Tierhaltung | 26. Februar 2014

Hier können die Kühe ungestört fressen

Von Dr. Michael Götz, Eggersriet/Schweiz
Fressplatz-Abtrennungen im Laufstall reduzieren Auseinandersetzungen. Außerdem bleibt die Fläche vor dem Fressplatz sauber, was sich positiv auf die Klauengesundheit auswirkt.
Annie und Franz Sutter in ihrem neuen Stall
Franz und Annie Sutter haben in  Hohentengen-Lienheim   einen modernen und tierfreundlichen Laufstall mit Tiefstreu-Liegeboxen für 60 Kühe gebaut. Ein Melkroboter melkt die Kühe und eine  Tiefstreubucht bietet kalbenden und kranken Tieren einen Bereich, in welchem sie sich erholen können.Eine Besonderheit des im Jahre 2011 gebauten Stalles sind die Fressstände. Dabei handelt es sich um eine erhöhte Standfläche vor dem Fressplatz mit Einzeltier-Abtrennungen. Franz Sutter hat über die ganze Fressplatzlänge die 1,60 m tiefe Standfläche 12 cm höher betoniert als den Laufgang und diese Fläche mit Gummimatten belegt. „Die Tiere sollen komfortabel und trocken stehen”, erklärt er die Maßnahme. Denn schließlich verbringen Kühe im Laufstall laut den Erhebungen der schweizerischen Forschungsanstalt ART etwa 30 Prozent der Tageszeit beim Fressen. Allein schon die lange Aufenthaltsdauer unterstreicht, wie wichtig es ist, dass Kühe sich am Fressplatz wohlfühlen.
Auf der Standfläche ließ der Landwirt im lichten Abstand von 88 cm Abtrennbügel mit einer Länge von 1,40 m anbringen. Damit verband er zwei Ziele: Erstens sollen sie verhindern, dass die Kühe parallel zum Fressplatz stehen und dabei die Fläche verschmutzen. Zweitens sollen sie die rangtiefen Kühe vor den ranghohen schützen. Die Gummimatten bieten den Tieren eine möglichst rutschsichere Unterlage.
Die Halterung muss robust sein
Eine Besonderheit im Stall von Sutters ist die erhöhte Standfläche vor dem Fressplatz mit Einzeltier-Abtrennungen.
Da Sutter in Deutschland einer der ersten Landwirte war, welcher freitragende Abtrennbügel am Fressplatz des Laufstalles anbrachte, mussten er und die Stallbaufirma zu Beginn „Lehrgeld” zahlen. Etwa eine Woche nach dem Einstallen hatten die Kühe alle Abtrennungen zur
 Seite gedrückt. Wenn sie mit ihrem Körper gegen die Abtrennbügel lehnten, kam es zu großen Hebelkräften, welche die Bügel aus den Befestigungen brachen. Die Stallbaufirma verstärkte daraufhin in Einzelfertigung die Halterung an den Palisaden. Seither halten die Bügel den Kräften stand. Eine serienmäßige Fertigung gab es damals noch nicht.
Während der Zeit, in welcher neue Halterungen konstruiert wurden, konnte der Landwirt beobachten, wie sich die Kühe ohne die Abtrennbügel verhalten. Vor allem die ranghohen, behornten Kühe, die er noch aus dem Anbindestall hatte, gingen oft entlang der Palisaden und vertrieben die rangtieferen Kühe. Das führte zu Stress. Sobald die Abtrennbügel wieder installiert waren, hörte dieses Verhalten der ranghohen Kühe auf. Sie können zwar immer noch eine rangtiefe Kuh vom Fressplatz vertreiben, aber nicht mehr eine ganze Kuhreihe „aufrollen”. 
Indem die Standfläche erhöht ist und die Tiere sie sauber halten, ist in diesem Bereich kein Entmistungsschieber  notwendig. Ohne diese erhöhte Standfläche „läuft” der Schieber über die ganze Breite des Fressplatzes; die Kühe müssten dann mit den Hinter- und Vorderbeinen über den Schieber steigen. Und sie würden  den seitlich nahenden Schieber nur schlecht erkennen. Bei einer erhöhten Standfläche kann der Landwirt den Schieber auch während des Fressens „laufen” lassen, ohne dass er die Tiere stört. Und nicht zuletzt bleibt es am Fressplatz sauber und trocken. „Ich würde wagen zu behaupten, dass die Tiere dank der Fressstände eine bessere Futteraufnahme haben”, folgert der Landwirt aus seinen Beobachtungen. Die gesamte Fressplatztiefe beträgt im Stall 4,65 m. Er hätte auch ohne Fressstände den Tieren am Fressplatz viel Platz zur Verfügung gestellt,  sagt Sutter, denn dort begegnen sich die Kühe am häufigsten und brauchen Platz, um einander auszuweichen.
