Politik | 24. August 2017

„Ich bin gegen eine Ausschließeritis”

Von AgE
Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk fordert von der künftigen EU-Agrarpolitik, dass die Mittel auf kleinere und mittlere Betriebe konzentriert werden. Im Interview mit Agra-Europe, Presse- und Informationsdienst für Agrarpolitik, tritt er für eine betriebliche Kappungsgrenze ein.
„Ich hoffe darauf, dass die Pragmatiker letztlich die Oberhand behalten werden, wenn der Wahlkampf erst einmal vorbei ist”: Peter Hauk zu Kritik aus den Reihen der Bundes-Grünen an der Landwirtschaft.
War es das mit Schwarz-Grün im Bund?
Wie kommen Sie darauf?
 
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hat das Wahlprogramm der Grünen als „Manifest gegen eine Regierungsbeteiligung” kritisiert, unter anderem wegen des angekündigten „Ausstiegs aus der Massentierhaltung”. Teilen Sie seine Auffassung?

Ich bin gegen eine Ausschließeritis. Die Union hat eine klare Haltung: Wir koalieren nicht mit der Linken und nicht mit der AfD. Gegenüber allen anderen sind wir offen. Die Programme der Parteien vor der Wahl sind das eine, die Suche nach inhaltlichen Übereinstimmungen nach der Wahl ist das andere.
„Grün und Schwarz geht”
Sie sind seit gut einem Jahr CDU-Landwirtschaftsminister in einer grün-schwarzen Landesregierung. Geht Grün und Schwarz in der Agrarpolitik?

Ja, das geht. Wir verständigen uns, manchmal zwar nur auf einen kleinen gemeinsamen Nenner, manchmal aber auch auf einen größeren. Das ist wie in einer guten Ehe, man muss ständig miteinander kommunizieren. Reden, überzeugen und bereit sein zu Kompromissen – das ist die wichtigste Voraussetzung für eine funktionierende Zusammenarbeit. Wir beherzigen das.

Bietet eine schwarz-grüne Regierungszusammenarbeit die Chance, die Auseinandersetzung über Landwirtschaft zu versachlichen?

Das hängt davon ab, ob die Grünen der Versuchung widerstehen können, ideologische Politik machen zu wollen. Bei uns ist das der Fall. Im Bund bin ich mir nicht sicher. Wenn sie widerstehen können, kann die Landwirtschaft davon profitieren.

Beide Seiten, sowohl die Union als auch die Grünen, beanspruchen in einer künftigen Bundesregierung das Bundeslandwirtschaftsministerium. Wie haben Sie es in Baden-Württemberg geschafft, als kleinerer Partner das Agrarministerium zu bekommen?

Wir haben klar unsere Ansprüche formuliert und gut verhandelt. Ich halte das im Übrigen für ein ganz wichtiges Signal in die Reihen der Landwirtschaft und in die ländlichen Räume, in denen wir traditionell stark sind: Die CDU überlässt das Landwirtschaftsministerium nicht automatisch den Grünen, sondern kämpft um dieses Ressort. Das empfehle ich auch meinen Unionskollegen im Bund und insbesondere meiner Partei.

Sie haben umfassende politische Erfahrung, waren Landwirtschaftsminister einer schwarz-gelben Landesregierung, jetzt sind Sie es in einer grün-schwarzen Regierung. Mit wem geht’s besser?

 Es gab zwischen Schwarz und Gelb eine größere Übereinstimmung, wenn es um die Betrachtung von Landwirtschaft als Wirtschaftssektor ging. Aber das geht auch mit den Grünen. Wir sind uns einig, dass Landwirtschaft Wertschätzung braucht, weil sie für die Pflege der Kulturlandschaft und unsere Dörfer unverzichtbar ist. Wir wollen der Landwirtschaft dabei helfen, den kaufkräftigen Markt vor unserer Haustür zu bedienen und eine möglichst hohe Wertschöpfung daraus zu erzielen. Die baden-württembergische Landwirtschaft ist nicht so aufgestellt, dass sie im Export ihren Erfolg suchen müsste. Stattdessen kümmern wir uns in erster Linie um den regionalen Markt. Wir haben eine deutliche Kurskorrektur in der Landesagrarpolitik vorgenommen.
„Wir tun’s halt”
Worin besteht die, wo doch Ähnliches auch von Ihrem grünen Vorgänger zu vernehmen war?
Wir tun’s halt. Wir setzen nicht nur auf den Biosektor. Entscheidend ist für mich nicht Bio oder konventionell. Die Produkte müssen authentisch und wiedererkennbar sein. Das ist die wichtigste Voraussetzung, um mit regionalen Konzepten erfolgreich zu sein. Darauf haben wir die Förderung ausgerichtet. Das bietet obendrein die Chance, viele Landwirte mitzunehmen, nicht nur eine kleine Minderheit.

