Land und Leute | 25. Februar 2014

Keine Abtreibung, sondern Notfallverhütung

Von Silke Bromm-Krieger
Die Pille danach soll nach dem Willen des Bundesrates bald rezeptfrei in Apotheken erhältlich sein. Pro familia setzt sich schon seit Längerem für die Aufhebung der Rezeptpflicht ein. Ärztin Anna Jahn-Vetter, Paar- und Lebensberaterin bei pro familia, klärt im Interview über die Pille auf.
Das Medikament „PiDaNa” mit dem Wirkstoff Levonorgestrel wird schon lange für die Notfallverhütung verwendet und gilt als sicher.
Was ist die Pille danach?

Die Pille danach enthält in einer Tablette den Wirkstoff Levonorgestrel aus der Stoffklasse der Gestagene. Sie wirkt bis zu 72 Stunden, also drei Tage, nach einem ungenügend geschützten Geschlechtsverkehr. Eine bereits bestehende Frühschwangerschaft wird dabei weder abgebrochen noch geschädigt. Es handelt sich deshalb nicht um eine Pille zum Schwangerschaftsabbruch.

Wann kommt sie zum Einsatz?
Sie ist ein Notfallmedikament bei einer Verhütungspanne, beispielsweise wenn beim Verkehr das Kondom abgerutscht oder zerrissen ist, wenn nicht verhütet wurde oder Erbrechen oder Durchfall die Wirkung der Pille unsicher gemacht haben. Sie ist nicht dafür da, um regelmäßig oder langfristig zu verhüten.

Wie muss frau sie einnehmen?
Eine rasche Einnahme innerhalb von 24 Stunden ist am sichersten. Innerhalb dieser Zeitspanne beträgt die Wirksamkeit 95 Prozent. Bei späterer Einnahme nimmt die Wirksamkeit stetig ab.
Wie wirkt die Pille danach?
Das ist noch nicht genau bekannt. Das Wichtigste ist, dass sie den Eisprung verzögert oder sogar verhindert. Weiterhin wird vermutet, dass nach bereits stattgefundenem Eisprung die Einnistung einer befruchteten Eizelle erschwert wird.

Gibt es Nebenwirkungen?
Etwa jede vierte Frau leidet unter einer vorübergehenden Übelkeit, manchmal kommt es zu Erbrechen. In diesem Fall muss die Frau die Pille danach ein weiteres Mal einnehmen. Selten treten Kopfschmerzen, Schwindel, Brustspannen oder Müdigkeit auf. Die nächste Periode kann etwas früher oder später kommen. Schwere Gesundheitsrisiken sind bisher nicht bekannt.

Und nach der Einnahme?
Bei erneutem Verkehr sollten Paare zusätzliche Verhütungsmittel, wie ein Kondom, anwenden. Auch Frauen, die mit der Pille verhüten, müssen so lange zusätzlich verhüten, bis die Pille wieder sicher wirkt. Das kann, je nach Pillenpräparat, unterschiedlich lange dauern. Hier geben der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin gern Auskunft.
Falls die nächste Regelblutung ausbleibt, sollte die Frau einen Schwangerschaftstest machen oder ihren Gynäkologen oder ihre Gynäkologin aufsuchen, um zu klären, ob es doch zu einer Schwangerschaft gekommen ist.

Anna Jahn-Vetter (62), beratende Ärztin bei pro familia
Wo gibt es die Pille danach?
In Deutschland ist sie nur auf Rezept in Apotheken erhältlich. An Wochenenden, Feiertagen oder nachts, wenn die Arztpraxen geschlossen sind, können Mädchen und Frauen sich für ein Rezept an den ärztlichen Notdienst oder an die Notfallambulanz eines Krankenhauses wenden. In Beratungsstellen der pro familia, in denen eine Ärztin mitarbeitet, kann die Pille danach direkt durch sie abgegeben beziehungsweise verordnet werden.

Brauchen Minderjährige dafür die Zustimmung ihrer Eltern?
Wie bei der herkömmlichen Pille benötigen Mädchen unter 14 Jahren auch bei der Pille danach die elterliche Zustimmung. Ab 14 Jahren liegt es im Ermessen der Ärztin oder des Arztes, ein Rezept auszustellen. Sechzehn- und Siebzehnjährige haben erfahrungsgemäß keine Probleme, ein Rezept zu erhalten.

Was kostet die Pille danach?
Die Pille kostet etwa 18 Euro. Bis zum vollendeten 20. Lebensjahr übernehmen die Krankenkassen die Kosten. 
Rezeptfrei fast überall in Europa
Die Frage, ob die Pille danach zukünftig rezeptfrei sein soll, zählt zu den Streitfragen der Großen Koalition. Nach Vorstellung des Bundesrates soll die Rezeptpflicht entfallen, wenn der Wirkstoff Levonorgestrel in einer Portion für einen einmaligen Notfall abgegeben wird. Die Bundesregierung ist geteilter Meinung. Gesundheitsminister Gröhe will die Verordnungen nun noch einmal im Bundesrat vorlegen. Deutschland ist eines von nur drei EU-Ländern, in denen Frauen für diese Pille ein Rezept brauchen; die anderen beiden sind Polen und Italien.
Kommt es zur Freigabe, soll es die Pille danach  nur in Apotheken und mit einer ausführlichen Beratung geben. Der Bundesrat verweist auf Erfahrungen anderer europäischer Länder, in denen die Pille danach bereits seit Längerem ohne Rezept erhältlich ist. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche sei dort gesunken. Zudem hätten Studien belegt, dass die Rezeptfreiheit nicht zu einer Zunahme von riskantem Sexualverhalten in diesen Ländern geführt habe.
Neben der im Interview erwähnten Pille danach gibt es eine neuere Pille mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat. Die EU-Arzneimittelbehörde prüft derzeit, ob sie  rezeptfrei verfügbar werden soll. Das würde die Diskussion um Levonorgestrel in Deutschland ein Stück weit erübrigen. Allerdings  liegen zu dieser Pille noch nicht so viele Untersuchungen vor. Insbesondere ihre Auswirkung auf eine Frühschwangerschaft ist noch nicht ausreichend geklärt. Die neue Pille wirkt bis zu 120 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr. Doch auch sie ist am sichersten, wenn sie innerhalb von 24 Stunden eingenommen wird. Diese Pille kostet 36 Euro.
 
Weitere Infos gibt es bei Pro Familia oder beim Pille-danach-Infotelefon: 01805/776326. Infos auf Deutsch, Türkisch, Russisch und Englisch. sbk