Grüne Karriere | 29. April 2021

Alles Käse, oder was?

Von Petra Littner
SERIE . Milchtechnologe und Milchwirtschaftlicher Laborant – das sind zwei spannende Berufe für Perfektionisten mit handwerklichem Geschick und technischem Verständnis. Die Ausbildung öffnet viele Türen in der Lebensmittelbranche.
Kathrin Meyer hat in der Herstellung von Käse eine ebenso abwechslungsreiche wie erfüllende Tätigkeit gefunden.
Manchmal läuft es ganz anders als gedacht. Zum Beispiel bei Kathrin Meyer: Sie ist in einem Winzerdorf am Kaiserstuhl aufgewachsen, hatte von klein auf mit dem Weinbau Berührung und bewirtschaftet inzwischen sogar ein eigenes Rebstück. Eine Winzerlehre wäre naheliegend gewesen, dennoch hat sie sich für eine Ausbildung zur Milchtechnologin entschieden. Und das kam so: Bei einem Informationsabend der beruflichen Gymnasien in Freiburg wurde sie auf das Agrarwissenschaftliche Gymnasium (AG) der Edith-Stein-Schule aufmerksam. „Mich haben die Themen sofort angesprochen”, erklärt die junge Frau. Sie interessiere sich sehr für nachhaltige landwirtschaftliche Produktion sowie Genetik und Züchtung. Die Wahlfächer Biotechnologie und Ernährungswissenschaften begeisterten sie ebenfalls. Und so stellte Kathrin Meyer mit dem Wechsel an das AG die Weichen für ihre landwirtschaftlich orientierte Laufbahn.
Während der Schulzeit hat die Klasse gemeinsame Exkursionen zur Molkerei Schwarzwaldmilch in Freiburg und zum biologisch-dynamisch bewirtschafteten Breitenwegerhof in Eichstetten unternommen. Dabei und aufgrund verschiedener Praktika auf einer Schweizer Alp, auf einer Milchviehfarm in Kanada und bei der Ziegenkäserei Monte Ziego in Teningen festigte sich ihr Entschluss, in der Milch- und Molkereibranche
arbeiten zu wollen. Die Ausbildung begann Kathrin Meyer nach dem Agrarwissenschaftlichen Abitur schließlich bei Monte Ziego, wo sie nun unter anderem lernt, wie man aus frischer Ziegenmilch leckeren Käse und die ganze Palette weiterer verschiedener Produkte herstellt.
Von der Rohmilch zur Trinkmilch
Die Aufgaben der Milchtechnologen sind vielfältig und beginnen bei der Anlieferung der Rohmilch. Dabei entnehmen sie Proben für die Qualitätsprüfung und betreuen anschließend die komplette Verarbeitung in Reifungsbehältern, dem Käsefertiger sowie der Trocknungs- und Abfüllanlage – also von der Pasteurisierung bis hin zur Verpackung. Dies erfordert Technik- und Computerkenntnisse. Außerdem werden sensorische Fähigkeiten trainiert, die zur Beurteilung von Geruch, Geschmack und Konsistenz wichtig sind. Mit einem gewissen Sinn für Perfektionismus ist man in der milchverarbeitenden Branche richtig. Hier muss man nämlich auf kleinste Details achten, denn schon winzige Beschädigungen, zum Beispiel an Leitungen oder an der Verpackung oder auch ein falsches Mindesthaltbarkeitsdatum könnten zu einem Gesundheitsrisiko für den Konsumenten werden.
Die duale Ausbildung zum Milchtechnologen  dauert drei Jahre. Der theoretische Teil findet im Blockunterricht an der Berufsschule, das heißt über mehrere Wochen, statt. Auf dem Stundenplan stehen dabei die Verarbeitungsprozesse, Roh- und Zusatzstoffe sowie Rezepturen für verschiedene Milchprodukte, aber auch Wirtschafts- und Sozialkunde.
