Betrieb und Wirtschaft | 17. Dezember 2020

Handel macht Bauern Zugeständnisse

Von Agra-Europe
Die bevorstehende Umsetzung der EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken (UTP-Richtlinie) sowie die Bauernproteste haben beim deutschen Lebensmitteleinzelhandel anscheinend Steine ins Rollen gebracht.
Mit Aldi, Rewe und Lidl signalisierten  vergangene Woche  drei der „Großen Vier” des deutschen Lebensmittel-Einzelhandels (LEH) konkretes Entgegenkommen. Aldi Nord und Süd bekannten sich „umfassend” zu fairen Handelspraktiken im Umgang mit Lieferanten, Herstellern und Landwirten. Zudem unterstützt Aldi  den Vorschlag von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner für einen  Verhaltenskodex im Handel.
Die zur Schwarz Gruppe gehörenden Ketten Lidl und Kaufland machten zusätzlich zu der  für das nächste Jahr angekündigten Geldspritze von 50 Mio. Euro für die Initiative Tierwohl (ITW) weitere Nägel mit Köpfen: Beide Unternehmen  erhöhten per 10. Dezember die Ladenpreise für zehn Schweinefleischartikel um jeweils 1 Euro/kg oder etwa 20 %. Die Zusatzeinnahmen sollen  an die Tierhalter weitergereicht werden.
 Die Rewe-Gruppe mit dem Discounter Penny kündigte einen Tag später an, den Preis für Schweinefleisch auf das Niveau von vor dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Deutschland anzuheben.
Weitergeben
 Der Deutsche Bauernverband (DBV)    forderte   dazu auf, dem Beispiel der  Lebensmittel-Einzelhändler zu folgen. „Die anderen Lebensmittel-Einzelhändler müssen jetzt nachziehen. Es sollte allen in der Lieferkette klar sein, dass der erzielte Mehrwert direkt an die Bauern weitergegeben werden muss”, erklärte  DBV-Präsident Joachim Rukwied. Beispielsweise erwarte man beim Schlachtschweinepreis in dieser Woche einen deutlichen Sprung nach oben.  Kurzlebige Ankündigungen einzelner Unternehmen mit sehr unterschiedlichen Ansätzen sind ein Zeichen des guten Willens, aber böten keine dauerhafte Perspektive.
Der  DBV  hatte in einem  Forderungspapier vom Handel unter anderem einen „Deutschland-Bonus”  verlangt. Verlangt werden auch eine Selbstverpflichtung des Lebensmittel-Einzelhandels zum Ausstieg aus der „Dauerniedrigpreiskultur”. Angedacht werden sollten im Kartellrecht  eine strengere Fusionskontrolle, aber auch „aktive Maßnahmen zur Dekonzentration von Marktmacht” auf Seiten des LEH.
 
Flächendeckende Herkunftskennzeichnung
Für Landwirte sollten die Hürden beim Aufbau auch größerer Vermarktungsorganisationen beseitigt werden. Der DBV  plädierte zudem für eine flächendeckende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung.   Mit Blick auf die nationale Umsetzung der UTP-Richtlinie verlangt er  den Wegfall der Umsatzobergrenze von 350 Millionen  Euro für schutzwürdige Unternehmen und den Bann sämtlicher bisher noch zulässiger Praktiken der sogenannten Grauen Liste. Auf internationaler Ebene sollen  europäische Standards fester Bestandteil von Handelsabkommen mit Drittstaaten werden.
Aus der Politik gab es  Zustimmung für die Offerten des Handels. Bauernverband, Molkereien und Schlachthöfe, der Lebensmitteleinzelhandel und Verbraucherorganisationen seien gefordert, eine freiwillige Selbstverpflichtung in Verbindung mit einem Fahrplan zu entwickeln, wie eine faire Wertschöpfung für alle Akteure der Lebensmittelkette zu erreichen sei, sagte der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann. Von den Verbrauchern erhofft er sich die Einsicht, dass sie letztendlich über die Zukunft der deutschen Landwirtschaft an der Ladentheke entscheiden.
 
Fünf konkrete Punkte vereinbart
Unterdessen haben sich Land schafft Verbindung (LsV) und Vertreter von Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl und Rewe  nach einem Gespräch am vergangenen Freitag  auf fünf konkrete Maßnahmen  verständigt, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung:
Es soll eine neutrale Ombudsstelle zwischen Handel und Landwirtschaft eingerichtet werden, die künftige Konflikte  beilegen soll.
Außerdem verständigten sie sich  darauf, eine neue, einheitlichen Herkunftskennzeichnung für heimische  Erzeugnisse  zeitnah einzuführen.
 Gemeinsam will man
Konzepte erarbeiten, damit Landwirte bei  Schweinefleisch und Milchprodukten für höhere Anforderungen auch höhere Erlöse erhalten.
Der LEH sichert zu, die Leistungen der hiesigen Landwirtschaft in seinen Werbeaktivitäten stärker herauszustellen.
 Die Unternehmen des Lebensmittelhandels sichern außerdem ihre Unterstützung der Landwirte bei
ihrem Ziel zu, einen Sofort-Hilfsfonds einrichten zu lassen, der Corona- und ASP-bedingte Einkommenseinbußen abfedern soll.
Dieser zeitlich befristete Fonds soll neben dem Handel außerdem vom Staat, der Lebensmittelverarbeitung und der Lebensmittelindustrie getragen werden. Dafür sollen kurzfristig Gespräche mit Politik und
Verarbeitern aufgenommen werden, die der Handel unterstützt.