Politik | 28. März 2019

Im Herzen Europas für Europa und die Bauern

Von Walter Eberenz
Die Landesversammlung des BLHV fand erstmals in der Messe Freiburg statt: Die Gäste hatten dadurch Gelegenheit, danach die RegioAgrar Baden zu besuchen. Leitthema der Versammlung war Europa – mit der Europawahl und einer erneuten EU-Agrarreform vor der Tür.
Erst die Agrarpolitik, dann die Fachmesse: BLHV-Präsident Werner Räpple begrüßte am Donnerstag voriger Woche die Gäste der Landesversammlung erstmals anlässlich der eigenen Messe RegioAgrar Baden in der Messe Freiburg.
„Unsere Region am Oberrhein liegt mitten in Europa, deshalb haben wir heute das Thema Europa gesetzt”, bekundete BLHV-Präsident Werner Räpple bei der Eröffnung der Landesversammlung am Donnerstag voriger Woche in der Messe Freiburg. Und da mitten in der Region am Oberrhein  die gemeinsame Grenze zwischen den EU-Mitgliedsstaaten Deutschland und Frankreich verläuft, waren auch bäuerliche Vertreter aus dem Elsass unter den Gästen und diskutierten mit über die künftige Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP): so Dennis Nass, 1. Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Elsass. Mit ihm gekommen war seine Kollegin Danielle Bras, ebenfalls Vizepräsidentin der Kammer und Präsidentin des grenzüberschreitenden Netzwerks Ri2.
Werner Räpple sprach in seinem Vortrag „Landwirt schafft Europa” von einer derzeit schlechten Stimmung auf den Höfen.
Räpple fordert Perspektiven
Vortragsredner: Werner Räpple ...
„Die Betriebe, die Bauernfamilien, unsere jungen Leute  brauchen Perspektiven”, forderte der BLHV-Präsident in Richtung Politik auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene. Eine schlechte Einkommenssituation und gleichzeitig überbordende Bürokratie für die Betriebe seien keine Perspektive. Letztere sei ein Stressfaktor, der trotz aller Beteuerungen zunehme statt abnehme. Räpple legte ein grundsätzliches Bekenntnis zu Europa ab: „Wir Bauern stehen seit jeher für Europa. Wir sind eine wichtige Klammer.” Allerdings versorgen nach seinem Dafürhalten die Bauern über 500 Millionen Europäer „mit für uns zu günstigen Nahrungsmitteln”. „Wir sind offen für Anforderungen der Gesellschaft. Aber die Erfüllung gesellschaftlicher Ziele muss auch von der Gesellschaft finanziert werden”, so Räpple. Die Einkommenssituation lasse keinen zusätzlichen Beitrag vonseiten der Landwirte zu.
Norbert Lins, Abgeordneter der EVP-Fraktion (Christdemokraten) im Europäischen Parlament und Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung, erklärte auf der Landesversammlung des BLHV, warum sich das Europaparlament vor der Europawahl am 26. Mai  nicht mehr inhaltlich zur Gemeinsamen Agrarpolitik  nach 2020 positioniert.
Das liege zum einen an den über 7000 Änderungsanträgen, zum anderen an den unklaren Finanzen. „Wir wollen keine finanziellen Blindflüge machen – wir kennen das Budget noch nicht”, so Lins.
Positiv gestimmt, mit einem Schuss Misstrauen
... und Norbert Lins
Die Bereitschaft der EU-Kommission, Verantwortung an die Mitgliedsstaaten abzugeben (new delivery model), sieht er grundsätzlich positiv, bleibt aber auch misstrauisch: „Das hört sich zunächst gut an, aber bei näherem Hinsehen will die Kommission in Detailfragen doch mitreden.”
Lins sprach sich dafür aus, die „Eco-Schemes” in die Zweite Säule zu verlagern. Das habe auch den Vorteil, dass Maßnahmen auf Landesebene entschieden werden könnten. Damit lag er mit dem BLHV auf einer Linie.  Von einer „zunehmenden Säulenvermischung” hält er nichts. „Das ist das Bürokratisierungsinstrument schlechthin”, betonte der Oberschwabe mit Herkunft aus einem kleinen Milchviehbetrieb.
