Betrieb und Wirtschaft | 04. Mai 2016

Katastrophal, aber marktgerecht

Von René Bossert
Die Lage am Milchmarkt ist desolat, wie die jüngsten Abschlüsse für die Weiße Linie erneut gezeigt haben. Wie sehen regionale Molkereivertreter die Lage? Die BBZ hat sich umgehört.
Die jüngsten Abschlüsse mit Abschlägen von rund 10 Cent pro Liter bei Trinkmilch spiegelten das Verhältnis von Angebot und Nachfrage im Moment, sagt Schwarzwaldmilch-Geschäftsführer Andreas Schneider. „Der Handel ist nicht böse”, betont Schneider, er  habe schlicht und ergreifend die Offerten aus dem Markt heraus angenommen.
Die deutsche Molkereibranche habe sich der Situation unterworfen.  Schneider sieht sie am Scheideweg. Es gebe kein Patentrezept, einer freiwilligen Mengenrückführung – wie zuletzt  von der Agrarminister-Konferenz proklamiert – misst er keine Aussicht auf Erfolg zu.  Es müsse mehr Verbindlichkeit rein. „Wir werden zu einem Umdenken kommen müssen, denn wenn jeder beliebig viel produziert, wird die Problematik der Branche größer”, stellt Schneider fest.
Der Blick geht nach unten: Weitere Abschläge bei den Milchauszahlungspreisen sind zu erwarten.
Die Schwarzwaldmilch habe inzwischen an die Erzeuger appelliert, sich am letztjährigen Produktionsniveau zu orientieren. Von den Erzeugern habe man darauf positive, aber auch negative Reaktionen erhalten. Die Molkerei liege in der Anlieferung weiterhin über dem geplanten Zuwachs.
Differenzierte Preismodelle (A/B oder A/B/C-Preise) habe man diskutiert, halte sie aberletztlich nicht für attraktiv. Schneiders Devise für die Molkerei: den Anteil rentablerer Markenprodukte zu erhöhen. „In Freiburg gehen wir nach einer weiteren Steigerung im vergangenen Jahr auf 70 Prozent Markenanteil zu”, berichtet er.
In Ravensburg nennt Omira-Geschäftsführer Ralph Wonnemann die Abschlüsse eine Katastrophe. Sie seien das Ergebnis der überbordenden Milchmenge vor allem in Nord- und Ostdeutschland. Große Molkereien von dort seien mit aggressiven Angeboten in den Markt hineingegangen, um schlichtweg Mengen loszuwerden. „Das sind ja Preise, die liegen unter Interventionsniveau, wenn man es auf den Milchwert umrechnet”, stellt Wonnemann fest.
Freiwilliger Mengenverzicht habe keine Aussicht auf Erfolg, erwartet auch Wonnemann. Damit habe man lediglich versucht, den Ball an die Molkereien zu spielen. Er sieht nun die Politik in der Pflicht. Die stehe in der Verantwortung, sich diesen Markt noch einmal anzuschauen und dafür zu sorgen, dass die Entlassung in die Freiheit nicht so dramatisch ablaufe wie im Moment.
 Zur Entwicklung bei den Anlieferungsmengen merkt Wonnemann an, dass die nicht zuletzt saisonal bedingten Zuwächse bei den  Mengen  im Moment moderat seien. „Dass gebremst wird, können wir  aber bisher nicht bemerken”, stellt er fest.

Festpreis-Kontrakte mit einzelnen Kunden
Differenzierte Auszahlungspreise in Form von A- und B-Milchmengen halte man bei der Omira nicht für sinnvoll. Wohl aber Festpreis-Kontrakte mit einzelnen Kunden über  definierte Laufzeiten. Wonnemann dazu: „So kommen wir zu mehr Stabilität und das wollen wir auch ausbauen.”
Das Bergpracht-Milchwerk in Tettnang-Siggenweiler ist von den Abschlüssen für die Weiße Linie nicht direkt betroffen, berichtet Geschäftsführer Karl-Georg Geßler. Aber indirekt seien die anderen Marktsegmente in der Vergangenheit von   Abschlüssen mit solch erheblichen Abschlägen auch belastet worden.
Auch Geßler spricht von einer katastrophalen Marktlage, wobei die satten Abschläge für ihn nicht überraschend kamen. Schon im Herbst bei der Runde zuvor wären ja Preisrückgänge eigentlich marktgerecht gewesen, ruft Geßler in Erinnerung.
Bei Bergpracht ist von einer Bremsbewegung bei der Anlieferung bisher nichts zu spüren, sagt Geßler. Er glaubt auch nicht, dass dies in den kommenden Monaten geschehen wird. 
Für den Markt sieht Geßler insgesamt noch keinerlei Erholungssignale. Weder weltweit sinkende Milchanlieferungsmengen,   noch ein merklicher Sprung beim Ölpreis oder den Getreidepreisen seien in Aussicht.
Edeka setzt einen Kontrapunkt
Einen Kontrapunkt in der desolaten Milchmarkt-Situation  setzte vergangene Woche Edeka Südwest mit der Ankündigung, die Einkaufspreise für   Markenprodukte von Molkereien im eigenen Absatzgebiet ebenso stabil zu halten wie für Erzeugnisse im Eigenmarkenprogramm „Unsere Heimat”. Im Rahmen des „Unsere Heimat”-Programms zahlt Edeka eigenen Angaben zufolge seit   Jahren einen zehnprozentigen Aufschlag zum verhandelten Einkaufspreis.
Edeka stehe zu seiner Verantwortung und wolle damit ein Zeichen setzen, so Edeka Südwest-Geschäftsführer Rudolf Matkovic. Die Aktion laufe zunächst zeitlich unbefristet.
Man begrüße die Aktion und sei froh, einen solch fairen Partner im Handel
zu haben, kommentier-
te  Schwarzwaldmilch-Geschäftsführer Andreas Schneider.
Gleichzeitig wies Edeka  Vorwürfe aus dem landwirtschaftlichen Berufsstand zurück. Für die aktuelle Milchpreiskrise seien hohe Milchmengen auf der Anbieterseite verantwortlich und nicht das „Preisdumping” des Handels.