Tierhaltung | 04. April 2014

Ideen für die Mutterkuhhaltung

Von Hans-Martin Schwarz
Wie können kleine Mutterkuhhalter ihre Betriebe erfolgreich in die Zukunft führen? Auf einem zweitägigen Seminar des Landwirtschaftsamtes im Schwarzwald-Baar-Kreis wurden Antworten auf diese Frage gefunden.
25 Betriebsleiter, zum großen Teil aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis, aber auch aus den Nachbarkreisen nahmen  teil.  Armin Bücheler vom Sachgebiet Tierhaltung referierte über das  Herdenmanagement.  Da laut einer Schweizer Erhebung 55 % der Arbeitszeit   für Fütterung und Entmistung benötigt werden, sind hier die größten Einsparpotenziale zu finden. Die Streuung der benötigten Arbeitsstunden pro Mutterkuh und Jahr liegt laut dem  baden-württembergischen  Mutterkuhreport zwischen 25 und 90 Stunden.  Da es sich häufig um Betriebe handelt, in denen der außerlandwirtschaftliche Beruf viel Arbeitszeit bindet, ist eine effektive  Arbeitsorganisation besonders wichtig. Wird Direktvermarktung  betrieben, steigt die Arbeitsbelastung um weitere  2,2 bis  10 Stunden pro Tier an.
Weide klar vorteilhafter
Bei den Fütterungsverfahren erweist sich die Weide  klar als günstigste Variante mit den geringsten Vollkosten. Bei Heu betragen diese Kosten mehr als das Doppelte und bei Silage knapp das Zweifache. Nach dem Absetzen der Kälber nimmt die Gefahr der Verfettung bei den Kühen zu.   Daher sollten grundsätzlich trockenstehende Kühe getrennt gehalten werden.   Die Ration sollte  4,6 bis 5,2 MJ NEL/kg enthalten, dies entspricht einem strukturreichen Heu. Zwei bis drei Wochen vor dem Abkalben  soll die Energiezufuhr wieder gesteigert werden. Zu Beginn der Laktation soll noch verhaltener gefüttert werden, da die Milchaufnahme des Kalbes noch begrenzt ist.
Eine Trennung der Kälber nach Geschlecht ist ab einem Alter von sechs Monaten vorzunehmen. Die Milch stellt für die Kälber das beste und günstigste Kraftfutter dar. Gibt die Mutterkuh zu wenig Milch, muss im Kälberschlupf zugefüttert werden. Sechs bis acht Wochen vor dem Absetzen sollte  mit Kraftfutter oder gutem Grundfutter zugefüttert werden. 
Anhand der Netto-Rentabilitätsrechnung machte  Hans-Martin Schwarz  vom Sachgebiet Betriebswirtschaft deutlich, wie schwer es ist, eine angemessene Stundenentlohnung zu erreichen. Bei den Beispielen betrug die Entlohnung nach Abzug des Pachtansatzes für die Eigenflächen und einer Verzinsung für das  Eigenkapital zwischen 1,58  Euro/h und 9,81 Euro/h.
Die Gefahr, dass mit außerlandwirtschaftlichen Einkommen der landwirtschaftliche Betrieb teilfinanziert wird, wurde diskutiert. Es ging aber dem Referenten keineswegs darum, die Mutterkuhhaltung schlecht zu reden, sondern schlicht um die ergebnisoffene Analyse der betrieblichen Daten.
Auch die Möglichkeiten einer Investition in Laufställe wurden thematisiert. Dabei wurde auch auf die Investitionsförderung nach dem neuen AFP-Programm eingegangen. Da es sich überwiegend um Weidebetriebe handelt, ist grundsätzlich ein Zuschuss von 30 % als Basis- und Premiumförderung aus den Netto-Baukosten möglich. Festmistplatten, Fahrsilos, Güllebehälter und Hofbefestigungen können mit  20 %  bezuschusst werden.