Ebenso auf Linie mit dem BLHV ist Lins bei der Frage der weiteren Besserstellung der ersten Hektare bei den Direktzahlungen. Lins sprach sich dabei als Grenze für den Faktor 1,5 ausgehend von der durchschnittlichen Betriebsgröße in Deutschland aus. Somit käme er auf die ersten 93 Hektare, die besser gefördert werden.  „Da würden wir mitmachen”, pflichtete ihm BLHV-Präsident Werner Räpple spontan bei. „Wir müssen die kleineren und mittleren Betriebe stärken”, betonte Räpple. Deshalb sei es auch nicht zielführend, wenn eingesparte Mittel im jeweiligen Bundesland verblieben, sollte es zu einer Kappung bei den Direktzahlungen kommen.
Lins und Räpple appellierten abschließend beide an die versammelten Bäuerinnen und Bauern, bei der Europawahl „pro-europäisch” zu wählen. „Diese Europawahl ist keine Nebenwahl, sondern eine Schicksalswahl”, betonte der Europaabgeordnete.
„Wir brauchen einfache, praktikable Lösungen”
Diskussionsrunde mit grenzüberschreitender Beteiligung bei der Landesversammlung des BLHV in Freiburg.
Die europäische Agrarpolitik muss für die bäuerliche Praxis einfacher handhabbar werden: Dies war ein Fazit einer moderierten Diskussionsrunde mit grenzüberschreitender Beteiligung bei der Landesversammlung des BLHV in Freiburg. Die Teilnehmer diskutierten untereinander und beantworteten Fragen aus dem Publikum. An der Diskussion nahmen teil (im Bild von links): Dennis Nass, 1. Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Elsass; Heike Hespe, Leiterin Referat „Agrarpolitik, Europaangelegenheiten” am Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR); Norbert Lins, Europaabgeordneter (EVP-Fraktion); BLHV-Präsident Werner Räpple. Moderiert wurde die Runde von BLHV-Pressesprecher Padraig Elsner. „Wir müssen raus aus dem Verwaltungsdenken und rein in praktikable Lösungen”, beschwor Werner Räpple die Entscheider in Politik und Verwaltung vor dem Hintergrund, dass vielen Bauern mittlerweile die Last der Bürokratie mehr zu schaffen macht  als die Sorge um das Einkommen. Dennis Nass aus dem Elsass pflichtete ihm bei: „Wir haben das gleiche Bürokratie- und Kontrollproblem. Das ist für Bauern nur noch schwer zu durchschauen.” Allerdings müssen die französischen Bauern seinen Angaben zufolge keine quadratmetergenauen Flächennachweise führen. „Wenn wir das bei uns einführen würden, bin ich der Überzeugung, dass in der Landwirtschaft eine Revolution ausbrechen würde.” Der Beifall in der Halle folgte nach dieser Bemerkung des Vetreters der elsässischen Landwirtschaftskammer prompt. Angesichts der bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament waren sich alle Diskussionsteilnehmer auf der Bühne einig in der Einschätzung der Wichtigkeit einer funktionierenden Europäischen Union: Europa müsse angesichts der weltweiten Herausforderungen stärker werden. Es gelte zu verhindern, dass es geschwächt wird.
„Die Segel richtig setzen”
Grußworte: Rosa Karcher ...
Rosa Karcher, Präsidentin des Landfrauenverbandes Südbaden, ging in ihrem Grußwort auf die Ergebnisse der Studie über Frauen in der Landwirtschaft in Baden-Württemberg ein. Daraus sei unter  anderen Erkenntnissen  auch ein verbreiteter Zukunftspessimismus herauszulesen. „Das sind Tatsachen, die ich bedauerlich finde, und hier muss die Politik ansetzen”, forderte die Landfrauenpräsidentin. Den Bauernfamilien die  Bürokratielast zu erleichtern, gehört für sie zu den Lösungswegen. „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel richtig setzen”, gab sie als Motto der Bildungsarbeit der Landfrauen aus.
Martin Hahn, Landtagsabgeordneter der Grünen, bekannte  ohne Umschweife, dass er die Stimmung auf den Höfen noch nie so schlecht erlebt habe wie zurzeit. Fehlende Klarheit sei ein großes Problem, so Hahn, der dabei auf die Politik auf Bundesebene verwies.
... und Martin Hahn
Für die künftige Gemeinsame Agrarpolitik der EU wünschte er sich ausreichend regionale Handlungsspielräume.
