Holstein-Kuhkälber sind null Euro wert
Die weiblichen Kälber würden noch mitgenommen, obwohl man nichts mehr damit verdiene. Zwischen null und 25 Euro erlöse man als Vermarkter frei Norddeutschland für so ein weibliches Holstein-Kalb im Moment, rechnet ein Händler vor. Dafür müssen die Kälber aber gesammelt und nach Norddeutschland transportiert werden. In Bayern und Niedersachsen würden teilweise schon Abholgebühren verlangt. In Baden-Württemberg war das in der laufenden Woche laut Händlern aber nicht der Fall.
In Norddeutschland machen nicht mehr alle Kälbermäster ihre Ställe voll. Und wenn der Stall schon nicht voll ist, dann stallt man lieber die jetzt billigen Bullenkälber ein als Kuhkälber. Aber auch männliche Kälber werden nur noch quotiert abgenommen, berichtet ein Händler: „Vergangene Woche hast du 50 Kälber gebracht, jetzt kannst du noch 40 bringen”, habe ihm ein norddeutscher Kunde gerade heute früh mitgeteilt.
Dazu kommt jetzt eine saisonale Schwäche. Weihnachten und Ostern sind für die Kalbfleisch-Branche Absatzspitzen, die Zeit nach Ostern – für die werden ja jetzt gerade Kälber aufgestallt, die mit maximal acht Monaten geschlachtet werden – ist aber traditionell eine schwache Phase.
Ein wichtiger Grund für die Misere ist, dass im Moment keine baden-württembergischen Kälber nach Spanien exportiert werden. Spanien war aber für die Holstein-Kälber noch vor Niedersachsen das wichtigste Absatzgebiet: Schätzungsweise zwei Drittel der Nutzkälber aus Baden-Württemberg wurden nach Spanien exportiert, schätzen Branchenvertreter. Spanien ist vor allem für weibliche Kälber ein attraktiver Markt, nicht nur für Holstein-Kälber. Die Spanier machen viel Färsenmast.
Seit dem Ausbruch der Blauzungen-Krankheit im Dezember 2018 ist der Spanien-Export nicht mehr möglich. Zunächst war die Krankheit dafür verantwortlich. Als dann im Mai zwischen Deutschland und Spanien eine Vereinbarung getroffen wurde, wonach der Export aus den Restriktionsgebieten wieder möglich sein sollte, kam der nächste Knüppel: Nun sorgen die Veterinärämter dafür, dass das Export-Ventil Spanien nicht mehr funktioniert. Nicht von der Milch abgesetzte Kälber sollten nur noch maximal acht Stunden lang transportiert werden, so die neue Linie der Veterinärämter, die Sammelstellen in Baden-Württemberg betreuen. Sie füllen die Transportpapiere aus und genehmigen den Transport. Zuvor waren neun Stunden Transport, danach eine Stunde Pause und danach weitere neun Stunden Transport erlaubt.
An der EU-Tierschutztransport-Verordnung wurde nichts geändert, nur die Lesart der Veterinärbehörden sei nun eine andere. Dem Export nach Spanien habe man damit den Stecker gezogen, klagt ein Vermarkter. In Bayern hatten einzelne Veterinärämter noch bis vor etwa drei Wochen Spanien-Transporte genehmigt, mittlerweile sind sie aber auch auf die restriktive Linie ihrer Kollegen eingeschwenkt. Das hat den Markt jüngst noch zusätzlich belastet.
Ausgelöst wurde die neue Sicht der Veterinäre dadurch, dass Tierschützer Kälber-Transportern hinterherfuhren. Skandale wurden dabei keine aufgedeckt, aber die Veterinärbehörden bekamen offenbar kalte Füße, weil sie sich unter Beobachtung fühlten.
Die Kälber, die in Spanien gemästet werden, kommen nun vorrangig aus Polen, Tschechien, Lettland, Estland und Irland – also noch weitere Distanzen.
Mit der akuten Krise wird ein strukturelles Problem ganz grell offenbar, das sich in den vergangenen Jahren nach und nach aufgebaut hat: Es gibt nicht genügend Mastplätze für die deutschen Holstein-Kälber, im Gegenteil steigen im Moment Mäster aus. In Süddeutschland gibt es fast gar keine Kälbermastställe mehr. Und niemand investiere hier im Süden in Kälbermastställe. Der Betriebszweig sei wirtschaftlich nicht attraktiv und große Ställe seien vonnöten: Unter einer Größenordnung von 1000 Kälbern brauche man gar nicht anfangen zu planen, sagen Branchenexperten.
Es seien dringend klare Vorgaben von Behördenseite nötig, wie Kälber auf längeren Strecken transportiert werden sollen, fordern Branchenvertreter mit Blick auf den Spanien-Export. Im Moment wisse man nur, was nicht gehe. Wenn keine Transporte über längere Strecken mehr gewünscht seien, dann müsse das die Politik auch klar sagen.