Schwerpunktthemen sind im ersten Ausbildungsjahr Qualitätsbeurteilung, Fett- und Proteingehalte, Herstellung von Trinkmilch und Wärmebehandlungsverfahren. Im zweiten Jahr geht es vor allem um Butterherstellung, Anlagensteuerung und Behebung technischer Störungen sowie die besonderen Hygiene- und Sicherheitsvorschriften. Die Herstellung verschiedener Käsesorten und weiterer Produkte sowie Richtlinien zur Qualitätssicherung werden im dritten Lehrjahr vermittelt.
Die theoretischen Inhalte können sodann im Lehrbetrieb direkt in die Praxis umgesetzt werden. Azubis lernen dort zudem die Produktpalette und die betrieblichen Abläufe kennen. Da täglich Milch angeliefert wird und weil diese schnell verderben kann, arbeiten Milchtechnologen in Schichten – auch am Wochenende und teilweise sogar nachts. In Bezug auf Sicherheit und Hygiene gelten in allen Produktionsbereichen strenge Regeln, wie das Tragen von Schutzkleidung, Desinfektion und Haarnetzen. Im Umfeld von Maschinen ist darüber hinaus ein Gehörschutz vorgeschrieben.
Naturwissenschaften bilden Schwerpunkt
Für eine Ausbildung zum Milchtechnologen sollte man die Mittlere Reife abgeschlossen und Spaß an Biologie, Mathematik, Physik und Chemie haben. Mit dem Gesellenbrief in der Tasche eröffnen sich für Milchtechnologen interessante Betätigungsfelder in der Lebensmittelbranche, aber auch in der Kosmetikindustrie, in Laboratorien, Forschungseinrichtungen und in der Lebensmittelüberwachung. Durch Fortbildungen kann man sich zum Molkereimeister, Milchwirtschaftlichen Labormeister oder auch Industriemeister Fachrichtung Lebensmittel qualifizieren.  Abiturienten haben zudem die Möglichkeit, direkt ins Studium einzusteigen oder  auf die Ausbildung aufzubauen.
Akademische Laufbahn Der Studiengang  Lebensmitteltechnologie wird zum Beispiel an der Hochschule Weihenstephan Triesdorf angeboten, Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie stehen bei der Uni Hohenheim in Stuttgart zur Auswahl. Weitere Hochschulen befinden sich unter anderem in Berlin, Fulda und Ostwestfalen-Lippe. Der Einstieg erfolgt meistens zum Wintersemester. Abhängig davon, ob ein Praktikum in den Studienverlauf integriert ist, kann man nach sechs bis sieben Semestern den Bachelor of Science (B.Sc.) ablegen. Das Masterstudium beansprucht nochmal zwei bis vier Semester. www.studycheck.de
Kontrolle von der Kuh bis zum Supermarkt
Bevor Milch in den Verkauf kommt, werden viele Kontrollen zur Qualitätssicherung durchgeführt.
Milch ist eines der am besten kontrollierten Lebensmittel. Das heißt, auf dem Weg von der Kuh bis in den Supermarkt werden Milch und Milchprodukte kontinuierlich überwacht. Das beginnt bereits bei der Anlieferung der Rohmilch, wo Proben entnommen und einer Qualitäts- und Hygieneprüfung unterzogen werden. Auch die Verarbeitungsschritte werden überprüft, Ergebnisse dokumentiert und ausgewertet. Dafür sind milchwirtschaftliche Laboranten verantwortlich. Um die einwandfreie Qualität sicherzustellen, werden chemische, physikalische und mikrobiologische Untersuchungen durchgeführt, ergänzt durch sensorische Tests. Mit verschiedenen Methoden lassen sich Fett-, Milchzucker- und Eiweißgehalt bestimmen oder auch Verunreinigungen feststellen. Milchtechnische Laboranten kümmern sich zudem um die Bereitstellung von Materialen, die zur Prüfung erforderlich sind, sowie  um die Sauberkeit im Labor und um die Funktionstüchtigkeit der Geräte. Sie halten Messergebnisse fest und erstellen Prüfberichte.