Schieber läuft alle drei Stunden
Dank der Einzelabtrennungen kann keine der Kühe quer zum Fressplatz stehen.
Nicht zuletzt sieht der Landwirt in den Fressständen auch den Vorteil, dass mehr Fläche sauber bleibt und es deswegen weniger Ammoniak-Emissionen gibt. In seinem Stall bleibt nicht nur der Fressplatz sauber,  er kann auch den Schieber öfters „laufen” lassen, nämlich alle drei Stunden. Somit bleiben auch die Laufgänge sauberer. Viele Landwirte setzen den Schieber nur dann in Betrieb, wenn sie selbst im Stall sind.
Anfangs hatte es Sutter auch so gemacht, bis er feststellte, dass die Tiere in den Laufgängen lernten, mit dem Schieber umzugehen. Begleitet man den Schieber während seiner Durchfahrt durch den Laufgang, sieht man, dass die Kühe im Laufgang das Überschreiten des Schiebers abschätzen können, und dass sie keine Angst davor haben. Am ehesten würde der Schieber am Fressplatz stören, doch hier kommt er dank des erhöhten Standplatzes nicht zum Einsatz.
Am besten Einzelplatzabtrennungen
Beim Weiterbildungskurs für Baufachleute 2013 der Arbeitsgemeinschaft für landwirtschaftliches Bauen ALB-Schweiz in Tänikon berichtete der Wissenschaftler Michael Zähner über Untersuchungen der Forschungsanstalt Agroscope ART auf Betrieben in Deutschland und der Schweiz. Auch der Betrieb von Franz Sutter gehörte dazu.  Die Praxisuntersuchungen zeigten, dass es ohne Abtrennbügel deutlich mehr Auseinandersetzungen am Fressplatz gab als mit Bügel. Am wenigsten Auseinandersetzungen gab es, wenn jeder Fressplatz eine Abtrennung hatte. In Ställen mit Abtrennungen nach jeweils zwei Fressplätzen stiegen die Auseinandersetzungen leicht an, während sie in Ställen mit Abtrennungen nach je drei Fressplätzen deutlich erhöht waren. Man sollte also mit den Abtrennungen nicht zu sehr sparen.
Zähner rechnet für den zusätzlichen Aufwand zum Einbau der erhöhten Standfläche mit 50 Euro je Großviehplatz (GVP) und für die Abtrennbügel einen Betrag zwischen 80 und 160 Euro/GVP. Gesamthaft ist mit Zusatzkosten von etwa 130 bis 220 Euro/GVP zu rechnen.
Positive Auswirkungen auf Klauengesundheit?
Es braucht eine starke Befestigung der Abtrennbügel an der Krippe.
Die Fressstände bleiben nicht immer zu 100 Prozent  sauber, da die Tiere, wenn sie weit nach vorne stehen, im hinteren Bereich auf die Standfläche koten. Sutter reinigt den hinteren Teil mit einem Handschieber zweimal am Tag, wobei er jeweils etwa zwei Minuten benötigt. Michael Zähner sieht aufgrund der Arbeitszeiterhebungen der ART eine ebenfalls nur geringe zusätzliche Arbeitsbelastung. Er bewertet das Potenzial der trockenen Standfläche betreffend Klauengesundheit höher als die zusätzliche Arbeit und die zusätzlichen Investitionen.
Auch wenn es nicht bewiesen ist, so sei doch anzunehmen, dass sich die trockene Standfläche positiv auf die Klauengesundheit auswirkt. Schwedische Untersuchungen hätten jedenfalls festgestellt, dass zum Beispiel die Mortellaro-Klauenerkrankung in Laufställen mit Fressständen weniger auftrat. Falls sich Fressstände tatsächlich positiv auf die Klauengesundheit und die Futteraufnahme auswirken, dann ist es keine Frage, ob sich diese Investitionen lohnen. Nicht zuletzt ist auch mit einer Verringerung der Ammoniakemissionen zu rechnen.