Politik | 09. Februar 2023

Jochen Borchert redet Klartext

Von AgE
Drei Jahre nachdem die von ihm geleitete Kommission ihre Vorschläge für einen Umbau der Tierhaltung in Deutschland vorgelegt habe, fehle noch immer eine klare Orientierung, wohin die Reise geht, sagt der frühere Minister im Interview mit dem Fachpressedienst Agra-Europe.
Deutliche Kritik übt Jochen Borchert an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Auch bei ihm gebe es „eine Lücke zwischen anerkennenden Worten und politischen Taten”.
Darin wirft er der Politik Scheinheiligkeit vor. Sie berufe sich auf die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks, setze sie aber allenfalls in Bruchstücken um.
Deutliche Kritik übt der Vorsitzende an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Auch bei ihm gebe es „eine Lücke zwischen anerkennenden Worten und politischen Taten”. Die Vorlagen aus seinem Haus seien „völlig unzureichend”. Offenbar gebe es nach wie vor Blockaden in den Ampelfraktionen, über die sich der Minister nicht hinwegsetzen könne.
Koalition will Abbau statt Umbau
Borchert wirft einem Teil der Koalition vor, sie wolle einen Abbau der Tierhaltung statt deren Umbau. Angesichts des gegenwärtigen „dramatischen Ausstiegs” von Schweinehaltern sei dies „ein völlig verkehrter Ansatz”. Kein Verständnis hat der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister für die Erwartung, dass sich mehr Tierwohl allein über den Markt erreichen lässt. Borchert schließt nicht aus, dass die Kommission ihre Arbeit wieder aufnehmen wird. Voraussetzung seien allerdings praktikable Vorschläge, mit denen eine Transformation der Nutztierhaltung tatsächlich durchzuführen sei. Entscheidend seien staatliche Tierwohlprämien, die vertraglich abgesichert sind, 20 Jahre laufen und die höheren Kosten zu 90 Prozent bis 100 Prozent ausgleichen. Zur Finanzierung hält der frühere Haushaltspolitiker eine Mehrwertsteuerlösung für den praktikabelsten Weg.
Das Kompetenznetzwerk werde mit seiner Entscheidung zur Fortsetzung seiner Tätigkeit nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag warten, betont Borchert: „Irgendwann wird sich die Frage stellen, ob es noch Sinn macht, an dem Projekt weiterzuarbeiten, wenn die Möglichkeiten zur Umsetzung in dieser Legislaturperiode von Monat zu Monat geringer werden.” Ob er selbst an Bord bleibe, werde von den Rahmenbedingungen abhängen: „Ich habe wenig Lust, wie in den letzten Monaten immer wieder die Empfehlungen zu vertreten und zu hören, dass wir tolle Vorschläge vorgelegt haben, aber politisch passiert nichts.”