Tierhaltung | 30. April 2020

Jeder braucht sein eigenes Konzept

Von Anne Koch
Zwei Systeme miteinander verbinden: den Stall mit einem Automatischen Melksystem (AMS) und die Weide mit ihren standortspezifischen Bedingungen. Dieser Herausforderung haben sich zwei Betriebe aus dem Schwarzwald gestellt und ihre eigene Strategie gefunden.
Auf dem Bioland-Hof Fallengrund in Furtwangen-Neukirch hat Familie Löffler für ihre 40 schwarzbunten Milchkühe 2016 einen gebrauchten und generalüberholten Melkroboter angeschafft. Bereits 2002 ist der ehemalige Anbindestall zum Boxenlaufstall umgebaut worden. Der DeLaval-Melkroboter mit Melkergrube wurde im Bereich der ehemaligen Kälberboxen im Anschluss an die Liegeboxen der Milchkühe installiert. Die Melktechnik wurde bereits beim ersten Umbau im Keller untergebracht. Das leise Melken ist gerade mit dem AMS, das auch nachts milkt, von Vorteil. Der ehemalige Bereich des Melkstandes wurde zu Abkalbe- und Kälberboxen umgebaut.
Ein gebrauchter, generalüberholter Melkroboter erringert die Anschaffungskosten. So auch auf dem Bioland-Hof Fallengrund der Familie Löffler.
In einer dreiwöchigen Übergangsphase wurden die Kühe noch im Melkstand gemolken, konnten aber bereits durch den Melkroboter laufen und diesen kennenlernen. Nach dieser Eingewöhnung ließen sich die Kühe dann problemlos am Roboter melken. Nach einem Crashkurs vom Melktechniker arbeitete sich Betriebsleiter Florian Löffler in die technischen Möglichkeiten des AMS ein. So sendet das System beispielsweise eine Fehlermeldung, wenn eine Kuh nach einer bestimmten Zeit immer noch nicht zum Melken erschienen ist.  Der Betriebsleiter muss die Kuh dann nachtreiben. Da sein AMS nicht voll ausgelastet ist, hat Löffler es an seine Ansprüche angepasst: Er gewährt den Kühen längere Melkpausen und erhält so weniger Fehlermeldungen.
Im Schnitt kommen die 37 bis 38 melkenden Kühe im Sommer bei Weidegang auf 2,3 bis 2,5 Melkungen am Tag – je nach Laktationsstand. Im Winter liegt der Wert bei 2,8 bis 3. Seinen Herdendurchschnitt von 7700 Kilogramm je Kuh und Jahr realisiert Löffler über Weide, Grassilage und Heu. Am AMS erhalten die Kühe zusätzlich leistungsbezogen Milchleistungsfutter. Auf dem Bioland-Betrieb stehen 32 Hektar Weide und Mähweide arrondiert zur Verfügung. Diese wird als Portionsweide geführt, sodass der Herde täglich ein neues Stück zugeteilt wird. Je nach Aufwuchs wird ein Teil der Flächen in Rundballen siliert.
Mehr Zeit für anderes
Mit dem AMS mehr Zeit für die Familie (v. r.): Betriebsleiterehepaar Sarah und Florian Löffler mit Lorena und Matteo, Tochter Romina und Seniorchef Felix Löffler.
Die Kühe weiden tagsüber und werden nachts im Stall zugefüttert. Bevor die Herde morgens ausgetrieben wird, kontrolliert Löffler, welche Kuh noch nicht gemolken wurde, und treibt diese nach. Er schätzt diesen Ablauf: „So hat man alle Kühe nochmal im Blick.” Danach wird die gesamte Herde ausgetrieben und gegen 17 Uhr wieder in den Stall geholt. Das Futter ist bereits vorgelegt, sodass einige Kühe zum Fressen, andere direkt zum Melken gehen und die Herde sich ruhig im Stall verteilen kann. Gegen 22 Uhr sind alle Kühe das erste Mal gemolken, weitere Melkungen folgen bis in den Morgen.
Die Abendstallzeit ist sehr kurz, wie Löffler beschreibt: „Früher haben wir eineinhalb bis zwei Stunden nur fürs Melken gebraucht. Jetzt kann eine Person problemlos die Abendstallzeit alleine machen. Der Futtertisch kann morgens schon vorbereitet werden. Dann sind nur noch die Kühe zu holen und die Kälber zu tränken.” Für Florian Löffler und seine Familie liegen die Vorteile des Melkroboters auf der Hand: Man sei leichter zu vertreten und könne einfacher mal weg. „Bissle Luft ist immer gut”, sagt Löffler – sei es für andere Arbeiten wie im Wald oder zur Futterwerbung, aber auch für Freizeit und Familie.
