„Ich bin gegen eine Ausschließeritis”
Wie kommen Sie darauf?
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hat das Wahlprogramm der Grünen als „Manifest gegen eine Regierungsbeteiligung” kritisiert, unter anderem wegen des angekündigten „Ausstiegs aus der Massentierhaltung”. Teilen Sie seine Auffassung?
Ich bin gegen eine Ausschließeritis. Die Union hat eine klare Haltung: Wir koalieren nicht mit der Linken und nicht mit der AfD. Gegenüber allen anderen sind wir offen. Die Programme der Parteien vor der Wahl sind das eine, die Suche nach inhaltlichen Übereinstimmungen nach der Wahl ist das andere.
Ja, das geht. Wir verständigen uns, manchmal zwar nur auf einen kleinen gemeinsamen Nenner, manchmal aber auch auf einen größeren. Das ist wie in einer guten Ehe, man muss ständig miteinander kommunizieren. Reden, überzeugen und bereit sein zu Kompromissen – das ist die wichtigste Voraussetzung für eine funktionierende Zusammenarbeit. Wir beherzigen das.
Bietet eine schwarz-grüne Regierungszusammenarbeit die Chance, die Auseinandersetzung über Landwirtschaft zu versachlichen?
Das hängt davon ab, ob die Grünen der Versuchung widerstehen können, ideologische Politik machen zu wollen. Bei uns ist das der Fall. Im Bund bin ich mir nicht sicher. Wenn sie widerstehen können, kann die Landwirtschaft davon profitieren.
Beide Seiten, sowohl die Union als auch die Grünen, beanspruchen in einer künftigen Bundesregierung das Bundeslandwirtschaftsministerium. Wie haben Sie es in Baden-Württemberg geschafft, als kleinerer Partner das Agrarministerium zu bekommen?
Wir haben klar unsere Ansprüche formuliert und gut verhandelt. Ich halte das im Übrigen für ein ganz wichtiges Signal in die Reihen der Landwirtschaft und in die ländlichen Räume, in denen wir traditionell stark sind: Die CDU überlässt das Landwirtschaftsministerium nicht automatisch den Grünen, sondern kämpft um dieses Ressort. Das empfehle ich auch meinen Unionskollegen im Bund und insbesondere meiner Partei.
Sie haben umfassende politische Erfahrung, waren Landwirtschaftsminister einer schwarz-gelben Landesregierung, jetzt sind Sie es in einer grün-schwarzen Regierung. Mit wem geht’s besser?
Es gab zwischen Schwarz und Gelb eine größere Übereinstimmung, wenn es um die Betrachtung von Landwirtschaft als Wirtschaftssektor ging. Aber das geht auch mit den Grünen. Wir sind uns einig, dass Landwirtschaft Wertschätzung braucht, weil sie für die Pflege der Kulturlandschaft und unsere Dörfer unverzichtbar ist. Wir wollen der Landwirtschaft dabei helfen, den kaufkräftigen Markt vor unserer Haustür zu bedienen und eine möglichst hohe Wertschöpfung daraus zu erzielen. Die baden-württembergische Landwirtschaft ist nicht so aufgestellt, dass sie im Export ihren Erfolg suchen müsste. Stattdessen kümmern wir uns in erster Linie um den regionalen Markt. Wir haben eine deutliche Kurskorrektur in der Landesagrarpolitik vorgenommen.
Sehen Sie Übereinstimmung in den inhaltlichen Zielen von Union und Grünen in Bezug auf die Tierhaltung?
Die vom linken Flügel der Grünen betriebene Antistimmung gegen landwirtschaftliche Tierhaltung und die Verwendung von Kampfbegriffen wie „Massentierhaltung” ist selbstverständlich für uns unter keinen Umständen akzeptabel. Wenn wir schon von „Massentierhaltung” reden, sollten wir genauer hinschauen: Im Südwesten und Süden gibt es die nicht, in Ländern wie Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, in denen die Grünen länger mitregieren oder regiert haben, hingegen sehr wohl. Wir wollen eine Tierhaltung, die in vernünftiger Relation zur Fläche steht. Das ist unser Maßstab, auf dessen Grundlage wir über eine zukunftsfähige Tierhaltung reden.
Die aus den Reihen der Grünen erhobene Kritik an der „Massentierhaltung” klingt im Wahlkampf besonders schrill. Wie ist da eine Verständigung möglich?
Ich hoffe darauf, dass die Pragmatiker letztlich die Oberhand behalten werden, wenn der Wahlkampf erst einmal vorbei ist. Wer auf eine Auflagenpolitik in der Tierhaltung setzt, fährt ein Großagrarierprogramm und macht unseren kleinen und mittleren Betrieben vor allem im Südwesten und Süden den Garaus. Dieser einfache Zusammenhang müsste sich allmählich auch in den anderen Parteien rumgesprochen haben, auch wenn manche Äußerungen das nicht vermuten lassen.
