geringer Bedeutung. Nach etwa vier Wochen beginnt die Eiablage, in der Regel auf die Oberseite der Blattstielbasis. Von dort aus bohren sich die Larven bis zum Herz der Pflanze durch. In milden Wintern kann wie beim Erdfloh die Eiablage bis in das Frühjahr hinein erfolgen. Der Larvenfraß zerstört den Haupttrieb, in strengen Wintern kann es zum Absterben der befallenen Pflanzen oder zu Kümmerwuchs und verstärkter Seitentriebbildung kommen.
Für den Schwarzen Kohltriebrüssler liegt noch keine bundeseinheitliche Bekämpfungsschwelle vor. Ein vorläufiger Bekämpfungsrichtwert wurde für Rheinland-Pfalz vom Auflaufen bis Ende Oktober mit 50 Käfern pro Gelbschale in drei Wochen und in Hessen mit zehn  Käfern pro Gelbschale innerhalb von drei  Tagen festgelegt.
Bei Resistenzuntersuchungen des Julius-Kühn-Institutes mit Populationen aus Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg konnte bei der Population aus Baden-Württemberg bereits eine beginnende Pyrethroidresistenz festgestellt werden.
 Findet man in den Gelbschalen im Herbst Rüsselkäfer, muss aber genau hingeschaut werden. Der Gefleckte Kohltriebrüssler sucht sich im Herbst sein Winterquartier und kann auch mal in den Gelbschalen auftauchen – von diesem Insekt geht aber im Herbst keine Gefahr aus. Der Schwarze Kohltriebrüssler ist im Gegensatz zum Gefleckten Kohltriebrüssler nicht bräunlich, sondern, wie der Name schon sagt, deutlich schwarz-glänzend gefärbt.
Beide Käfer sind 2,5  bis  3,5 mm groß und leicht zu verwechseln.
Gefleckter Kohltriebrüssler.

Keine Mittel gegen die Kleine Kohlfliege
Die Kohlfliege hat sehr viele Wirtspflanzen: Kohlgemüse, Radies, Rettich, Kohl- und Speiserüben sowie zahlreiche weitere Kreuzblütler. Für den Raps können die Fliegen der dritten und vierten Generation gefährlich werden, die im Herbst die Rapsbestände zur Eiablage aufsuchen.
Mit der Beizung konnten früher die Larven der Kleinen  Kohlfliege bekämpft werden. Derzeit sind keine Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung dieses Schädlings zugelassen. Pyrethroidspritzungen gegen den Rapserdfloh erfassen die Fliegen nur unzureichend, da die Mittel  nur über eine Kontakt- und Fraßwirkung verfügen und die Fliegen  ja nicht am Raps fressen. Die  unter der Bodenoberfläche an den Wurzeln fressenden Larven könnten nur mit  einem systemisch wirkenden Mittel bekämpft werden. Für Mittel mit diesen Eigenschaften wird  es aber momentan und vermutlich auch in den kommenden Jahren keine Zulassungen geben.
 Die Fliege legt ihre Eier an den Wurzelhals der jungen Rapspflanzen ab, die Larven fressen dann zunächst an den Seitenwurzeln, später auch an den Hauptwurzeln und dem Wurzelhals. Bei starkem Befall können sehr viele Larven an einer Pflanze fressen. Eine geschädigte Pfahlwurzel kann von der Rapspflanze eventuell zunächst noch durch Seitenwurzeln halbwegs kompensiert werden. Die Winterfestigkeit leidet aber deutlich darunter und in strengen Wintern mit Kahlfrösten kann es dann schnell zu einem Totalausfall der geschädigten Pflanzen kommen. Anders als in den nördlichen Bundesländern wurden bislang in Baden-Württemberg glücklicherweise keine Schäden durch die Kleine Kohlfliege gemeldet.