Das gibt es nur in der Schlachtbranche – ein fünftes Viertel vom Ganzen. 2,6 Millionen Tonnen Knochen, Haut und Innereien fallen hierzulande jährlich an. Deren besserer Verwertung war das Marktforum der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft gewidmet.
Professorin Dagmar Brüggemann leitet das Institut für Sicherheit und Qualität bei Fleisch am Max-Rubner-Institut in Kulmbach. Sie wies bei der Veranstaltung in Grub darauf hin, dass der Hauterlös bei Fleckvieh 8 % des Wertes eines Bullen ausmachen könne, bei einem Schwarzbunt-Bullen gut 6 %. Die Enthäutung beanspruche etwa die Hälfte der Zeit bei der Schlachtung. Auch Schweinehaut ließe sich zu Leder verarbeiten, woraus Gürtel und Handschuhe hergestellt werden könnten. Aus Schweineherzklappen könnten Herzklappen für Menschen hergestellt werden, aus Drüsengewebe Medikamente und aus Knochen Collagen, ein Protein, das am Aufbau von Bindegewebe beteiligt und deshalb auch Bestandteil von Hautcremes ist.
Stierhoden lassen sich fritieren und grillen und werden
in vielen Ländern Asiens als Delikatesse geschätzt.
Michael Hackner, Geschäftsführer der CDS Hackner GmbH in Crailsheim, wies darauf hin, dass Schlachtnebenprodukte vielseitig verwendet werden könnten. „Afrika, Asien und Teile Südamerikas sind unsere Zukunftsmärkte”, sagte er und zeigte Innereien, die Nordeuropäer als eklig empfinden, welche aber in anderen Regionen der Welt Delikatessen sind. In China gibt es frittierte Stierhoden. Sie sind dort bei Männern wegen ihrer angeblich potenzsteigernden Wirkung beliebt. Japaner essen mit Vorliebe die Gebärmutter von Schweinen – roh! Separatorenfleisch ist in Asien als Soßenbindemittel beliebt. Die Luftröhre von Rindern wird mit Hackfleisch gefüllt und gekocht – auch das essen Asiaten mit großem Appetit.
Die Griechen lieben Kälberfüße. „Diese müssen aber aufwendig nass rasiert werden, bevor sie nach Griechenland exportiert werden können”, sagte Hackner. „In der Schweiz wird die Schweineblase mit Sellerie oder grünem Spargel gefüllt oder Huhn in ihr gar gekocht.”
Wissen ist verlorgen gegangen
Otmar Mutzenbach, Geschäftsführer im Schneider Bräuhaus in München, berichtete von seinen Bemühungen, Gerichte mit Innereien anzubieten, zum Beispiel Kalbsherz, rosa gebacken, gebackenes Kalbsbries mit Semmelknödel-Carpaccio, Lammnieren flambiert und abgebräunte Kalbsfüße. Etwa 10 % der angebotenen Speisen kämen aus dem fünften Viertel. Er bedauerte, dass viele seiner Kollegen sich nicht trauen würden, Neues auszuprobieren. „Wo sind die Chickenwings aus Leber oder Niere?”, fragte er.
Außerdem bedauerte er, dass viel Wissen um die Zubereitung von Innereien verloren gegangen sei. In seiner Küche würden Knochen samt Mark, die Knorpelmasse von Kopf und Kälberfüßen, Schwarten, Ohren und Rüssel verarbeitet.
Das Fazit von Mutzenbach: Das „fünfte Viertel” ist reine Kopfsache, selten eine Geschmacksfrage.
Egbert Klokkers, Geschäftsführer der Tönnies Rind GmbH & Co. KG in Rheda-Wiedenbrück, betonte, dass die Verarbeitung von Schlachtnebenprodukten eine immer wichtigere Rolle spiele, um die Wertschöpfung zu steigern. Dabei gelte es eine Reihe gesetzlicher Vorgaben zu berücksichtigen, zum Beispiel die Kategorisierung tierischer Nebenprodukte. Solche mit hohem Risiko wie das Stammhirn inklusive Schädelknochen und Rückenmark oder Teile des Darmpaketes müssten in speziell dafür zugelassene Betriebe entsorgt werden.
Nebenprodukte der Katego-rie 2, zum Beispiel Pansenmist und Darminhalte, könnten über zugelassene Biogasanlagen entsorgt werden. Aufgrund der Düngeverordnung hätten sich die Kosten dafür nahezu verdoppelt. Schlachtnebenprodukte der Kategorie 3 sind Teile von genusstauglichen Tieren, beispielsweise Darmfette und das Stichfleisch, und werden aus wirtschaftlichen Gründen überwiegend zu Tiernahrung verarbeitet. Für werthaltige Produkte, beispielsweise das Bries von Kälbern, könne man 17 Euro/kg erzielen, mit Pansen, Blätter- und Labmägen 6 Euro/kg.
Bio-Leder
Auch für die Herstellung von Möbeln werde immer weniger Leder verwendet, ebenfalls verbunden mit deutlich spürbarem Preisverfall. Besser sei die Nachfrage aus der Autoindustrie. Auch Ledertaschen würden zu den Luxusgütern zählen, verbunden mit steigenden Absatzmöglichkeiten. Bedauerlicherweise sinke aber die Nachfrage im Modebereich.
Gronegger nannte eine Reihe von Argumenten dafür, wie Leder wieder attraktiver vermarktet werden könnte. Aus ethischen Gründen dürfe die Haut kein verschwendeter Rohstoff werden. Leder sei langlebig und kompostierbar. Er regte an, Häute von Biorindern biogegerbt als Bioleder zu vermarkten.