Tierhaltung | 25. Februar 2016

Im Idealfall eine Win-win-Situation

Von Martina Krietemeyer und Dr. Diethild Wanke, LWA Lörrach
Pensionsviehhaltung – das bietet sich geradezu automatisch dort an, wo die einen nicht genügend Fläche und die anderen viel Weidefläche, aber nicht genügend oder auch gar kein Vieh mehr haben. Damit beide Seiten zufrieden sind, müssen jedoch im Vorfeld klare Absprachen getroffen werden.
Der Gastviehbetrieb übernimmt eine große Verantwortung. Zur Pensionsviehbetreuung gehört, regelmäßig nachzusehen, ob alle Tiere gesund wirken oder ob eines Auffälligkeiten zeigt, den Weidezaun zu prüfen, eine ausreichende Menge an frischem Wasser zu garantieren sowie allen Tieren besonders bei Hitze und Insektenplage Zugang zu einem (natürlichen) Witterungsschutz zu ermöglichen.
Es gibt unterschiedliche Gründe für Rinder haltende Betriebe,  ihre Nachzucht oder einen Teil ihrer Herde einem anderen Betrieb in Pension zu geben. Das können zum Beispiel knappe  eigene Weideflächen, eine insgesamt knappe Austattung mit  Futterflächen oder auch die  Gefahr sein, die Grenze von 170 kg Stickstoff pro Hektar aus Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft zu überschreiten. Zudem ermöglicht die Auslagerung  eine Entlastung während der Arbeitsspitzen im Sommer und sie hat  eine positive Wirkung auf die Tiergesundheit und die vitale Jungviehentwicklung, vorausgesetzt, Tierbetreuung und Weideführung werden umsichtig und fachgerecht ausgeführt.
Für den Pensionsvieh aufnehmenden Betrieb, den Gastviehbetrieb, liegt die Hauptmotivation für die Aufnahme von Gasttieren darin, dass er über viel Weidefläche, aber nicht über ausreichend bzw. kein Eigenvieh mehr verfügt. Mithilfe des Gastviehs können die Weiden standortgerecht bewirtschaftet werden und der Landwirt kann an den relevanten Grünlandförderprogrammen teilnehmen.  Wichtige Voraussetzungen für die Aufnahme von Pensionsvieh  sind einschlägige Erfahrungen und Kenntnisse in der Betreuung von Weidetieren und der Weideführung sowie Freude am Umgang mit Rindern.
Unterschiedliche Modelle
Für die Organisation des Gastviehbetriebs gibt es unterschiedliche Modelle. Die Alpung oder Sömmerung von Jungvieh hat vor allem in den  Alpenländern eine lange Tradition. Auch im Südschwarzwald, der durch einen hohen Anteil an kommunalen Weideflächen geprägt ist, begann man bereits in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, die zurückgehenden Eigenviehbestände mit Gastvieh aufzustocken. Oft wurden spezielle Weidebezirke für Gasttiere eingerichtet. In der Regel handelt es sich bei den Pensionstieren um die ein- bis zweijährige Nachzucht aus Milchviehbetrieben der angrenzenden Rheinebene, des Dreisamtals oder der Baar; teilweise werden aber auch Tiere aus dem Allgäu aufgetrieben. Seit einigen Jahren gibt es zudem Gastviehbetriebe, die Mutterkühe mit Kälbern aufnehmen.
Zu den klassischen Pensionsviehweiden im Höhengebiet, die oftmals als Nachfolge einer ehemaligen Gemeinschaftsweide mit Eigenvieh als GbR auf kommunalen Weiden geführt werden, gibt es zunehmend auch Einzelhöfe, die die saisonale Gastviehhaltung als neuen Betriebszweig aufbauen. Je mehr das Familieneinkommen von der Gastviehhaltung abhängig ist, desto wichtiger ist es, sich mit den Kosten und dem Arbeitsaufwand der Pensionsviehhaltung auseinanderzusetzen. Ziel ist es, unter Berücksichtigung der Fördergelder ein für beide Seiten, Gastviehbetrieb und Beschicker, angemessenes „Weidegeld” festzusetzen.
Auch bei den Beschickerbetrieben hat sich die Situation im Vergleich zu den Anfängen der Pensionsviehhaltung zum Teil geändert. Zunehmend handelt es sich um spezialisierte Milchviehbetriebe mit hohen Milchleistungen. Hier darf die Jungviehaufzucht nicht zu extensiv erfolgen, denn ein frühes Erstkalbealter und eine hohe Einstiegslaktation werden von der Nachzucht gefordert. Um das zu erreichen, ist eine gute Futtergrundlage auf der Weide innerhalb der ersten beiden Lebensjahre erforderlich. Aber auch auf extensiveren Standorten mit ausreichender Futtergrundlage profitieren die Pensionstiere gesundheitlich und zeigen meist in den Wintermonaten gesteigerte Zunahmen (kompensatorisches Wachstum).
Die Weideaufzucht von Jungrindern ist die artgerechteste Haltungsform, sofern eine gute Tierbetreuung und Weideinfrastruktur mit bedarfsgerechtem Weidefutter, ausreichendem Witterungsschutz (Schatten) und Tränkezugang gewährleistet sind. Positiv zu bewerten ist die Sommerweide auch im Hinblick auf den immer kritischeren Blick der Verbraucher auf die Tierhaltung.
