Betrieb und Wirtschaft | 25. September 2014

Handys, die richtig was abkönnen

Von Wolfgang Rudolph
Auf dem Acker und im Stall müssen Handys einiges aushalten. Outdoor-Handys versprechen höheren Schutz vor Nässe, Staub und Stoß. Doch auch normale Geräte lassen sich für den rauen Einsatz aufrüsten. Wir haben bei Experten, Herstel- lern und Nutzern nachgefragt, worauf es dabei ankommt.
Den Alleskönner für die Landwirtschaft gibt es nicht, jedenfalls nicht von der Stange. Das wäre auch eher verwunderlich. Denn vom individuellen Geschmack mal ganz abgesehen, sind die Ansprüche an die Funktionalität eines Mobiltelefons bei Landwirten unterschiedlich.  In immer kürzeren Abständen werben daher neue outdoortaugliche Geräte mit langen Feature-Listen um die Gunst derer, die ihrem Handy was zumuten. So erlebten im Frühjahr auf der CeBIT in Hannover robuste Mobiltelefone vom deutschen Hersteller RugGear ihren ersten Auftritt. Die finnische Firma Benefon inszenierte Ende vergangenen Jahres ihr Comeback mit dem P331. Und auf der  Agritechnica präsentierte Bullit Mobile, Lizenzinhaber der Cat Phones von Caterpillar, das Cat B15.
Auch eine Gummischutzhülle kann für manche Anwender als Schutz ausreichen, hier ein Samsung Galaxy S 4 Active.
Dieses Gerät nutzt seitdem auch Landwirt Karl-Peter Zickert – zum Telefonieren, aber auch um über WhatsApp Nachrichten und Fotos mit seinen erwachsenen Kindern oder dem Freund in Kanada auszutauschen. „Das Handy steckt in der Tasche von der Kombi. Da kommt auch Sand mit rein und beim Aufsteigen auf den Traktor ist das Handy schon runtergefallen, auch auf Beton. Bis jetzt hat es das alles ohne Kratzer oder Funktionsstörungen hingenommen”, sagt der 58-Jährige, der in der Lüneburger Heide 220 ha bewirtschaftet.
Weitere Hersteller, wie Motorola mit dem Klapphandy Brute und Samsung mit dem Galaxy Xcover, kündigen neue mobile Endgeräte für den Outdoormarkt an.  „Zunehmend machen Hersteller ihre Premium-Modelle zudem staub- und wasserdicht”, weiß Steffen Herget vom Onlinemagazin Areamobile. Als Beispiel nennt er das Samsung Galaxy S5 und das Sony Xperia Z2. Mit diesen ganz auf den Freizeitspaß ausgerichteten „Outdoor light”-Smartphones kann man beispielsweise auch im Regen telefonieren.
Sieht nach Outdoor aus
Daneben gibt es aber auch noch die Handys, denen man die Zugehörigkeit zur Sparte Outdoor auf Anhieb ansieht, etwa dem Cat B100, Geräten von Sonim, Swissvoice und Emporia oder dem Simvalley XT-520 Sun, das mit einer  Besonderheit aufwarten kann – einem auf der Rückseite integrierten Solarpanel. Die Modelle von RugGear mit Militärstandard, etwa das RG700 oder das RG500, trotzen nach Herstellerangabe nicht nur Staub und Wasser, sondern überstehen auch Stürze aus zwei Meter Höhe und extreme Temperaturen zwischen minus 20 und plus 60 Grad.
IP-Schutzklasse
Einen verlässlichen Anhaltspunkt für Robustheit liefert  die IP-Schutzklasse. IP steht für „International Protection”. Es folgen zwei Ziffern. Die erste Ziffer gibt den Schutzgrad gegen Staub an, wobei 1 der niedrigste und 6 (absolut staubdicht) der höchste Wert ist. Die zweite Ziffer zeigt an, wie gut das Gerät gegen Wasser geschützt ist. Eine 7 bedeutet Schutz gegen zeitweiliges Untertauchen, in der höchsten Stufe 8 hält ein Produkt dauerhaft Wasser stand.
