Tierhaltung | 09. Januar 2020

Kann Tri-Solfen die Lösung sein?

Von Karl Bauer
Obwohl der Termin 1.1. 2021 näher rückt, steht den Ferkelerzeugern in Deutschland immer noch kein optimales Verfahren für die Betäubung der Ferkel zur Verfügung. Könnte ein Mittel aus Australien die Lösung sein?
Nach wie vor in der Diskussion: Wie sollen Ferkel vor der Kastration betäubt werden?
Mit Tri-Solfen wurde dort ein lokal wirkendes Anästhetikum entwickelt. Dieses ist auf dem fünften Kontinent millionenfach vornehmlich bei Schafen und Rindern im Einsatz und hat sich auch in der Ferkelerzeugung als sehr wirksam und gut zu handhaben erwiesen. Der Tierhalter erwirbt es vom Tierarzt, wendet es aber selbst an.
Tri-Solfen ist bei der in der EU zuständigen europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zur Zulassung angemeldet. Hat die EMA Tri-Solfen für einwandfrei befunden und spricht sich für die Zulassung aus, dann sind die EU-Mitglieder an der Reihe: Ihre Zulassungsbehörden nehmen erneut eine wissenschaftliche Prüfung der eingereichten Unterlagen vor. Erfahrungsgemäß dürfte es deshalb gerade in Deutschland noch dauern, bis Tri-Solfen für die deutschen Ferkelerzeuger verfügbar ist.
Entwickelt hat Tri-Solfen die australische Kinderärztin und Herzforscherin Dr. Meredith Sheil. Sie suchte nach einem wirksamen Mittel, das bei kleinsten Kindern während der Operation und Wundschmerzbehandlung wirklich hilft. Diese Überlegung war der Beginn der Entwicklung von Tri-Solfen. Dr. Sheil, die mit einem Schafhalter verheiratet ist, übertrug ihre Erfahrungen aus der Kinderheilkunde auf die Behandlung von Schafen. Zusammen mit Allan Giffard von Medical Ethics, dem Hersteller von Tri-Solfen, arbeitete sie an dem Produkt, um es für die Anforderungen in der  Nutztierhaltung sicher und tauglich zu machen.
Vier Wirkstoffe in einem Gel verpackt
Tri-Solfen wird dort auf die Haut aufgetragen, wo der operative Eingriff vorgesehen ist. Es deckt vier zentrale Aspekte ab:
  • Der Wirkstoff Lidocain ist ein sehr schnell wirkendes Anästhetikum. Bereits 20 Sekunden nach seiner Anwendung sorgt es dafür, dass das Tier den Schmerz, den der Schnitt ins Gewebe verursacht, kaum noch wahrnimmt.
  • Der zweite Wirkstoff Bupivacain wirkt ebenfalls schmerzbetäubend. Seine Wirkung läuft aber langsamer an als die von Lidocain. Dafür beträgt die Wirkungsdauer rund 24 Stunden.
Mit diesen beiden Wirkstoffen lässt sich der Schmerz, dem die Ferkel bei der Kastration ausgesetzt sind, gut im Griff halten.
  • Adrenalin ist die dritte Komponente von Tri-Solfen. Dieser Wirkstoff verengt die Blutgefäße und hemmt den Blutverlust bei der Operation.
  • Ein Antiseptikum schützt schließlich vor Infektionen, also vor Gefahren, mit denen Tiere im Stall immer konfrontiert sind. Eine vorbeugende Antibiotikagabe wird durch die Behandlung mit Tri-Solfen überflüssig.
Die vier Wirkstoffe sind alle in einem Gel gleichsam „verpackt”. Das stellt sicher, dass die Wirkstoffe in vollem Umfang dem behandelten Tier zur Verfügung stehen. Verlusten, die sich durch Ausfließen oder andere Fehler bei der Applikation ergeben könnten, ist so vorgebeugt.
Und so läuft die Kastration eines männlichen Ferkels unter Tri-Solfen-Lokalanästhesie ab: Das wenige Tage alte Eberferkel wird zusammen mit gleichgeschlechtlichen Artgenossen in der Kastrationsvorrichtung fixiert. Mit einem Eisspray wird die Haut im Bereich des Eingriffes auf 8–10 °C heruntergekühlt. Das macht sie weitgehend gefühllos und taub.
Ein gezielter Schnitt mit dem Skalpell öffnet den Zugang zu den Hoden. In und um den Hodensack wird jetzt das Tri-Solfen-Gel aufgetragen. Innerhalb von 20 Sekunden verliert das Ferkel im gesamten Bereich um den Hoden sein Schmerzempfinden. Die Samenstränge werden schmerzfrei gekappt und die Hoden herausgenommen.
Nach der Entnahme der Hoden wird Tri-Solfen-Gel in einer dünnen Schicht in den Hodensack appliziert. Dazu wird ein Instrument genutzt, das einer kleinen Kuchenspritze ähnelt und das Gel ohne Verletzungsrisiko aufträgt. Seine Kanüle ist nicht spitz, sondern abgerundet, sodass die Ränder der Schnittwunde nicht weiter verletzt werden. Jetzt ist die gesamte Kastrationswunde mit einer schützenden Gelschicht überzogen. Diese wehrt Krankheitserreger ab und fördert den Heilungsprozess.
Das kastrierte Ferkel wird jetzt in die Bucht zurückgesetzt. Es ist vital und kann  zusammen mit seinen Wurfgeschwistern sofort am Gesäuge der Sau mit der Mahlzeit beginnen.
Mit etwa einem Euro Materialkosten ist der Eingriff auch vergleichsweise preiswert. Der Behälter, in dem Tri-Solfen ausgeliefert wird, sowie die zur Applikation notwendige Ausrüstung sind im Kaufpreis von Tri-Solfen enthalten. Sobald die Zulassung vorliegt, ist es über Tierärzte verfügbar und kann vom Ferkelerzeuger angewandt werden.
Weitere Einsatzmöglichkeiten
Übrigens, mit der Narkose vor der Ferkelkastration sind die Einsatzmöglichkeiten von Tri-Solfen nicht erschöpft. In Australien und Neuseeland kommt das Tri-Solfen auch vor dem Kupieren der Schwänze von Ferkeln und beim Enthornen von Rindern zum Einsatz.