Mit der Mehrheit der Stimmen von CDU/CSU und SPD hat der Bundestag am 24. Juni das Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt in Deutschland und zur Änderung weiterer Vorschriften beschlossen. Der Bundesrat hat das Insektenschutzgesetz am Tag darauf gebilligt.
Es ist kein generelles Verbot für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in FFH- und Vogelschutzgebieten vorgesehen. Allerdings wird der Einsatz von Herbiziden und Insektiziden auf Grünland in FFH-Gebieten untersagt.
In ihrer Sitzung stimmte die Länderkammer auch der Fünften Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung nach Maßgabe von zwei Änderungen zu. Damit soll insbesondere sichergestellt werden, dass bestehende kooperative Vereinbarungen zwischen Naturschutz und Landwirtschaft nicht durch das Bundesrecht verwässert werden. Dies soll auch für künftige Länderregelungen gelten, die über das Bundesrecht hinausgehen.
Unterschiedliche Reaktionen
Die Reaktionen auf die Beschlüsse fielen unterschiedlich aus.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze begrüßte die Verabschiedung des
Maßnahmenpakets. Damit habe man ein zentrales naturschutzpolitisches
Vorhaben dieser Legislaturperiode zu einem erfolgreichen Abschluss
gebracht. Das Insektenschutzpaket sei ein „guter Mix aus Ordnungsrecht
und freiwilligen Vereinbarungen”. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia
Klöckner betonte, dass in den Verhandlungen wesentliche Verbesserungen
für die Landwirtschaft erreicht worden seien. Mit den ursprünglichen
Plänen hätte einzelnen Betrieben gedroht, dass sie bis zu 50 Prozent
ihrer Flächen hätten aufgeben müssen. Das habe man abgewendet.
Einige Agrarpolitiker der Union zeigten sich gleichwohl unzufrieden mit
dem Kompromiss und stimmten im Bundestag entweder gegen das Gesetz oder
brachten ihre Bedenken gesondert zum Ausdruck. Der Deutsche
Bauernverband (DBV) bekräftigte seine Kritik an dem Insektenschutzpaket.
Umweltverbände zeigten sich zufrieden, mahnten aber weitere Schritte in
der nächsten Legislaturperiode an.
Die mit dem Insektenschutzgesetz verbundene Änderung des
Bundesnaturschutzgesetzes sieht unter anderem vor, dass nunmehr auch
Streuobstwiesen sowie magere Flachland-Mähwiesen und Berg-Mähwiesen zu
den gesetzlich zu schützenden Biotopen zählen. Der ursprünglich
vorgesehene Begriff „artenreiches Grünland” wurde präzisiert.
Mit einer Änderung des Pflanzenschutzgesetzes wird geregelt, dass bei wesentlichen Einschränkungen der land- und/oder forstwirtschaftlichen Nutzung infolge von Anwendungsauflagen für
Pflanzenschutzmittel den Betrieben ein Erschwernisausgleich gezahlt
werden kann. Einen von der Union geforderten gesetzlichen
Ausgleichsanspruch gibt es hingegen nicht.
65 Millionen Euro für Ausgleich
Für den Ausgleich stellt der Bund jährlich zusätzlich 65
Millionen Euro über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) zur Verfügung. Den Ausgleich
in Anspruch nehmen können Land- und Forstwirte, deren Flächen in
Natura-2000-Gebieten liegen, für Grünland in
Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Gebieten sowie in Gebieten im
Anwendungsbereich der Wasserrahmenrichtlinie. Schließlich werden mit
einer Änderung des Ausgleichsleistungsgesetzes weitere 8000 ha
Naturschutzflächen auf das Nationale Naturerbe (NNE) übertragen.
Die Neufassung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung sieht entgegen
zuvor geäußerter Befürchtungen kein generelles Verbot für den Einsatz
von Pflanzenschutzmitteln in FFH- und Vogelschutzgebieten vor.
Allerdings wird der Einsatz von Herbiziden und Insektiziden auf Grünland
in FFH-Gebieten untersagt. Die bereits bestehenden Anwendungsverbote
für bestimmte Pflanzenschutzmittel etwa in Nationalparks oder
Naturschutzgebieten werden um Herbizide und bestimmte Insektizide
erweitert. Beim Ackerbau soll zunächst durch freiwillige Maßnahmen eine
Reduzierung der Anwendung dieser Pflanzenschutzmittel erreicht werden.
Ausgenommen von der Regelung sind der Garten-, der Obst- und Weinbau,
die Saatgut- und Pflanzgutvermehrung und der Hopfenanbau. Neu eingeführt
wird eine Bundesregelung für den Pflanzenschutz entlang von Gewässern.
Auf einem Streifen von zehn Metern dürfen keine Mittel eingesetzt
werden. Wenn der Streifen ganzjährig begrünt ist, beträgt der
einzuhaltende Mindestabstand fünf Meter. Die Länder können aber von
diesen Vorgaben abweichen.
Glyphosatverbot greift 2024
Der Einsatz von Glyphosat wird laut Verordnung ab dem 1.
Januar 2024 grundsätzlich verboten. Bis dahin bleibt die Anwendung in
der Landwirtschaft in Ausnahmen möglich, etwa auf besonders
erosionsgefährdeten Böden oder gegen Unkräuter, die nicht mechanisch
bekämpft werden können.
DBV-Präsident Joachim Rukwied warnte anlässlich der Verabschiedung in
Bundestag und Bundesrat erneut vor pauschalen Pflanzenschutzverboten.
Das Aktionsprogramm Insektenschutz der Bundesregierung sei von Beginn an
falsch ausgerichtet gewesen, da wesentliche Gefährdungsursachen für
Insekten ausgeklammert worden seien und man hauptsächlich auf Auflagen
und Ordnungsrecht sowie einseitig auf Verbote von Pflanzenschutzmitteln
gesetzt habe. Damit werde Landwirtschaft in Schutzgebieten infrage
gestellt. „Dies ist ein massiver Vertrauensverlust und eine schwere
Hypothek für den kooperativen Naturschutz”, kritisierte Rukwied.
Rukwied will kooperative Vereinbarungen
Nunmehr sieht der DBV-Präsident
die Bundesländer am Zuge. Sie müssten einerseits gemeinsam mit der
Landwirtschaft kooperative Vereinbarungen zum Insektenschutz in
Schutzgebieten treffen, um den betroffenen Betrieben eine Perspektive
für ihre Produktion von heimischen Nahrungs- und Futtermitteln zu
erhalten. Andererseits seien die Länder gefordert, den finanziellen
Erschwernisausgleich in allen nationalen und europäischen Schutzgebieten
vorzusehen, wenn zum Schutz von Insekten die Bewirtschaftung eingeschränkt werde.
Der Vorsitzende der Familienbetriebe Land und Forst, Max von
Elverfeldt, räumte ein, dass zuletzt noch wichtige Verbesserungen beim
Insektenschutzpaket erreicht worden seien. Im Ergebnis bleibe aber eine
grundsätzliche Schieflage, nämlich zu viele pauschale Vorgaben und
Verbote und zu wenig Raum für lokale, standortbezogene Lösungen,
beklagte von Elverfeldt.