Anne Körkel aus Kehl-Bodersweier mästet in einem mobilen Strohstall mit Auslauf Hähnchen und vermarktet sie selbst. Für ihr Unternehmenskonzept wurde sie als Siegerin in der Kategorie „Unternehmerin” beim CeresAward 2017 ausgezeichnet.
In ihrem Unternehmenskonzept und auch sonst löst sich die gebürtige Niedersächsin gerne von herkömmlichen Denkmustern. Vor fünf Jahren kam die leidenschaftliche Bäuerin zum BLHV und wurde Pressesprecherin. In der Zwischenzeit hat die damalige Anne Hartmann geheiratet, in ihrem Beruf eine Pause eingelegt, zwei Kinder bekommen und auf dem Hof ihrer Schwiegereltern ein Unternehmen gegründet.
Anne Körkel mästest 500 Hähnchen pro Durchgang.
Für Letzteres wurde sie jetzt in Berlin im Rahmen des CeresAward ausgezeichnet, den der Deutsche Landwirtschaftsverlag ins Leben gerufen hat. Die Ehrung erfolgte für das Produktions- und Vermarktungskonzept, das Anne Körkel rund um ihre „Ha(h)nauer” aufgestellt hat. Sie schuf damit bewusst ein regionales Wortspiel mit dem Hanauerland, einer früheren Grafschaft im Nordwesten der Ortenau, die erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts badisch wurde.
Diese Besonderheit ist im Bewusstsein der Bevölkerung vor Ort noch recht lebendig. Körkels Gockel sind deshalb quasi ein Stück heimatlicher Identität. Küchenfertig präpariert kosten sie 8,50 Euro pro Kilo und wiegen bis zu 2,7 kg. Sie sind erheblich teurer als andere Hähnchen. Die Kundschaft weiß das und trotzdem wächst die Zahl der Ha(h)nauer-Fans rasant.
Direktkunden und gehobene Gastronomie
Es geht um 500 Hähnchen pro Durchgang, die nicht sonderlich schnell
aufwachsen, auf einer Streuobstwiese ihren Auslauf haben und nach
Sonnenuntergang im Stall mit Stroheinstreu ihre Ruhe finden. Von einer
Sitzbank aus kann sich jeder Besucher von der Haltung überzeugen.
Körkel kommt damit einem Bedürfnis nahe, das immer mehr Konsumenten
haben.
Direktkunden und Vertreter der gehobenen Gastronomie sind
begeistert. Die Ha(h)nauer sind nur in einem festen Rhythmus zu haben, sie müssen
vorher bestellt werden, gefrorene Ware gibt es nicht. Die Mastperiode dauert 60 bis 70 Tage. Der Auslauf auf einer Streuobstwiese ist einen
Hektar groß. Pro Durchgang wird jeweils rund ein Viertel davon genutzt.
Das junge Geflügel traut sich ohnehin nicht weit weg vom Stall,
auch wenn die Obstbäume vor Raubvögeln abschirmen. Gleichzeitig
haben die Tiere im Auslauf stets frisches Grün vor sich und wenig
Infektionsdruck von auslauftypischen Schaderregern, weil die
Flächenintensität gering ist.
Arbeitszeit wird erfasst
Kennzeichnend für das Konzept ist die Mischung aus Tradition und
Moderne. Da sind die Obstwiese der Schwiegereltern und der bewegliche,
mit Stroh eingestreute Stall, andererseits gibt es ein Firmenemblem,
eine eigene
Website und einen griffigen Produktnamen. Anfangs hatte sie nur 20 Kundennamen, die sie vom Weihnachtsgeflügelverkauf ihrer Schwiegermutter übernehmen konnte.
In
der Zwischenzeit sind daraus 600 Namen geworden, viele davon bestellten
schon mehrmals. Ein wichtiges Forum sind die Sozialen Medien,
insbesondere Facebook. Gerade von dort hat sie großen Rücklauf. Anzeigen in Gemeindeblättern hat sie anfangs auch geschaltet, aber nicht
viele. Einen starken Werbeeffekt haben nach ihrer Erfahrung Hoffeste,
dafür sind sie auch arbeitsaufwendig.
Körkel hat ein Werbebudget festgelegt, das sie
nicht überschreitet. Per Handy notiert sie, wieviel pro Tag, Woche und
pro Durchgang sie für das Projekt arbeitet. Dabei hat sie sich zur
Bedingung gemacht: Jede Stunde wird entlohnt!
Gleichzeitig hat sie
sich ein Gewinnziel gesetzt, das sie nach vier Jahren mit dem Projekt
erreichen will. Jetzt, nach dem Ende des vierten Durchgangs, sieht die
zweifache Mutter, dass sie auf einem guten Weg ist, dieses Ziel zu
erreichen.
Nach rechts und links schauen
Dazu trägt auch die Familie bei: Der Hof hat wegen seiner Mastschweine eine eigene Futtermischanlage und Getreidevorräte. Vom Hof kommt auch Hilfe bei den Arbeitsspitzen, beispielsweise wenn die Hähnchen von der
auswärtigen Schlachtung kommen, einer Endkontrolle unterzogen werden
und dann die Vakuumverpackung erfolgt.
Auf dem Hof gibt es vier
Unternehmen, die zwar unabhängig voneinander sind, „… aber wir helfen
uns immer gegenseitig”, erklärt Körkel.
Sie empfindet das Zusammenwirken am selben Ort als eine große Stärke. Überhaupt hat Körkel als ehemalige Bundesvorsitzende der Landjugend die
Beobachtung gemacht, dass bei Bauern Pflichtbewusstsein und
Verantwortungsgefühl stärker ausgeprägt sind als anderswo.
Mit ihrem
Konzept möchte sie zeigen, dass es neben den klassischen Produktionszweigen noch andere Erwerbsmöglichkeiten daheim gibt. „Man
kann doch nach rechts und links schauen”, findet sie.
Die Berichte über den Preis in den Medien haben für einen weiteren
Schub gesorgt.
Dreiklang aus Hähnchen, Familie und Fortbildungen
Die 32-jährige Unternehmerin nimmt das gelassen hin. „Ich
werde deshalb keine Produktionsausweitung starten”, beschwichtigt sie.
Zu groß sei die Gefahr, dass das System dann nicht mehr schlüssig sei.
Körkel möchte den bisherigen Aktivitätsdreiklang ihrer Elternzeit
fortsetzen: Sie will weiterhin Hähnchen erzeugen, für ihre Familie da
sein und Fortbildungsseminare leiten.
Klar ist, ihr
Firmenkonzept beruht auf dem Konsumentenbedürfnis nach gutem Essen,
heiler Welt und Regionalität. Die Besucher sehen eine überschaubare
Haltung und verlangen kein „Bio”.
Andererseits ist die gelernte
Landwirtin vom Ausmaß der Unkenntnis überrascht, das bei einem großen
Teil ihrer Kundschaft über die landwirtschaftliche Erzeugung herrscht.
Die bäuerliche Öffentlichkeitsarbeit müsse deshalb einen neuen
Stellenwert im Bewusstsein aller Landwirte bekommen, meint sie.