Tierhaltung | 18. Juni 2020

Kälbersignale erkennen und handeln

Von Dr. Michael Götz
Kälber zeigen, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, bevor sie richtig krank werden. Wer seine Tiere gut beobachtet, kann frühzeitig reagieren.
Eingefallene Flanken und ein zu großer Kopf: Das sind Zeichen dafür, dass das Kalb krank ist.
Kälber reagieren empfindlich auf krank machende Keime und schlechtes Stallklima. Sie benötigen Zeit, um ihr eigenes Immunsystem aufzubauen. „Wenn Kälber krank sind, geht es schnell abwärts”, sagt Pirmin Zürcher von der Fachstelle Rindvieh des Landwirtschaftlichen Zentrums St. Gallen in der Schweiz. Umso wichtiger ist es, dass man möglichst schnell bemerkt, wenn ein Tier krank ist. Es sind oft kleine Zeichen, die erkannt werden müssen.
Deutlich erkennbare Körpersignale, die auf eine Krankheit hinweisen, sind ein krummer Rücken, ein eingezogener Schwanz, Tränen- oder Nasenfluss, ein struppiges Haarkleid oder ein gesenkter Kopf mit hängenden Ohren. Sie können verschiedene Ursachen haben, zeigen aber alle, dass sich das Kalb nicht wohlfühlt. Weniger offensichtlich ist es, wenn der Körperbau nicht harmonisch entwickelt ist, zum Beispiel wenn der Kopf im Vergleich zum Körper zu groß ist.
Gesund aussehende Kälber mit eingefallenen Flanken bekommen oft zu wenig Milch. Es beginnt mit der Fütterung der Kolostralmilch: „So früh, so viel und so lange wie möglich”, betont Zürcher. Kälber, die nach der Geburt keine Milch saugen wollen, sollten „gedrencht” werden. Das heißt, dem Kalb werden mit einem Gummischlauch mindestens vier Liter Kolostralmilch gegeben. Dies sollte aber nur bei Kälbern mit Trinkschwäche und innerhalb der ersten 24 Lebensstunden durchgeführt werden. Am besten lässt man sich das richtige Einführen des Schlauchs vom Tierarzt zeigen.
Nicht mit Milch sparen
Vor allem Kühe, die das erste Mal kalben, lassen sich nicht gleich nach der Geburt melken. Deshalb ist es angebracht, Kolostralmilch anderer Kühe einzufrieren und in Reserve zu haben. Nur wenn genügend Energie vorhanden ist, funktioniert das Immunsystem, betont der Jungviehspezialist. Aus diesem Grund sollte bei der Kälberaufzucht nicht mit Milch gespart werden. Untersuchungen zeigen, dass es bei täglichen Milchgaben von unter sechs Litern deutlich mehr Erkrankungen und beträchtlich mehr Abgänge gibt als bei täglichen Milchgaben von über acht Litern. Zürcher empfiehlt deshalb für ein drei Wochen altes Kalb mindestens acht, besser zehn Liter pro Tag.
Oft beobachtet man, dass Kälber sich gegenseitig besaugen – vor allem nach der Milchaufnahme am Eimer. Um dies zu verhindern, lassen Landwirte ihre Kälber oft einige Zeit im Fressgitter eingesperrt. Das gegenseitige Besaugen ist eine Befriedigung des Saugtriebs am Ersatzobjekt. Dabei werden Endorphine, sogenannte Glückshormone, ausgeschüttet. Bei Mutterkuhkälbern, die 12- bis 20-mal pro Tag an ihrer Mutter saugen, kommt gegenseitiges Besaugen nicht oder kaum vor.
Für den Landwirt bedeutet das, dass er dem Kalb die Milch anders anbieten sollte: Nämlich öfter und in ähnlicher Form, wie das Kalb an der Mutter saugt. Es soll den Kopf nach oben halten. Das fördere den Schlundrinnenreflex, sagt Zürcher. Die Milch gelangt in den Labmagen und nicht in den Pansen. In den Labmagen eines zwei Wochen alten Kalbes passen nur etwa 2 bis 2,5 Liter Milch. Die Kälber müssen also mindestens dreimal am Tag getränkt werden. Besser ist ein Milchautomat mit mehr Fütterungszeiten. Die Öffnung des Nippels sollte nicht zu groß sein, damit das Kalb die Milch gut einspeichelt.
Husten ist ein gefürchtetes Signal oder Krankheitssymptom im Kälberstall, denn Kälber reagieren im Gegensatz zu Jungtieren anderer Säugetierarten besonders empfindlich auf Lungenentzündungen. Ihre Lunge ist erst im Alter von zehn bis zwölf Monaten vollständig entwickelt. Deshalb ist es wichtig, dass im Kälberstall immer frische Luft vorhanden ist.
Die Vorboten einer Erkältung oder sogar Lungenentzündung sind eine wässrige oder gerötete Nase sowie Nasen- und Augenausfluss. Das Tier schleckt sich vermehrt. „Kühe und Kälber im selben Stall – das geht selten gut”, sagt Zürcher. Denn dort ist die Luft meist feucht und keimbelastet. Hohe Tiefstreumatratzen sind ungünstig sowohl für Kälber als auch für ausgewachsene Rinder: Dort entweiche viel Ammoniak, das die Schleimhäute reizt.
Durchfall oder übelriechender Kot
Es gibt Kälber, die viel Milch und später auch viel Raufutter aufnehmen, einen dicken Bauch haben, aber doch nur wenig zunehmen. Hier müsse man an einen Kokzidienbefall denken und möglichst schnell entwurmen. Die Kotbeschaffenheit ist ein wichtiges Zeichen dafür, ob die Verdauung in Ordnung ist. Durchfall, übel riechender und zu fester Kot lassen sich auf falsche Fütterung, aber auch auf Infektionen oder innere Parasiten zurückführen.
Ein bisher kaum beachtetes Signal ist, wenn die Kälber nasse Stellen am Bauch aufweisen. Diese entstehen, weil die Kälber sich dort schlecken. Sie lassen auf Bauchschmerzen schließen, weil der Pansen-pH wegen Übersäuerungen schwankt.
Die Kälbersignale allein lassen oft noch keine sicheren Rückschlüsse zu. Aber sie machen den Tierhalter aufmerksam, und er kann reagieren, zum Beispiel indem er Kotproben nimmt oder die Fütterung anpasst.
Das FARM-Prinzip
Bei auffälligen Kälbern, sollte das FARM-Prinzip angewendet werden, um zu überprüfen, was den Jungtieren fehlen könnte. Die Abkürzung steht für folgende Worte: Fieber, Aktivität, Ranzen und Mist.
Fieber weist auf eine Abwehrreaktion des Körpers hin. Kranke Tiere sind weniger aktiv. Der Ranzen (Bauch) sowie der Mist (Kot und Harn) geben Hinweise auf die Verdauung. Ein praller Bauch, eingefallene Flanken, übel riechender Kot oder Durchfall sind Symptome für Fütterungsfehler oder Verdauungsstörungen.