Pflanzenbau | 24. Januar 2019

Herbizide einsparen durch Zwischenfrüchte

Von Dr. Sebastian Messerschmid
Kann man bei nicht wendender oder fehlender Bodenbearbeitung Pflanzenschutzmittel einsparen? Wenn ja, wie? Das war Thema einer Tagung, die die Gesellschaft für Konservierende Bodenbearbeitung (GKB) Mitte Januar in Stuttgart-Hohenheim durchgeführt hat.
Mischungen von Zwischenfrüchten sollten artenreich und gleichzeitig an die Besonderheiten des Standorts und des Produktionssystems angepasst sein.
„Viele reden beim Pflanzenschutz mit, oft ohne Ahnung. Das ist fast schon wie beim Fußball”, eröffnete Thomas Berrer vom Landwirtschaftsministerium (MLR)  die Hohenheimer Fachtagung. Er plädierte für mehr Sachlichkeit in der Debatte. Einerseits müsse, wer anstehende Pflanzenschutzmaßnahmen beurteilen wolle, Kenntnisse über Schaderreger und differenzierte Bekämpfungsmöglichkeiten haben. Auf der anderen Seite seien die Landwirte und Fachleute mit einem Rückgang der Biodiversität und Funden von Pflanzenschutzmitteln in Oberflächengewässern konfrontiert.
In diesem Spannungsfeld unterstütze das Land Einsparmöglichkeiten beim chemischen Pflanzenschutz. So habe man in Baden-Württemberg den Insektizidbedarf in Mais durch die finanzielle Förderung des Trichogramma-Einsatzes auf mehr als 30000 Hektar  erheblich zurückgefahren. „Dennoch reicht heute der Hinweis auf eine integrierte Produktionsweise nicht mehr aus, um in der Öffentlichkeit zu bestehen”, warnt Berrer. Zielkonflikte bei der Pflanzenproduktion müsse man klar benennen. Ein solcher Zielkonflikt sei, dass nach dem Auslaufen der Glyphosatzulassung hierzulande ganze Produktionssysteme in Frage stünden. Die bodenschonende konservierende Bodenbearbeitung sei aber in Erosionsgebieten unverzichtbar.
Direktsaat gilt als die Königsdisziplin des Ackerbauern. Wer ein funktionierendes System hat, schwört darauf. Der Weg dorthin ist aber nicht einfach, zumal es kein Patentrezept gibt, das man für jeden Standort anwenden könnte.

Landwirt Fromme aus Niedersachsen berichtete
Landwirt Burkhard Fromme gab Tipps zur erfolgreichen Einsparung von Pflanzenschutzmitteln.
Burkhard Fromme bewirtschaftet in der Gegend von Braunschweig einen 384-ha-Ackerbaubetrieb. Hauptkulturen sind 2018/2019 Winterweizen (146 ha), Mais (79 ha) und Wintergerste (69 ha). Daneben baut er noch Winterraps, Sonnenblumen, Zuckerrüben und Roggen als Ganzpflanzensilage an. Zwischenfrüchte stehen auf 60 ha. Der Niedersachse ist ein überzeugter Befürworter der Direktsaat, mehr als die Hälfte seiner Ackerfläche bewirtschaftet er nach diesem System. Der Rest wird mit Mulchsaat bestellt. „Vor 30 Jahren haben wir mit der Direktsaat begonnen, den Pflug haben wir vor 15 Jahren verkauft”, erinnert er sich.
Besonders günstige Voraussetzungen für ein relativ einfach zu etablierendes Direktsaatsystem hat Fromme durchaus nicht, denn 60 Prozent seiner Flächen bestehen aus schweren Tonböden. „Außerdem ist bei uns die Bodenqualität sehr unterschiedlich”, erläutert er, „wir haben Ackerland von 22 bis 90 Bodenpunkten.” Für wichtig für eine ökonomisch erfolgreiche Direktsaat hält Fromme
  1. ein Düngesystem, bei dem der Dünger in die Erde appliziert wird (Cultan),
  2. breite Reifen, um den Bodendruck zu minimieren,
  3. eine weite Fruchtfolge und
  4. Zwischenfrüchte, die in die Fruchtfolge passen.
„Um einen vernünftigen Zwischenfruchtbestand zu etablieren, sollte man bei der Aussaat die gleiche Sorgfalt walten lassen wie bei der Hauptfrucht”, fordert Fromme. Eine klare Absage also an eine Aussaat per Schleuderdüngerstreuer. 
Zwischenfruchtmischung
Für seinen Betrieb habe sich eine Mischung aus 50 Prozent Sommerwicken, 30 Prozent Peluschken (Erbsen), sieben Prozent Ackerbohnen, drei Prozent Sonnenblumen, drei Prozent Phacelia, zwei Prozent Öllein und fünf Prozent Bitterlupine als optimal herausgestellt. Der Landwirt sät seit 2013 diese Mischung mit etwa 80 kg/ha aus und scheut auch die vergleichsweise hohen Kosten von rund 90 Euro pro Hektar nicht. „Je schneller die Zwischenfrüchte nach dem Mähdrusch in den Boden kommen, desto besser gedeiht der Bestand”, gibt er zu bedenken.
Deswegen achtet Fromme darauf, dass zwischen Mähdrusch und der Aussaat der Zwischenfrucht in aller Regel nicht mehr als acht Stunden vergehen. Nur ein guter Bestand fördere den Humusaufbau und verbessere die Bodenstruktur, hat er festgestellt. Ein dichter Zwischenfruchtbestand helfe übrigens auch dabei, Herbizide bei der Folgefrucht einzusparen. „Bei Top-Zwischenfrüchten kommen wir manchmal sogar ohne Herbizide aus”, betont er. „Aber meistens gibt es auch dort Ecken, wo man Herbizide braucht.”
Fromme rät grundsätzlich dazu, nicht nur den oberirdischen Teil des  Zwischenfruchtbestandes zu beachten. Denn die Wurzelmasse sei mindestens genauso wichtig. „Schauen Sie sich Ihre Zwischenfrüchte also nicht mit den Augen einer Kuh, sondern mit denen eines Ackerbauern an”, ergänzt er. 
Wasserqualität
Um Pflanzenschutzmittel einzusparen, müsse man das für die Spritzung verwendete Wasser konditionieren. Insbesondere Härte und pH-Wert sollten für das jeweilige Produkt optimal sein. Nicht selten komme Wasser mit deutlich zu hohem pH-Wert aus der Leitung. Dann könne etwa Glyphosat, das für eine optimale Wirkung einen pH-Wert von rund 5,5 benötige, nicht optimal wirken. Fromme spritzt meist nachts bei schwachem Wind oder Windstille. Die Düsen  liefern ein gleichmäßiges Tropfenspektrum: „Unter diesen Voraussetzungen konnten wir nicht nur den Pflanzenschutzmittel-, sondern auch den Wasseraufwand erheblich reduzieren auf 75 l/ha”. Solche Einsparmöglichkeiten rechnete Fromme in Hohenheim vor. Auf Insektizide verzichte er sogar fast völlig. Dennoch wolle er nicht falsch verstanden werden. Denn in bestimmten Situationen seien Pflanzenschutzmittel nach wie vor unverzichtbar: „Ich möchte bestimmte Präparate in meiner Apotheke behalten, aber nur noch in Notfällen einsetzen. Je aktiver ein Boden ist, desto weniger Pflanzenschutz benötigt man.”