Sehen Sie Übereinstimmung in den inhaltlichen Zielen von Union und Grünen in Bezug auf die Tierhaltung?

 Die vom linken Flügel der Grünen betriebene Antistimmung gegen landwirtschaftliche Tierhaltung und die Verwendung von Kampfbegriffen wie „Massentierhaltung” ist selbstverständlich für uns unter keinen Umständen akzeptabel. Wenn wir schon von „Massentierhaltung” reden, sollten wir genauer hinschauen: Im Südwesten und Süden gibt es die nicht, in Ländern wie Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, in denen die Grünen länger mitregieren oder regiert haben, hingegen sehr wohl. Wir wollen eine Tierhaltung, die in vernünftiger Relation zur Fläche steht. Das ist unser Maßstab, auf dessen Grundlage wir über eine zukunftsfähige Tierhaltung reden.

Die aus den Reihen der Grünen erhobene Kritik an der „Massentierhaltung” klingt im Wahlkampf besonders schrill. Wie ist da eine Verständigung möglich?

Ich hoffe darauf, dass die Pragmatiker letztlich die Oberhand behalten werden, wenn der Wahlkampf erst einmal vorbei ist. Wer auf eine Auflagenpolitik in der Tierhaltung setzt, fährt ein Großagrarierprogramm und macht unseren kleinen und mittleren Betrieben vor allem im Südwesten und Süden den Garaus. Dieser einfache Zusammenhang müsste sich allmählich auch in den anderen Parteien rumgesprochen haben, auch wenn manche Äußerungen das nicht vermuten lassen.

Ein anderes Reizthema ist  chemischer Pflanzenschutz. Wie sieht  da der gemeinsame Nenner aus?

Ich nehme bei diesem Thema in den Reihen der Grünen einen Hang zu unberechtigten und längst überholten Pauschalangriffen wahr. Man nimmt vielfach nicht zur Kenntnis, dass moderner Pflanzenschutz längst nicht mehr die Chemiekeule ist, sondern dazu beiträgt, Pflanzen selektiv und effizient zu schützen. Da muss man immer wieder argumentieren und gegenhalten.  Politik besteht auch darin, nicht permanent Grundsatzdiskussionen zu führen, sondern sich am Machbaren zu orientieren und dabei auch Zuständigkeiten anzuerkennen. Beispielsweise bin ich für eine weitere Zulassung von Glyphosat. Ich muss darüber aber nicht täglich mit dem Koalitionspartner diskutieren, weil die Entscheidung nicht in Stuttgart oder Berlin, sondern in Brüssel getroffen wird.

In der Diskussion um eine höhere Umschichtung von der Ersten in die Zweite Säule haben Sie für eine Anhebung des bisherigen Satzes von 4,5  auf 6 Prozent noch in der laufenden Förderperiode plädiert. War das Koalitionszwängen geschuldet oder inhaltlich begründet?

Wir haben darüber innerhalb der Koalition intensiv beraten und uns letztlich für eine moderate Erhöhung ausgesprochen. Die hätte ich aber auch inhaltlich für richtig befunden. Voraussetzung für eine Mittelaufstockung der Zweiten Säule müsste aber sein, dass die Gelder zum einen landwirtschaftsnah eingesetzt werden und zum anderen vorrangig Betrieben in Mittelgebirgslagen zugute kommen. Dass die Union auf Bundesebene dem nicht gefolgt ist, bedauere ich sehr. Das war aus meiner Sicht keine angemessene Reaktion.

Ist das für Sie der Weg für eine GAP-Reform nach 2020?

Bei aller Unsicherheit über die künftige Mittelausstattung müssen wir nach meiner Überzeugung einen stärkeren Ausgleich für die von den Betrieben erbrachten Umweltleistungen herbeiführen. Andernfalls wird es kaum möglich sein, Landwirtschaft in Mittelgebirgslagen zu halten. Wenn dies über mehr Mittel für die Zweite Säule erreicht werden kann, sollten wir diese Chancen nutzen.

Das Geld für die Gemeinsame Agrarpolitik wird künftig aller Voraussicht nach weniger werden. Wo sollte Ihrer Auffassung nach gespart werden?
 
Wenn wir bei knapperen Kassen in Zukunft Landwirtschaft vernünftig fördern wollen, müssen wir die zur Verfügung stehenden Mittel zielorientierter einsetzen. Für mich heißt das auch, dass wir das Geld auf kleine und mittlere Betriebe konzentrieren müssen. Ich bin dafür, die stärkere Förderung der ersten Hektare weiter auszubauen, und zwar bis zur durchschnittlichen Flächenausstattung von derzeit rund 70 Hektar in Deutschland. Großbetriebe haben nun einmal Kostenvorteile. Das sollte sich in der Förderung niederschlagen.
Sind Sie zusätzlich für eine Kappung der Direktzahlungen?
 