Voraussetzung für eine möglichst reibungslose Weidesaison im Pensionsviehbetrieb ist die Beschickung mit ausschließlich gesunden und weidezaunerfahrenen Rindern. Die veterinärmedizinischen Anforderungen sind dem jährlich aktualisierten „Merkblatt zum Auftrieb von Rindern auf Gemeinschaftsweiden” der jeweils zuständigen Veterinärbehörden zu entnehmen.
Kosten werden oft unterschätzt
Für eine erfolgreiche und langfristige Zusammenarbeit zwischen Gastviehbetrieb und Beschickerbetrieb müssen die  grundlegenden Ansprüche beider Seiten erfüllt werden  und es muss ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, am besten abgesichert durch  vertragliche Vereinbarungen in Schriftform. 
Der Pensionsviehhalter stellt seine Flächen sowie  seine Arbeitszeit zur Verfügung und erwartet hierfür eine angemessene Entlohnung. Der Milcherzeuger erwartet nach Abtrieb von der Weide ein gut entwickeltes, gesundes Jungtier, nicht zu mager, nicht zu fett, welches das Potenzial für eine  leistungsfähige Jungkuh hat.
Dass die Betreuung des Pensionsviehs während der Weidesaison „nicht für Umme” geleistet werden kann, soll  hier  anhand einer Modellrechnung aufgezeigt  werden. Eingegangen wird    speziell auf die saisonale Pensionsviehhaltung von Jungvieh aus Milchviehbetrieben.
Die Aufzuchtkosten einer Färse werden von  vielen Milcherzeugern stark unterschätzt. Im Schnitt liegen die Vollkosten für die Färsenaufzucht bei 2073 € pro Färse. Die Spannweite beträgt 1522 bis 2516 € (Rinderreport Baden-Württemberg 2014), in Abhängigkeit von Intensität, Rasse und Region.
In der Beispielsrechnung in der Tabelle werden die Pensionskosten berechnet  für einen Zeitraum von 180 Tagen, den die Tiere auf der Sommerweide im Pensionsbetrieb verbringen. In dieser sehr vereinfachten Rechnung sind eventuell anfallende Tierarztkosten nicht berücksichtigt, diese hat der Tierbesitzer zu tragen. Die zusätzlichen Aufwendungen für Düngemittel, Weidepflege, Zäune sowie die Beiträge für die Berufsgenossenschaft und die erforderliche Betriebshaftpflichtversicherung sind in der Berechnung ebenfalls nicht berücksichtigt und müssen über die Flächenprämie abgedeckt werden. Unter dem Strich bleibt so für den Pensionsviehhalter nicht viel übrig. Bei den ermittelten Kosten handelt es sich selbstverständlich nicht um eine absolute Größe. Die Berechnung mit niedrig angesetzten Standardwerten kann nur eine Größenordnung bezüglich des Pensionspreises vermitteln, zeigt aber, dass die Preisvorstellungen in der Praxis weit von den realen Kosten für die Pensionstierhaltung entfernt sind.    
Qualität hat ihren Preis
Die Erfahrung zeigt, dass es sehr schwierig ist, einen Pensionspreis von 1 €/Tier und Tag (180 € je Weidesaison und Tier bei 180 Weidetagen) zu erzielen. Betrachtet man das Verhältnis zu den Vollkosten von durchschnittlich 2073 €/Färse, halten sich die Kosten für die saisonale Auslagerung des Jungviehs aber durchaus in Grenzen. Auch unter dem Aspekt der durch die Auslagerung freiwerdenden Arbeitszeit für die Milcherzeuger in der Hauptvegetationsphase, der Einsparung von  Futter und der Reduzierung ihres Wirtschaftsdüngeranfalls   relativieren sich die Pensionskosten. Dieser Mehrwert sollte von den  Milcherzeugern nicht unterschätzt und angemessen honoriert werden. Denn auch hier gilt: „Qualität hat ihren Preis.”
Im Idealfall ergibt sich  zwischen Gastviehbetrieb und Beschicker(n) eine langjährige Partnerschaft, die von Zuverlässigkeit und Vertrauen geprägt ist. Wenn gesunde, weidezaungewohnte, umgängliche Tiere geliefert werden, die dann gut und zuverlässig betreut werden, ist es eine Win-win-Situation für beide Seiten – dies vor allem für die Tiere, die zumindest für die Saison ein unbeschwertes, artgerechtes Weideleben führen dürfen.
Bei Bedarf melden
Die  Übergebietliche Weideberatung am Landwirtschaftsamt Lörrach versucht, Interessenten bei der Vermittlung von Gastvieh sowie   Gastviehplätzen zu unterstützen.  Auch in Weidemanagementfragen und in der Ermittlung des geeigneten Viehbestands für den  Weidebetrieb ist eine Beratung möglich. Wer  Gastvieh oder Gastviehplätze sucht, sollte  sich  rechtzeitig melden.  Bei sehr kurzfristigen Anfragen kurz vor Beginn der Weidesaison ist eine erfolgreiche Vermittlung oft schwierig. Anfragen können gerichtet werden an:
Eva Kiefer,  Tel. 07621/410- 4445, Fax: 07621/410- 94445, E-Mail: eva.kiefer@loerrach-landkreis.de
Dr. Diethild Wanke,  Tel. 07621/410-4449,  Fax: 07621/410-94449,  E-Mail: diethild.wanke@loerrach-landkreis.de