Tierhaltung | 13. November 2020

Internationaler Schaf- und Ziegenkongress

Von der BBZ-Redaktion
eim ersten Internationalen Schaf- und Ziegenkongress in Bonn Mitte Oktober machten die Veranstalter die große globale Bedeutung der kleinen Wiederkäuer deutlich.
Ziegen- und Schafhalter wollen sich künftig weltweit stärker vernetzen.
Die Vorsitzenden der Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände (VDL), Alfons Gimber, und des Bundesverbandes Deutscher Ziegenzüchter (BDZ),  Bernd Merscher, würden sich im Bundesgebiet mit den 1,6 Mio. Schafen und über 200000 Ziegen eine bessere Wertschätzung wünschen. Schafe und Ziegen erfüllten auch in Deutschland mit der Erzeugung hochwertiger Nahrungsmittel wie Fleisch und Milch, dem Angebot des nachwachsenden Rohstoffs Schafwolle und den gesellschaftlich erbrachten Pflegeleistungen für den Küsten- bzw. Hochwasserschutz und der Landschaftspflege wertvolle Leistungen.
Der 1. Internationale Schaf- und Ziegenkongress stand unter dem Motto „Schaf- und Ziegenhalter und Wissenschaftler gestalten Zukunft”. Die Konferenz gab Wissenschaftlern, Fachverbänden, Praktikern und Nichtregierungsorganisationen eine Plattform für einen vertieften Austausch zu aktuellen Themen der Schaf- und Ziegenzucht sowie -haltung. Verschiedene aktuelle Themenbereiche vom Klimawandel bis zur Resistenz wurden unter dem Blickwinkel der Tierzucht erörtert. Über 300 Teilnehmer aus allen Teilen der Welt waren vor Ort oder online dabei. Über 60 Vorträge wurden überwiegend in englischer Sprache vorgetragen, jedoch simultan ins Deutsche übersetzt.
Im Bereich der Ökonomie konnte an Beispielen aufgezeigt werden, welche wirtschaftlichen Variablen in der Leistungs- und Kostenkalkulation sich für den Landwirt in der Ziegenmilchproduktion ergeben, ob sie in den Planungsbeispielen wirtschaftlich sind und wo Verbesserungspotenzial besteht. Ein weiterer Vortrag berichtete über eine bundesweit repräsentative Analyse der aktuellen Einschätzung der Wirtschaftlichkeit in der Schafhaltung. Insgesamt wurde festgestellt, dass etwa 60 % des Gesamteinkommens aus der Schafhaltung aus öffentlichen Fördermitteln stammen. Bei den derzeitigen Preis- und Kostenverhältnissen können jedoch trotz des vergleichsweise hohen Anteils öffentlicher Mittel nicht die vollen Kosten gedeckt werden. Um die Schafhaltung in ihrer Multifunktionalität für Landschaft, Naturschutz, Gesellschaft und ländliche Strukturen zu erhalten, müssen daher auch in Zukunft geeignete Förderinstrumente installiert werden, aber auch Beratung, Ausbildung und Engagement in den Schaffarmen sind erforderlich.
Hornlose Ziegen
Die Zucht auf Hornlosigkeit bei Ziegen ist komplizierter als bei Rindern, da Hornlosigkeit bei Ziegen mit Störungen in der sexuellen Entwicklung einhergeht. Die Inzidenz wird auch als Polling-Intersex-Syndrom (PIS) bezeichnet. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass homozygot gepollte und genetisch weibliche (XX) Individuen aufgrund einer phänotypisch vielfältigen Intersexualität unfruchtbar sind. Intersexuelle Ziegen zeigen weibliche bis scheinbar männliche Genitalien sowie viele Zwischenstadien. Dies erschwert die Identifizierung solcher Fälle in der Praxis und bringt die Zucht auf Hornlosigkeit bei Ziegen an ihre Grenzen. Die Entwicklung von Gentests für die befragten Genotypen war bisher nicht erfolgreich. Neuere Untersuchungen an den Universitäten in Gießen und Bern erlauben zum ersten Mal die Entwicklung einer diagnostischen PCR zum gleichzeitigen Nachweis des individuellen Horngenotyps und des genetischen Geschlechts der Ziegen. Der Gentest wurde mit mehr als 1000 Ziegen verschiedener Rassen validiert und bestätigte, dass alle analysierten PIS-verdächtigen Ziegen homozygot und tatsächlich weiblich waren (XX). Damit ist  die Identifizierung phänotypisch fragwürdiger intersexueller Tiere möglich und die Zucht auf Hornlosigkeit bei Ziegen wesentlich leichter.
In einem deutschen Verbundprojekt im Bereich Zucht und Management konnte eine spannende Hypothese bestätigt werden. Das Projekt MuNaSch („Multi-Natursprung Schaf”) sollte Fragen zum Einsatz von mehr als drei Böcken in der Paarungszeit klären. Es waren 17 Herdbuchzüchter aus Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen beteiligt.
Die Ergebnisse der Vaterschaftstests auf der Basis von 19 Mikrosatelliten-Markern wurden in der zentralen Datenbank serv.it OVICAP registriert. Anhand des Registers und der entsprechenden Lämmerliste wurde der wahrscheinlichste Vater unter den potenziellen Kandidaten ermittelt. Eine erste Analyse von 150 Merinolandschaf-Mutterschafen, die vier Wochen lang mit drei Widdern gedeckt wurden, bestätigte die Hypothese einer Widder-Dominanz. Die Hälfte der geborenen Lämmer stammte vom Schafbock A, während nur 40 % vom Schafbock B und 10 % vom Schafbock C abstammten. Bei Mehrlingsgeburten hatte die Hälfte der Geschwister mehr als einen Vater innerhalb eines Wurfs.