Als zeitweiliges Untertauchen gilt hierbei eine komplette Wasserdichtheit für mindestens
30 Minuten in bis zu einem Meter tiefem Wasser. Das schützt entsprechende Handys somit vor Stürzen in Pfützen, flache Schwimmbecken oder auch in einen schon weitgehend abgepumpten Güllebehälter, wie Axel Reintges vom Cat-Lizenzinhaber Bullitt Mobile auf der Agritechnica erfuhr. „Ein Landwirt erzählte mir an unserem Stand, dass er etwa eine halbe Stunde gebraucht habe, bis er sein Handy herausfischen und reinigen konnte. Es roch  danach noch eine Zeit streng, aber es lief”, so Reintges.
IP54-Handys eine Liga darunter vertragen dagegen allenfalls Regen, sollten also nie komplett untergetaucht werden. Die bestmögliche Schutzklasse IP68 wiederum findet man noch selten.
Einige Hersteller verweisen darüber hinaus auf die Outdoor-Spezifikation MIL-STD-810, meist verbunden mit Hinweisen, dass das Gerät Stürzen aus einer bestimmten Höhe standhält oder gegenüber Temperaturschwankungen besonders geschützt ist. Die MIL-STD-810 ist eine Norm des US-Militärs zum Testen von Ausrüstungen. Als Werbeaussage ist sie jedoch nicht sehr aussagekräftig, da sie im Gegensatz zur IP-Zertifizierung nicht durch Prüfinstitutionen bestätigt werden muss. 
Das wichtigste Standard-Feature beim Smartphone ist zweifellos die Kamera.  „Ich mache gern mal schnell vor dem Reparieren ein Foto, damit ich beim Zusammenbau dann sehen kann, wo was hingehört”,  verrät Landwirt Zickert. Dabei vermisse er manchmal einen Blitz oder eine LED-Lampe an seinem Cat B15 und behelfe sich, indem er das Display ganz hell stellt. Mitte Juni gab Cat Phones die Markteinführung des B15Q bekannt, das nun neben einem schnelleren Vierkernprozessor auch über einen LED-Blitz bzw. ein LED-Dauerlicht für die Kamera verfügt.
 Es gibt Geräte, die direkt die GPS-Daten der Aufnahme speichern, was für die Dokumentation sehr nützlich sein kann. Mit Funktionen wie Augmented Reality wird die Kamera zum Werkzeug. Bei diesen Systemen wird das von der Kamera aufgenommene Livebild auf dem Bildschirm des Smartphones mit Informationen ergänzt, zum Beispiel wo sich an der abgebildeten Maschine die Schmiernippel befinden.
Entgegen den Werbeaussagen ist die Megapixelzahl nicht das entscheidende Kriterium.  Für die meisten Anwendungen bis zum Ausdrucken von Fotos im A3-Format ist man mit einer
5-Megapixel-Auflösung ausreichend versorgt. Wichtiger für die Bildqualität ist das optimale Zusammenspiel von Linse (Glas oder Kunststoff),  Sensorgröße, Bildprozessor und Software. Da sich diese Angaben meist nicht in den Datenblättern finden, lässt sich die Qualität nur im Praxistest ermitteln. Dabei kann man dann gleich die Ergonomie testen: Gibt es einen extra Auslöseknopf oder erfolgt die Auslösung über den Touchscreen? Welche Einstellmöglichkeiten bietet die Software?
Fließende Grenzen
Die Grenzen zwischen Outdoor-Smartphones und „normalen” Handys werden zunehmend fließend. Ab es gibt sie noch. So kann es passieren, dass ein Gerät genau die passende Konfiguration bietet, preislich den Vorstellungen entspricht, aber nicht robust genug ist. Oder andersherum, einem Outdoor-Handy fehlen benötigte Funktionen. Hierfür gibt es eine Lösung: Outdoor-Hüllen.   Die einfachste Variante hierbei sind Folien-Hüllen, mit denen jedes mobile Gerät notfalls auch ein längeres Vollbad verträgt. Robuste Hardcases bieten zusätzlich Schutz gegen mechanische Belastung. „Soll das Smartphone in der Box voll bedienbar bleiben, müssen sie allerdings für das jeweilige Handy konzipiert sein. Solche Hardcases, die gleichzeitig vor Nässe und Stößen schützen, gibt es nur für hochpreisige Smartphones und sie kosten selbst in der Regel nicht unter 50 Euro”, verweist Experte Herget von Areamobile auf einen Haken.  Zudem müsse man gegebenenfalls  auf Erweiterungen wie Kopfhörer verzichten, weil die Steckbuchse verdeckt ist, und das Öffnen und Schließen der Hardcases verlange einige Übung.