Freier Weidezugang mit 70 Kühen
Sandra und Lothar Schleicher bewirtschaften einen Bioland-Betrieb in Rotzingen bei Görwihl. Für die Milchkühe wurde 2014 ein neuer Stall als Rundbogenhalle mit 87 Plätzen und einem Melkroboter gebaut. Hinter dem Stall liegen 15 Hektar Grünland, wo die Kühe auf zwei bis drei unterteilten Schlägen weiden. Die Inneneinrichtung des dreireihigen Stalls ist durch das Feed-First-System von DeLaval strukturiert. Vom Fressgang am Futtertisch aus leitet ein Dreiwegetor die Kühe mit Melkanrecht in den Wartebereich des AMS und die anderen Kühe in den zweiten Liegebereich oder zur Kraftfutterstation. Vom Liegebereich aus haben die Kühe rund um die Uhr freien Zugang zur Weide und sind täglich mindestens acht Stunden auf der Weide. So bevorzugen sie an heißen Sommertagen tagsüber das angenehme Stallklima und gehen nachts auf die Weide.
Sandra und Lothar Schleicher (zweite und dritter von rechts) bauten 2014 eine Rundbogenhalle als Stall für ihre Kühe. Auf dem Bioland-Betrieb leben und arbeiten sie mit ihren Kindern (von links) Beatrice, Jan, Melinda und Cindy-Marie. Es fehlt Tochter Xenia.
Für Schleichers ist im Stall wichtig: eine Portion Gelassenheit statt Höchstleistung, was mit gesunden Tieren belohnt werde. In der Regel sind es 72 melkende Kühe, die im Sommer bei Weidegang auf 2,3 Melkungen pro Tag kommen. Der Herdendurchschnitt liegt bei 6500 Kilogramm Milch pro Kuh und Jahr mit zwei bis drei Kilogramm Milchleistungsfutter pro Kuh und Tag.
Ein Weidetor ist zwar vorhanden, wird aber nicht genutzt. Trotzt des freien Weidezugangs müssen Schleichers nur wenige Kühe von der Weide holen. Dies gelingt ihnen durch einen gleichbleibenden täglichen Rhythmus. Morgens und nachmittags wird frisches Futter vorgelegt oder nachgeschoben. Die festen Stallzeiten ermöglichen es, alle Tiere am Futtertisch im Blick zu haben. Das erleichtert die Tierkontrolle, und noch nicht gemolkene Kühe können zum AMS nachgetrieben werden. Für Lothar Schleicher ist die Sommertrockenheit an seinem Standort eine Herausforderung: Dann gibt es nur wenig Aufwuchs auf der Weide und Grünfutter wird eingefahren.
Zu Beginn der Weidesaison im Frühjahr werden die Kühe stundenweise an die Weide gewöhnt. Bereits dann rufen Schleichers ihre Herde immer zur gleichen Uhrzeit wieder in den Stall. Das Rasseln des Schroteimers oder das Brummen des Mischwagens auf dem Futtertisch locken die Tiere hinein. Bereits nach kurzer Zeit haben die Kühe ihren eigenen Weiderhythmus entwickelt.
Ein Pluspunkt bei Schleichers: ein Melktechniker in der Familie, der mit Rat und Tat den Betrieb unterstützt.
Geblockter Weidegang
Der Betrieb von Familie Löffler zeigt: Ein AMS kann in kleineren Beständen und als Umbau im Altgebäude erfolgreich genutzt werden. Ein generalüberholter gebrauchter AMS reduziert die Anschaffungskosten. Gerade für Herden mit bis zu 40 melkenden Kühen ist der geblockte Weidegang einfach umsetzbar.
Mit geblocktem Weidegang können Schläge beweidet werden, die vom Stall aus nicht frei zugänglich sind, da zum Beispiel eine Straße dazwischen liegt. Auch mit größeren Herden können solche Schläge beweidet werden, dann allerdings nur stundenweise, und es braucht den Rücktrieb in den Stall oder auf eine weitere Koppel. Zur Überquerung von Straßen und Wegen können elektronische Schranken, Bodengitter oder Viehtunnel genutzt werden.
Prioritäten setzen
 Am Beispiel Schleicher wird deutlich: Bei freiem Weidezugang ohne Weidetor sind ein fester Tagesablauf und beste Futtervorlage entscheidend, damit die Tiere wieder selbstständig in den Stall zurückkommen und der Nachtreibeaufwand gering bleibt.  Im Stall kann der Weidezugang selektiv über Tore am AMS oder im Laufhof gesteuert werden. Gut befestigte Triebwege sind entscheidend, damit die Kühe gerne auch weit laufen und wieder selbstständig in den Stall zurückkehren. Bei allen Überlegungen ist zudem wichtig, dass die Weidekriterien von Molkerei und Bio-Verband umgesetzt werden.
Nicht zuletzt gilt es die Kosten im Auge zu behalten – für Anschaffung und den laufenden Betrieb. Ein hoher Anteil an günstigem Futter von der Weide mit einer guten Milchleistung im Sommer kann im Einzelfall die Mehrkosten für ein AMS kompensieren.
Vor der Anschaffung eines AMS gilt es zu klären, welche Ziele Priorität haben: Eine möglichst hohe Auslastung des AMS mit dem Schwerpunkt der Fütterung im Stall, eine möglichst hohe Futteraufnahme auf der Weide als Kostenvorteil oder möglichst reibungslose technische Abläufe mit hoher Fehlertoleranz. So wird klar: Jeder Betrieb braucht sein eigenes Konzept.
Interessierte finden Beratung unter der E-Mail-Adresse BeratungMilchHoch3@posteo.de oder der Telefonnummer 0151-15178137.