Ja.
„Nicht weiter unbegrenzt fördern”
Peter Hauk tritt bei der künftigen EU-Agrarförderung dafür ein, dass die ersten Hektare stärker gefördert werden und die betriebliche Förderung ab einer bestimmten Höhe gekappt wird.
Bei welchem Betrag?
 
Darüber wird zu verhandeln sein. Ich stelle fest, dass beispielsweise Irland eine Grenze bei 150000 Euro eingeführt hat. Ich halte diese Größenordnung auch bei uns für diskussionswürdig. Wir können bei begrenzten Mitteln nicht weiter unbegrenzt fördern. Für mich ist dieser Zusammenhang eindeutig.

Mit den Grünen könnten Sie in dieser Frage möglicherweise schneller einig werden als mit den eigenen Parteifreunden. Haben Sie mit Ihrem sächsischen Amtskollegen schon mal über das Thema Kappung gesprochen?
 
Es ist kein Geheimnis, dass es auch innerhalb der CDU unterschiedliche Sichtweisen in dieser Frage gibt. Die Kunst wird sein, eine Kompromisslinie zu finden. Das ist übrigens eine Erfahrung in unserer Koalition: Niemand kann mit dem Kopf durch die Wand. Stattdessen muss es darum gehen, gemeinsame Positionen zu entwickeln. Das wird uns auch im Hinblick auf die Direktzahlungen gelingen.

Ihr Ministerium ist für ländliche Entwicklung zuständig. Die CDU will ein solches Ministerium auf Bundesebene einrichten. Sehen Sie sich bestätigt?

Auf Landesebene macht ein solches Ministerium Sinn, weil wir auch die unmittelbare Zuständigkeit für die Kommunen haben und natürlich damit im kommunalen Finanzausgleich und durch Programme des Landes mit den Kommunen gemeinsam einiges tun können. Der Bund hat dafür keine Zuständigkeit. Deshalb bezweifle ich, dass ein Bundesministerium für ländliche Räume ohne die entsprechenden Zuständigkeiten Sinn machen würde. Viel wichtiger wäre aus meiner Sicht eine intensivere Abstimmung der Politik für die ländlichen Räume auf Bundesebene.

Die bisherige Koordinierung halten Sie für nicht erfolgreich?

Ich denke, da ist noch einiges zu tun, um eine kohärente Politik für ländliche Räume zu betreiben.

Die Bundesregierung möchte die Mittel für die ländliche Entwicklung stärker auf strukturschwache Regionen konzentrieren. Wird Baden-Württemberg zum Verlierer einer solchen Politik?

Ich halte einen solchen Ansatz, wie er von der EU bereits verfolgt wird, für riskant. Man hilft nicht den Schwachen, indem man die Starken schwächt. Schauen Sie auf den enormen Innovationsbedarf, den wir in Baden-Württemberg haben. Hier bleibt der Staat gefordert, um die Regionen leistungsfähig zu halten.

Die Öffnung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) über die Landwirtschaft hinaus ist nur zum Teil gelungen. Sollte es dazu einen neuen Anlauf geben?
 
Ich bin da zurückhaltend. Zum einen sehe ich nicht die Notwendigkeit, dem Bund mehr Kompetenzen in der ländlichen Entwicklung zu übertragen. Zum anderen sollte der Schwerpunkt der GAK auch künftig auf der Landwirtschaft liegen.
„Mit heißer Nadel gestrickt”
Der Bundesrat wird am 22. September über die Stoffstrombilanzverordnung entscheiden. Teilen Sie die Kritik der grünen Länderagrarminister an der Vorlage des Bundes?
 
Ich habe den Eindruck, dass die Verordnung mit heißer Nadel gestrickt wurde. Mich stört vor allem, dass alle Länder unabhängig von der jeweiligen Problemlage über einen Kamm geschoren werden und es keinerlei Spielraum für abweichende Regelungen gibt. Baden-Württemberg betreibt seit 40 Jahren eine erfolgreiche Wasserschutz- und Düngepolitik. Warum also sollen für unsere Landwirte die gleichen Anforderungen hinsichtlich einer Bilanzierung der Nährstoffzu- und -abgänge gelten wie in Niedersachsen? Ich kann daher dem Bund nur raten, im Vorfeld der Bundesratssitzung noch einmal das Gespräch mit den Ländern zu suchen. Sonst schließe ich nicht aus, dass die Verordnung an die Wand fährt und es einen neuen Anlauf geben muss.