Politik | 28. Juli 2016

Kartellamt: Milchmarkt braucht Mengensteuerung

Von AgE
Nach Einschätzung vom Präsidenten des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, wird der Milchmarkt auch künftig ohne eine wirksame Mengensteuerung nicht wettbewerblich funktionieren.
Nach dem Auslaufen der Milchquote wäre eigentlich der Markt gefordert, erklärte Mundt in einem Interview mit dem landwirtschaftlichen Pressedienst Agra-Europe. Aber die Mengensteuerung durch den Markt könne nur dann wirken, wenn die Vertragsbedingungen dies erlaubten. Dies solle unter anderem Gegenstand des begonnenen Pilotverfahrens zur Überprüfung der Lieferbedingungen zwischen Molkereien und Landwirten sein, erläuterte der Kartellamtspräsident.
Andienungspflicht macht weniger flexibel
Die Andienungspflicht schränkt nach Ansicht von Andreas Mundt die Flexibilität der Erzeuger ein.
Er räumte ein, dass allein dadurch sicherlich Milchpreiskrisen nicht zuverlässig vermieden werden könnten, und lenkte den Blick in Richtung Politik. Darüber, wie viele Notfallmaßnahmen der liberalisierte Milchmarkt noch brauche, müsse die Agrarpolitik entscheiden. Dies sei kein kartellrechtliches Thema, stellte der Präsident der Bonner Bundesbehörde klar.
Bezüglich der Andienungspflicht vertrat er die Auffassung, dass diese die Flexibilität der Erzeuger einschränke, auf Veränderungen am Markt – etwa durch einen Wechsel der Molkerei – reagieren zu können.
„Wir müssen jetzt aber erst einmal sorgfältig ermitteln und bewerten, welche wettbewerblichen Auswirkungen die verschiedenen Lieferbedingungen haben und ob sie kartellrechtlich bedenklich sind”, betonte Mundt. Auch gab er zu bedenken, dass jede Ausgestaltung der Vertragsbedingungen letztlich sicherstellen müsse, dass Erzeuger auch in Krisenzeiten nicht ohne Abnehmer dastünden.
Der Kartellamtspräsident zeigte sich überzeugt, dass es viele Möglichkeiten gebe, die Sicherheit für die Erzeuger zu gewährleisten. Vor allem Erzeugergemeinschaften könnten zu einer Risikominimierung beitragen. Mundt kündigte an, im Verlauf des Verfahrens eine breite Diskussion mit den Marktteilnehmern führen zu wollen, um sachgerechte Lösungen zu erreichen.
Prozess kommt langsam in Gang
Mit Blick auf die Diskussion um Preistransparenz und die Forderungen aus der Agrarbranche nach differenzierten Milchpreisen je nach Verwertung der Milch begrüßte es Mundt, dass dieser Prozess langsam in Gang komme. Aus seiner Sicht wäre es vielleicht hilfreich, wenn die Molkereien gewisse Möglichkeiten zur Steuerung der Rohmilchmenge in die Hand bekämen, die auch ihre konkreten Verkaufsmöglichkeiten berücksichtigten. „Das würde natürlich voraussetzen, dass bei Bedarf auch weniger Milch produziert würde, was bei Milch ja nicht so einfach ist”, so der Kartellamtspräsident.
Mit LEH seit vielen Jahren befasst
Vielleicht wäre es auch möglich, dass die Molkereien gute Verwertungsmöglichkeiten an ihre Erzeuger weitergeben und ihnen für gewisse Kontingente Verträge mit festen Mengen und festen Preisen anböten. Mundt sieht insgesamt die Interessen der beteiligten Landwirte sehr unterschiedlich. Gleichzeitig verwies er auf eine in Zukunft womöglich erforderliche gewisse Pluralität von Vertragsmodellen, damit sich optimale Vertragsbedingungen herausbilden könnten.
Bezüglich der Konzentration des Lebensmitteleinzelhandels erinnerte der Kartellamtspräsident daran, dass sich sein Haus damit bereits seit vielen Jahren intensiv befasse. Die Marktmacht der großen Ketten spiele natürlich auch im Verhältnis zu den Molkereien eine wichtige Rolle. Volkswirtschaftlich gesehen sei es „sehr gut nachzuvollziehen”, dass die Herstellerseite darauf reagiere.
Das allgemeine Kartellrecht stelle viele Kooperationsmöglichkeiten zur Verfügung, um gemeinsam die Effizienz zu steigern. Vor dem Hintergrund der untersagten Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka und der erteilten Ministererlaubnis stellte Mundt klar, dass das Instrument der Fusionskontrolle auch künftig nach den gleichen Maßstäben durchgeführt werde wie in der Vergangenheit.
Zu dem Instrument „Verkaufsverbot unter Einstandspreis” erklärte der Präsident des Kartellamtes, dass dieses in seiner jetzigen Form keine praktische Relevanz habe. Die aktuelle Milchkrise zeige, dass regelmäßig nicht ein vermeintlicher Unter-Einstandspreis-Verkauf das eigentliche Problem darstelle, sondern dass der Einstandspreis zu niedrig sei.