Höchste Auszeichnung des BLHV für Franz Käppeler und Karl Silberer
Ehrung in würdigem Rahmen (von links): BLHV-Hauptgeschäftsführer Benjamin Fiebig, Elke Silberer, Karl Silberer, Lucia Käppeler, Franz Käppeler, BLHV-Präsident Werner Räpple
Franz Käppeler und Karl Silberer, langjährige ehemalige Vizepräsidenten des BLHV, wurden anlässlich der Landesversammlung des BLHV mit der Lambert-Schill-Medaille ausgezeichnet. Die Auszeichnung in Erinnerung an den Gründungspräsidenten des BLHV ist die höchste, die der Verband zu vergeben hat. Maximal sieben lebende Persönlichkeiten dürfen sie tragen.
BLHV-Präsident Werner Räpple würdigte beide langjährige Mitstreiter „als Kollegen und Partner mit hoher Fachkompetenz, Verantwortungsbereitschaft, Leidenschaft für die Sache und Verlässlichkeit”. Franz Käppeler und Karl Silberer wurden für ihr hohes berufsständisches Engagement über viele Jahre an führender Position bereits vor einigen Jahren noch in der aktiven Zeit mit dem Grünen Band in Gold ausgezeichnet. Jetzt, kurz nach ihrem altersbedingten Ausscheiden aus Vorstand und Präsidium, wurden sie mit der seltenen und höchsten Auszeichnung des BLHV geehrt.
Franz Käppeler aus Stockach-Seelfingen, Viehzüchter aus Leidenschaft und bekannt für klare, deutliche Worte, so Werner Räpple in seiner Laudatio, fungierte seit 2003 als Vizepräsident des BLHV. 2015 wurde er dessen 1. Vizepräsident. Bereits seit 1998 war Käppeler zudem Vorsitzender des BLHV-Kreisverbandes Stockach. Der Geehrte leitete im BLHV  zuletzt auch die Fachausschüsse  Sozialpolitik, Milch und Rindfleisch.  In bäuerlich geprägten Fachorganisationen außerhalb des BLHV war und ist Käppeler ebenfalls berufsständisch aktiv. Vom Land wurde Franz Käppeler 2018 mit der Staatsmedaille in Gold ausgezeichnet.
Ein großes Anliegen ist Franz Käppeler  der Berufsnachwuchs.  Dabei geht es ihm sowohl um fachliche Qualifikation als auch um die Entwicklung der Persönlichkeit. Er billigt  der Jugend ein natürliches Recht zum Aufbegehren zu und fordert es geradezu ein. „Seid progressiv, haut mal auf den Putz. Ruhiger werdet ihr von selber”, sagte Käppeler nach seiner Ehrung im Interview mit BLHV-Pressesprecher Padraig Elsner auf der Bühne.
Bei Karl Silberer aus dem Friesenheimer Ortsteil Schuttern begann das berufsständische Engagement 1982 als Ortsvereinsvorsitzender des BLHV. Es folgten der Kreisvorstand Lahr und dessen Vorsitz ab 1994. 1998 rückte Karl Silberer in den BLHV-Vorstand auf; 2003 wurde er zum Vizepräsidenten des BLHV gewählt. Silberers große Leidenschaft gilt dem Ackerbau, ganz besonders dem Mais. Auch er  engagierte sich in mehreren BLHV-Fachausschüssen und trug  in verwandten Organisationen Verantwortung, so  im Betriebshilfsdienst und beim Trägerverein „Familie und Betrieb”. BLHV-Präsident Werner Räpple hob in seiner Laudatio neben den fachlichen Qualitäten Silberers auf seine „angenehme Art, mit dem Blick für das Gesamte” ab.
Der Geehrte selbst wandte sich im Anschluss an jüngere Berufskollegen, um für ehrenamtliches Engagement zu werben: „Wir werden immer weniger und müssen immer stärker zusammenhalten.”
In Abwesenheit sprach BLHV-Präsident Werner Räpple zum Abschluss auch Stefan Leichenauer für sein Engagement im BLHV-Vorstand und in der Fachausschussarbeit  Dank und Anerkennung aus. Leichenauer schied jüngst aus privaten Gründen und auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand aus. Räpple äußerte Verständnis für diese Auszeit und gab sich zuversichtlich, „dass er bald mit Tatkraft zurückkehrt”.