Beruf mit Verantwortung
Der Beruf verlangt viel Verantwortung, was nicht zuletzt an strengen Hygiene- und Arbeitsschutzvorschriften erkennbar ist. Die duale Ausbildung, für die man mindestens einen Hauptschulabschluss mitbringen sollte, dauert in der Regel drei Jahre, kann unter bestimmten Voraussetzungen aber auf zwei bis zweieinhalb Jahre verkürzt werden. Anschließend sind Tätigkeiten sowohl in kleinen Familienbetrieben wie auch in einem Großkonzern oder in Forschungseinrichtungen, milchwirtschaftlichen Lehr- und Versuchsanstalten, in der öffentlichen Verwaltung oder einem  milchverarbeitenden Unternehmen möglich.
Die Ernährungswirtschaft ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland, und die entsprechenden Berufe bieten einen sicheren Arbeitsplatz, spannende Aufgaben und eine gute Bezahlung. Chancen und Möglichkeiten sind vielfältig und abwechslungsreich und nach persönlichen Vorlieben, Fähigkeiten und Interessen wählbar. Die Berufsprofile sind ausführlich dargestellt unter www.ausbildung.de.
Nachhaltiges Handwerk Der 1992 gegründete Verband für handwerkliche Milchverarbeitung, VHM, informiert auf seiner Internetseite über die Angebote des Vereins Ökologischer Landbau, der Hofkäsereien und Hofmolkereien mit fachkundiger Beratung, Seminaren, Workshops und steht als Interessenvertretung zur Seite: www.milch
handwerk.info. Unter https://www.milchtechnologe.de/ hat der Fachverband der Milchwirtschafter Niedersachen/Sachsen-Anhalt ausführliche Informationen über die beiden Berufsrichtungen Milchtechnologe und Milchtechnologischer Laborant zusammengestellt. Tipp: Testet auf dieser Seite doch einmal Euer Wissen beim Milch-Quiz.
Informationen zur Aus- und Weiterbildung stellt auch das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft zur Verfügung. Über www.bildungsserveragrar.de kann man zudem gratis Lehrmaterialien für verschiedene Klassenstufen bestellen, nach Jobs suchen und die Bildungs- und Beratungszeitschrift „B&B Agrar” beziehen. Zu den verschiedenen Bildungsgängen an der Edith-Stein-Schule in Freiburg gelangt man über https://www.hls-freiburg.de/.
Hättet Ihr's gewusst?
  • In Deutschland werden in mehr als 166 Molkereien verschiedene leckere Milchprodukte hergestellt. Über vier Millionen Milchkühe liefern dafür insgesamt 30,8 Millionen Tonnen Milch, die von den Höfen abgeholt und dann zu den verarbeitenden  Unternehmen gebracht wird. Dort werden aus der Rohmilch z.B. Trinkmilch, Butter, Käse, Sahne, Speiseeis aber auch Magermilch oder Spezialprodukte wie Babynahrung hergestellt.
  • Mit einem Umsatz von insgesamt 22 Milliarden Euro ist die deutsche Milchindustrie die mit Abstand größte Lebensmittelbranche in Deutschland – und in Europa.
  • 2020 stellten Molkereien neben 4,6 Mio. Tonnen Konsummilch unter anderem 2,64 Mio. Tonnen Käse, vor allem Schnitt- und Frischkäse, her. Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von zusammen 15 kg gehören diese beiden Gruppen mit 30 % Anteil an der gesamten Käseherstellung zu den beliebtesten Käseerzeugnissen in Deutschland.
  • Pro Kopf wurden 2020  insgesamt 25,4 kg Käse konsumiert:
    Schnittkäse  (7,9 kg), