Pflanzenbau | 31. Oktober 2018

Heimisches Soja auf dem Vormarsch

Von Jürgen Beckhoff
Noch ist die Sojabohne eine Nischenkultur. Aber neue Sorten, ein verbessertes Anbauwissen und die nachsende Nachfrage könnten den Anbau weiter beflügeln, wie die Sojatagung 2018 in Würzburg zeigte.
Neben dem Preis sind hohe Erträge entscheidend für die Wirtschaftlichkeit von Soja. Das Potenzial dafür ist durch stetig wachsendes Anbauwissen und neue Sorten gegeben – so der Tenor auf der Sojatagung in Würzburg.
Es gibt noch viele Herausforderungen, aber die Sojabohne hat inzwischen großes Potenzial für eine weitere Ausdehnung des Anbaus in Deutschland, insbesondere durch neu gezüchtete Sorten. Das war das Fazit der Sojatagung 2018, zu der die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und die Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern e.V. (LVÖ) Ende Oktober in Würzburg eingeladen hatten. Mit 160 Teilnehmern war die Veranstaltung komplett ausgebucht.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand das Soja-Netzwerk, das vor fünf Jahren gestartet war und im Rahmen der sogenannten Eiweißpflanzenstrategie des Bundeslandwirtschaftsministeriums finanziert wird. Es soll den Anbau durch praxisnahe Forschung, Beratung und ein bundesweites Netz aus Demonstrationsbetrieben unterstützen. 
Anbaufläche wächst
Dass die Arbeit des Netzwerks Wirkung zeigt, machten die Zahlen zur Anbauentwicklung von Soja deutlich, die Dr. Jürgen Recknagel vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum (LTZ) Augustenberg vorstellte. Während die Leguminose 2013 nur auf etwa 7500 Hektar angebaut wurde, waren es 2018 schon fast 24000 Hektar. „Und das trotz Verbots von Pflanzenschutzmitteln auf ökologischen Vorrangflächen”, betonte Recknagel. Der Ökoanteil an der Sojafläche liegt bei etwa 20 Prozent. Neben guten Erträgen in den Vorjahren und einer stetig wachsenden Nachfrage führt Recknagel den Aufschwung auch auf die Eiweißinitiativen einzelner Bundesländer und des Bundes zurück.
Dennoch sei der Anbauumfang in Deutschland verglichen mit Italien, Österreich oder osteuropäischen Ländern nach wie vor sehr bescheiden. Die mittlerweile erzielten Erträge schätzt der geschäftsführende Vorsitzende des Sojaförderrings dagegen im internationalen Vergleich als absolut konkurrenzfähig ein. Mittelfristig könne die Sojabohne vor allem in Süddeutschland „eine ganz normale Kultur” werden, da die Infrastruktur für Aufbereitung und Verarbeitung immer dichter wird und die Züchtung inzwischen „aufgewacht ist”. Bis 2030 hält er deshalb eine Fläche von 100000 Hektar für realistisch. „Die natürlichen Voraussetzungen in Deutschland würden sogar den Anbau auf 700000 Hektar zulassen”, ist Recknagel überzeugt.
Auf die besondere Bedeutung der Züchtung verwies Dr. Christine Riedel von der LfL. Sie stellte ein aktuelles Züchtungsprojekt vor. Dabei konnten aus über 15000 Kreuzungsnachkommen bestehender Sorten viele interessante Zuchtstämme selektiert werden, die auf die Sortenzulassung vorbereitet werden.
Die ausgewählten Stämme verbinden die für das Klima in Deutschland erwünschte frühe Abreife mit höheren Erträgen oder Proteingehalten  als bisherige Sorten. Bei erfolgreicher Prüfung sind diese neuen Sorten laut Riedel in zwei bis drei Jahren am Markt verfügbar.
Wasserversorgung und Unkrautbekämpfung
Dr. Harald Schmidt von der Stiftung Ökologie und Landbau stellte in seinem Vortrag die wichtigsten Einflussfaktoren für den erfolgreichen Sojaanbau vor. Basis dafür war eine dreijährige Studie auf Praxisbetrieben. Als mit Abstand wichtigster Faktor erwies sich eine günstige und ausreichende Niederschlagsverteilung während der Vegetationsphase. 35 Liter Wasser pro Quadratmeter (l/m2) entsprachen einem Mehrertrag von fünf Dezitonnen pro Hektar (dt/ha) bis zu einer Wassermenge von 250 l/m2. Wichtigste beeinflussbare Größe war in der Studie der Unkrautbesatz. Je zehn Prozent Unkrautdeckungsgrad verringerte sich der Ertrag laut Schmidt um 3 dt/ha. Eine etwas schlechtere Unkrautkontrolle ist nach Einschätzung des Wissenschaftlers auch der Grund dafür, dass die Praxiserträge der Biobetriebe im Schnitt etwa 2,4 dt/ha geringer lagen.
Sortenwahl ist wichtig
Aktuelle Erkenntnisse aus den seit 2010 laufenden Sojaversuchen an drei bayerischen Standorten stellte Alois Aigner von der LfL vor. „Vor allem an weniger günstigen Standorten konnten wir häufiger Probleme bei der Abreife beobachten”, sagte Aigner. „Deshalb sollten Praktiker hier eher frühreife Sorten wählen, während in Gunstlagen spätere Sorten angebaut werden können, um das größere Ertragspotenzial ausschöpfen zu können.”
Im Hinblick auf die hohen Kosten für zertifiziertes Saatgut riet Aigner, die standardmäßig empfohlenen 70 Körner/m2 zur Saat auf 60 zu verringern. Das sei aufgrund der Erfahrungen aus den Versuchen ohne Ertragsausfälle möglich. Auf die Impfung des Saatgutes mit Bakterien sollte dagegen auf keinen Fall verzichtet werden. „Mit knapp 30 Euro pro Hektar sind die Kosten gering. Ein Verzicht kann dagegen zu Ertragseinbußen von bis zu 25 Prozent und geringeren Proteingehalten führen”, betonte Aigner.
Zur großen Bedeutung einer optimalen Aufbereitung der Sojabohne für die Wirtschaftlichkeit der Tiermast betonte Stefan Thurner von der LfL den erheblichen Einfluss einer möglichst geringen Trypsininhibitoraktivität (TIA) auf die Verdaulichkeit der Soja. Durch eine angemessene Hitzebehandlung sollte die TIA deshalb so weit wie möglich gesenkt werden. Jedoch unterliegt der Gehalt an verdauungsmindernden Inhibitoren großen Schwankungen und ist abhängig von vielen Faktoren wie Sorte, Anbaujahr und Region. „Das macht es oft schwierig, die Anlagen bei der thermischen Aufbereitung richtig einzustellen. In der Praxis sehen wir deshalb oft nicht ausreichend aufbereitete Sojachargen”, beklagte Thurner.
Optimal aufbereiten
Er empfiehlt deshalb, bei jeder Charge vor der Behandlung den Gehalt an Trypsininhibitoren zu bestimmen. Dafür sei vor allem die Nahinfrarotspektroskopie sehr gut geeignet.  Versuche mit Masthähnchen hätten gezeigt, dass mit jedem Milligramm TIA pro Gramm Futter für jedes Kilogramm Zuwachs bei den Hähnchen etwa 140 Gramm an zusätzlichem Futter benötigt werden. Der Zielwert für die TIA sollte daher bei der Sojaaufbereitung unter 4 mg/g liegen.
Inwieweit eine Beregnung der Sojabohne sinnvoll sein kann, erläuterte Dr. Andreas Butz vom LTZ Augustenberg. Aus den Daten einer fünfjährigen Studie lässt sich laut Butz ableiten, dass bei optimaler Bewässerung Ertragszuwächse von bis zu 25 dt/ha möglich sind, insbesondere auf leichteren Standorten. Dennoch sei der Einsatz einer Anlage nur dann betriebswirtschaftlich lohnend, wenn ein Betrieb noch andere beregnungswürdige Kulturen anbaut wie zum Beispiel Kartoffeln. Zudem sei nach den Ergebnissen der Studie eine Beregnung erst ab der Blüte wirtschaftlich.