Fördervoraussetzungen sind eine positive Eigenkapitalbildung, die meist gewährleistet ist.  Aber eben auch eine wenigstens geringe Rentabilität, die  viel schwerer zu erreichen ist. Daher wurden  Möglichkeiten der Vermarktung über Markenfleischprogramme oder Direktvermarktung angesprochen.  Der damit verbundene zeitliche Zusatzaufwand muss allerdings auch bewältigt werden können. Beispiele der Deckungsbeitragsrechnung verbunden mit der Festkostenbelastung durch Stall- und Maschinenkosten sowie Finanzierungsmodelle für den Neu- oder Umbau von Ställen wurden erläutert.   Die Bandbreite der vorgestellten Beispiele reichte von  stroharmen Verfahren mit Einzel-Liegebuchten und Schieber- oder Spaltenentmistung bis hin zum klassischen Einraum-Tiefstreustall. 
Nur mit schlüssigen Konzepten
Schwarz betonte, dass im Schwarzwald-Baar-Kreis pro Jahr zwei bis drei Mutterkuhställe gefördert würden. Dies sei allerdings nur möglich, wenn schlüssige Konzepte erarbeitet würden. Es sei ihm  wichtig, dass auch die kleineren Betriebe etwas vom Förderkuchen abbekommen.
Edith Kirner, Beraterin für Ernährung und Direktvermarktung, erläuterte die rechtlichen Vorgaben für die Direktvermarktung.  Während die erste Verarbeitungsstufe in Hälften und Vierteln zu den landwirtschaftlichen Einkünften zählt, gibt es bei der zweiten Verarbeitungsstufe in Teilstücke und Wurst Umsatzgrenzen, ab denen man gewerblich wird.
 Sie plädierte dafür, bei Einrichtungen von Hofläden, Schlacht- und Verarbeitungsräumen zeitig das Veterinäramt einzubinden, damit bauliche Fehler  vermieden werden.  Grundsätzlich könne  durch die Direktvermarktung  die Wirtschaftlichkeit verbessert werden.  Allerdings seien die Kosten für Abschreibungen bei eigenen Schlacht- und Vermarktungsstrukturen, Material- und Marketingkosten und der Aufwand für eventuell anfallende Fremdlöhne nicht zu unterschätzen.
  Auch Kühlung und  die Fleischreifung seien bedeutend:  Das Fleisch gewinnt  erst nach 14 Tagen Reifung  entscheidend an Zartheit. Gerade, wenn mit der Qualität geworben werde, dürfe die  Reifung keinesfalls vernachlässigt werden.    
Metzgermeister und Landwirt Richard Schwer (Zweiter von links) erklärt den Besuchern seine Schlacht- und Verarbeitungsräumlichkeiten. Alle Schlachttiere werden direkt an Endkunden vermarktet.

Die Exkursion am zweiten Tag startete beim  Mittelgfellhof  von Familie Schwer in Triberg-Gremmelsbach. Neben 11 ha Ackerbau  werden Grünland und Wald bewirtschaftet.  65 Mastschweine, die für die Direktvermarktung schon mal 150 kg Schlachtgewicht auf die Waage bringen,  und 20 Kühe mit kompletter  Nachzucht werden gehalten.  Die Rinder und Bullen werden ausgemästet und wie die Schweine im eigenen Betrieb geschlachtet und vermarktet.
2005 und 2006 hat Familie Schwer den  Anbindestall zum Laufstall umgebaut, die Schweinehaltung ebenso mit Auslauf im Freien. Alle Tiere  des Hofes gehen in die Direktvermarktung, entweder als Rinderhälften,  Viertel oder in 10-kg-Paketen.
Hohe Festkosten
Die Auslastung des Schlachtbetriebs und der Verarbeitungsräume ist nicht ganz einfach zu erreichen, es müssen genügend Schlachtungen erreicht werden, um die hohen Festkosten abzudecken. Es sind anspruchsvolle rechtliche Anforderungen einzuhalten, deren Erfüllung  die Investition teurer macht.
 Auch  Wurstarten und Speck werden  hergestellt. Überwiegend läuft der Verkauf ab Hof. Bei saisonalen Märkten, etwa über die Naturpark-Schiene, ist Familie Schwer aber auch dabei. Dank der Direktvermarktung kann der Betrieb  im Haupterwerb wirtschaften.