Ein anderes Reizthema ist chemischer Pflanzenschutz. Wie sieht da der gemeinsame Nenner aus?
Ich nehme bei diesem Thema in den Reihen der Grünen einen Hang zu unberechtigten und längst überholten Pauschalangriffen wahr. Man nimmt vielfach nicht zur Kenntnis, dass moderner Pflanzenschutz längst nicht mehr die Chemiekeule ist, sondern dazu beiträgt, Pflanzen selektiv und effizient zu schützen. Da muss man immer wieder argumentieren und gegenhalten. Politik besteht auch darin, nicht permanent Grundsatzdiskussionen zu führen, sondern sich am Machbaren zu orientieren und dabei auch Zuständigkeiten anzuerkennen. Beispielsweise bin ich für eine weitere Zulassung von Glyphosat. Ich muss darüber aber nicht täglich mit dem Koalitionspartner diskutieren, weil die Entscheidung nicht in Stuttgart oder Berlin, sondern in Brüssel getroffen wird.
In der Diskussion um eine höhere Umschichtung von der Ersten in die Zweite Säule haben Sie für eine Anhebung des bisherigen Satzes von 4,5 auf 6 Prozent noch in der laufenden Förderperiode plädiert. War das Koalitionszwängen geschuldet oder inhaltlich begründet?
Wir haben darüber innerhalb der Koalition intensiv beraten und uns letztlich für eine moderate Erhöhung ausgesprochen. Die hätte ich aber auch inhaltlich für richtig befunden. Voraussetzung für eine Mittelaufstockung der Zweiten Säule müsste aber sein, dass die Gelder zum einen landwirtschaftsnah eingesetzt werden und zum anderen vorrangig Betrieben in Mittelgebirgslagen zugute kommen. Dass die Union auf Bundesebene dem nicht gefolgt ist, bedauere ich sehr. Das war aus meiner Sicht keine angemessene Reaktion.
Ist das für Sie der Weg für eine GAP-Reform nach 2020?
Bei aller Unsicherheit über die künftige Mittelausstattung müssen wir nach meiner Überzeugung einen stärkeren Ausgleich für die von den Betrieben erbrachten Umweltleistungen herbeiführen. Andernfalls wird es kaum möglich sein, Landwirtschaft in Mittelgebirgslagen zu halten. Wenn dies über mehr Mittel für die Zweite Säule erreicht werden kann, sollten wir diese Chancen nutzen.
Das Geld für die Gemeinsame Agrarpolitik wird künftig aller Voraussicht nach weniger werden. Wo sollte Ihrer Auffassung nach gespart werden?
Sind Sie zusätzlich für eine Kappung der Direktzahlungen?
Ja.
Mit den Grünen könnten Sie in dieser Frage möglicherweise schneller einig werden als mit den eigenen Parteifreunden. Haben Sie mit Ihrem sächsischen Amtskollegen schon mal über das Thema Kappung gesprochen?
Ihr Ministerium ist für ländliche Entwicklung zuständig. Die CDU will ein solches Ministerium auf Bundesebene einrichten. Sehen Sie sich bestätigt?
Auf Landesebene macht ein solches Ministerium Sinn, weil wir auch die unmittelbare Zuständigkeit für die Kommunen haben und natürlich damit im kommunalen Finanzausgleich und durch Programme des Landes mit den Kommunen gemeinsam einiges tun können. Der Bund hat dafür keine Zuständigkeit. Deshalb bezweifle ich, dass ein Bundesministerium für ländliche Räume ohne die entsprechenden Zuständigkeiten Sinn machen würde. Viel wichtiger wäre aus meiner Sicht eine intensivere Abstimmung der Politik für die ländlichen Räume auf Bundesebene.
Die bisherige Koordinierung halten Sie für nicht erfolgreich?
Ich denke, da ist noch einiges zu tun, um eine kohärente Politik für ländliche Räume zu betreiben.
Die Bundesregierung möchte die Mittel für die ländliche Entwicklung stärker auf strukturschwache Regionen konzentrieren. Wird Baden-Württemberg zum Verlierer einer solchen Politik?
Ich halte einen solchen Ansatz, wie er von der EU bereits verfolgt wird, für riskant. Man hilft nicht den Schwachen, indem man die Starken schwächt. Schauen Sie auf den enormen Innovationsbedarf, den wir in Baden-Württemberg haben. Hier bleibt der Staat gefordert, um die Regionen leistungsfähig zu halten.
Die Öffnung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) über die Landwirtschaft hinaus ist nur zum Teil gelungen. Sollte es dazu einen neuen Anlauf geben?
Ich bin da zurückhaltend. Zum einen sehe ich nicht die Notwendigkeit, dem Bund mehr Kompetenzen in der ländlichen Entwicklung zu übertragen. Zum anderen sollte der Schwerpunkt der GAK auch künftig auf der Landwirtschaft liegen.