Lukas Wolf von der LfL stellte eine Auswertung zur Rentabilität des Sojaanbaus vor. Dabei bezog er sich auf die Daten von 115 ökologischen und konventionellen Betrieben des bundesweiten Soja-Netzwerks. Danach sind die mittleren Erträge von 2014 bis 2017 in beiden Bewirtschaftungsformen gestiegen, bei konventionellem Anbau auf durchschnittlich 34 dt/ha, im Ökolandbau auf 30 dt/ha. Wolf führt dies auf das wachsende Anbauwissen und die zunehmende Erfahrung der Betriebsleiter zurück. Die Preise gingen im gleichen Zeitraum auf hohem Niveau leicht zurück und lagen mit bis zu 90 Euro/dt für Speisesoja und um die 80 Euro/dt für Futtersoja mehr als doppelt so hoch wie bei konventioneller Soja.
Ökosoja konkurrenzfähig
Bei variablen Kosten von maximal 1000 Euro/ha bewegten sich die Deckungsbeiträge der Ökobetriebe zwischen 1000 und 1400 Euro/ha. „Damit ist die Soja im Ökobereich fast allen anderen Kulturen wie Winterweizen oder Ackerbohne überlegen”, sagte Wolf. Nur in sehr trockenen Jahren schneidet Soja etwas schlechter ab. Im konventionellen Bereich ist die Konkurrenzfähigkeit der Soja dagegen weniger eindeutig. Bei variablen Kosten von bis zu 900 Euro/ha lagen die Deckungsbeiträge je nach Ertrag zwischen 400 und 800 Euro/ha und damit unter denen von Raps und zum Teil auch von Winterweizen. Wolfs Fazit: „Neben dem Preis sind hohe Erträge entscheidend für die Wirtschaftlichkeit. Das Potenzial dafür ist durch stetig wachsendes Anbauwissen und neue Sorten auf jeden Fall gegeben.”
Verbraucher entscheiden
Zum Potenzial heimischer Soja als Futtermittel für eine gentechnikfreie Fleischerzeugung nahm Franz Beringer von der Erzeugergemeinschaft Oberbayern Stellung. Er berichtete von einem laufenden zweijährigen Pilotprojekt mit Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, in dem die Akzeptanz und Nachfrage nach gentechnikfrei erzeugtem Schweinefleisch mit entsprechendem Aufpreis getestet wird. Hintergrund des Projektes ist, dass sich ein großer Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher bei Befragungen gentechnikfreie Lebensmittel wünscht.
„Dieser Verbraucherwunsch schlug sich aber bisher nicht in entsprechenden Verkaufszahlen nieder”, fasste Beringer die ersten Ergebnisse zusammen. Zwar gebe es einen stabilen Absatz an Teilstücken mit dem „Gentechnikfrei-Siegel”, sogar mit leicht steigender Tendenz. Aber insgesamt lägen die verkauften Mengen auf niedrigem Niveau. Mehr Potenzial sieht er dagegen bei einer Kombination von gentechnikfreiem Fleisch mit anderen Programmen wie dem bayerischen Strohschweinprojekt, das inzwischen ebenfalls als Pilotprojekt gestartet ist.
In einer abschließenden Runde schilderten Praktiker und Berater ihre Einschätzungen und Erfahrungen mit dem Soja-Netzwerk. Experten wie der überregionale Sojaberater Jürgen Unsleber und Alexander Kögel, Berater in Bayern, betonten nochmals ausdrücklich den Wert des Netzwerks für die stetige Weiterentwicklung des Fachwissens für die Beratung und Praxis. Biolandwirt Hilmar Cäsar, Leiter eines Netzwerkbetriebs, lobte vor allem, dass das Netzwerk konventionelle und Biolandwirte enger zusammenführt und einen intensiven Austausch fördert. Das konnte er auf allen bisherigen, stets sehr gut besuchten Infoveranstaltungen zur Soja auf seinem Betrieb feststellen.