Politik | 01. Juli 2021

Insektenschutzpaket passiert Bundestag und Bundesrat

Von AgE
Mit der Mehrheit der Stimmen von CDU/CSU und SPD hat der Bundestag am 24. Juni das Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt in Deutschland und zur Änderung weiterer Vorschriften beschlossen. Der Bundesrat hat das Insektenschutzgesetz am Tag darauf gebilligt.
Es ist kein generelles Verbot für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in FFH- und Vogelschutzgebieten vorgesehen. Allerdings wird der Einsatz von Herbiziden und Insektiziden auf Grünland in FFH-Gebieten untersagt.
In ihrer Sitzung stimmte die Länderkammer auch der Fünften Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung nach Maßgabe von zwei Änderungen zu. Damit soll insbesondere sichergestellt werden, dass bestehende kooperative Vereinbarungen zwischen Naturschutz und Landwirtschaft nicht durch das Bundesrecht verwässert werden. Dies soll auch für künftige Länderregelungen gelten, die über das Bundesrecht hinausgehen.
Unterschiedliche Reaktionen
Die Reaktionen auf die Beschlüsse fielen unterschiedlich aus. Bundesumweltministerin Svenja Schulze begrüßte die Verabschiedung des Maßnahmenpakets. Damit habe man ein zentrales naturschutzpolitisches Vorhaben dieser Legislaturperiode zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht. Das Insektenschutzpaket sei ein „guter Mix aus Ordnungsrecht und freiwilligen Vereinbarungen”. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner betonte, dass in den Verhandlungen wesentliche Verbesserungen für die Landwirtschaft erreicht worden seien. Mit den ursprünglichen Plänen hätte einzelnen Betrieben gedroht, dass sie bis zu 50 Prozent ihrer Flächen hätten aufgeben müssen. Das habe man abgewendet.
Einige Agrarpolitiker der Union zeigten sich gleichwohl unzufrieden mit dem Kompromiss und stimmten im Bundestag entweder gegen das Gesetz oder brachten ihre Bedenken gesondert zum Ausdruck. Der Deutsche Bauernverband (DBV) bekräftigte seine Kritik an dem Insektenschutzpaket. Umweltverbände zeigten sich zufrieden, mahnten aber weitere Schritte in der nächsten Legislaturperiode an.
Die mit dem Insektenschutzgesetz verbundene Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes sieht unter anderem vor, dass nunmehr  auch Streuobstwiesen sowie magere Flachland-Mähwiesen und Berg-Mähwiesen zu den gesetzlich zu schützenden Biotopen zählen. Der ursprünglich vorgesehene Begriff „artenreiches Grünland” wurde präzisiert.
Mit einer Änderung des Pflanzenschutzgesetzes wird geregelt, dass bei wesentlichen Einschränkungen der land- und/oder forstwirtschaftlichen Nutzung infolge von Anwendungsauflagen für Pflanzenschutzmittel den Betrieben ein Erschwernisausgleich gezahlt werden kann. Einen von der Union geforderten gesetzlichen Ausgleichsanspruch gibt es hingegen nicht.
65 Millionen Euro für Ausgleich
Für den Ausgleich stellt der Bund jährlich zusätzlich 65 Millionen Euro über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) zur Verfügung. Den Ausgleich in Anspruch nehmen können Land- und Forstwirte, deren Flächen in Natura-2000-Gebieten liegen, für Grünland in Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Gebieten sowie in Gebieten im Anwendungsbereich der Wasserrahmenrichtlinie. Schließlich werden mit einer Änderung des Ausgleichsleistungsgesetzes weitere 8000 ha Naturschutzflächen auf das Nationale Naturerbe (NNE) übertragen.
Die Neufassung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung sieht entgegen zuvor geäußerter Befürchtungen kein generelles Verbot für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in FFH- und Vogelschutzgebieten vor. Allerdings wird der Einsatz von Herbiziden und Insektiziden auf Grünland in FFH-Gebieten untersagt. Die bereits bestehenden Anwendungsverbote für bestimmte Pflanzenschutzmittel etwa in Nationalparks oder Naturschutzgebieten werden um Herbizide und bestimmte Insektizide erweitert. Beim Ackerbau soll zunächst durch freiwillige Maßnahmen eine Reduzierung der Anwendung dieser Pflanzenschutzmittel erreicht werden.
Ausgenommen von der Regelung sind der Garten-, der Obst- und Weinbau, die Saatgut- und Pflanzgutvermehrung und der Hopfenanbau. Neu eingeführt wird eine Bundesregelung für den Pflanzenschutz entlang von Gewässern. Auf einem Streifen von zehn Metern dürfen keine Mittel eingesetzt werden. Wenn der Streifen ganzjährig begrünt ist, beträgt der einzuhaltende Mindestabstand fünf Meter. Die Länder können aber von diesen Vorgaben abweichen.
Glyphosatverbot greift 2024
Der Einsatz von Glyphosat wird laut Verordnung ab dem 1. Januar 2024 grundsätzlich verboten. Bis dahin bleibt die Anwendung in der Landwirtschaft in Ausnahmen möglich, etwa auf besonders erosionsgefährdeten Böden oder gegen Unkräuter, die nicht mechanisch bekämpft werden können.
DBV-Präsident Joachim Rukwied warnte anlässlich der Verabschiedung in Bundestag und Bundesrat erneut vor pauschalen Pflanzenschutzverboten. Das Aktionsprogramm Insektenschutz der Bundesregierung sei von Beginn an falsch ausgerichtet gewesen, da wesentliche Gefährdungsursachen für Insekten ausgeklammert worden seien und man hauptsächlich auf Auflagen und Ordnungsrecht sowie einseitig auf Verbote von Pflanzenschutzmitteln gesetzt habe. Damit werde Landwirtschaft in Schutzgebieten  infrage gestellt. „Dies ist ein massiver Vertrauensverlust und eine schwere Hypothek für den kooperativen Naturschutz”, kritisierte Rukwied.
Rukwied will kooperative Vereinbarungen
Nunmehr sieht der DBV-Präsident die Bundesländer am Zuge. Sie müssten einerseits gemeinsam mit der Landwirtschaft kooperative Vereinbarungen zum Insektenschutz in Schutzgebieten treffen, um den betroffenen Betrieben eine Perspektive für ihre Produktion von heimischen Nahrungs- und Futtermitteln zu erhalten. Andererseits seien die Länder gefordert, den finanziellen Erschwernisausgleich in allen nationalen und europäischen Schutzgebieten vorzusehen, wenn zum Schutz von Insekten die Bewirtschaftung eingeschränkt werde.
Der Vorsitzende der Familienbetriebe Land und Forst, Max von Elverfeldt, räumte ein, dass zuletzt noch wichtige Verbesserungen beim Insektenschutzpaket erreicht worden seien. Im Ergebnis bleibe aber eine grundsätzliche Schieflage, nämlich zu viele pauschale Vorgaben und Verbote und zu wenig Raum für lokale, standortbezogene Lösungen, beklagte von Elverfeldt.