Bei  Familie Dorer, ebenso in Triberg-Gremmelsbach, konnte ein Anbau als Tretmiststall an den bestehenden Laufstall besichtigt werden. Gleichzeitig wurde  darüber liegender Bergeraum gewonnen. Es war ein gutes Beispiel, wie ein  Stall durch einen Anbau mit Hubfenstern und viel umbauten Raum an Licht und Luft gewinnt. Ein Laufhof schließt sich an. Insgesamt können 15 Vorderwälder-Mutterkühe mit Nachzucht gehalten werden. Ein oben eingerichteter Kälberschlupf wird  sehr gut  angenommen.  Der Anbau dient der tiergerechteren Haltung, einer verbesserten Arbeitswirtschaft sowie der Einsparung von Stroh als Einstreu, da die Tiere nun mehr Platz zur Verfügung haben. Außerdem kann die komplette  Nachzucht nun auch ausgemästet werden. Die Rinder, die in diesem Nebenerwerbsbetrieb erzeugt werden,  werden  über  Viehhändler vermarktet, da für  Direktvermarktung die Zeit fehlt.
 
Im Eigenbau
Helmut Haas vom Märtishof aus St. Georgen-Sommerau (links) erläuterte sein Weidemanagement mit Kurzrasenweide und ständigem Zugang zum Stall und Laufhof.
Auf dem Märtishof von Inge und Helmut Haas in St. Georgen  werden im Eindachhof elf Vorderwälder-Mutterkühe mit Nachzucht gehalten. Es handelt sich um einen umgebauten ehemaligen Milchvieh-Anbindestall, der mit Einzelliegeboxen und Spaltenboden als Fressgang mit Laufhof und Kälberschlupf auf der gegenüberliegenden Seite versehen wurde.  Die Einzelliegeboxen wurden im Eigenbau gefertigt. Die Kälber des Bio-Betriebs gelangen über den Laufhof in den Kälberschlupf. Die Kühe haben soweit möglich stets Zugang zur Weide, der Laufhof ist ganzjährig stets nutzbar für alle Rinder.
 Familie Haas kommt sehr gut mit der Rasse Vorderwälder zurecht, da bei Weidehaltung ohne jeglichen Kraftfutterzusatz   recht gute Milchleistungen erreicht werden. Außerdem legt der Betriebsleiter sehr großen Wert auf die Herdentrennung. Es wird ein fleischbetonter Vorderwälder-Bulle im Betrieb eingesetzt. Familie Haas betreibt seit vielen Jahren Direktvermarktung mit einer  Stammkundschaft. Haas bewirtschaftet seine Grünlandflächen als Kurzrasenweide. Sobald die Grasspitzen grün werden, wird die gesamte Fläche überweidet.
Auf dem Betrieb der  Familien Rapp und Romer in Eschbronn-Locherhof führte Tierhaltungs- und Grünlandberaterin Martina Ziegler in das Thema ein. Dort werden 32 Limousin-Mutterkühe gehalten, die in zwei Herden, einem kostengünstigen Offenfrontstall und einem geschlossenen Stall im Altgebäude mit Laufhof,   gehalten werden.
 Die Herdentrennung findet  bereits im Sommer auf der Weide statt. Das Fleisch wird direkt an die Endkunden in Vierteln vermarktet. Die Kunden, denen diese Mengen zu groß sind, schließen sich zusammen.  Es handelt sich um einen Bio-Betrieb, der  viel Wert auf tiergerechte und naturnahe Haltung legt. Die Kunden  bekommen die Kühe auf dem Laufhof und im Offenfrontstall ständig zu sehen. Geschlachtet wird außerhalb des Hofes in einem Schlachtbetrieb, wo die Kunden dann auch ihr Fleisch abholen.  
Die  Mitarbeiter des Landwirtschaftsamtes sind sich sicher, durch das  Seminar manchen Impuls vermittelt zu haben.  Gerade im Schwarzwald habe die Mutterkuhhaltung ihren festen Platz.  Für aufgebende Milchviehbetriebe könne eine durchdacht konzipierte Mutterkuhhaltung zu einer Alternative werden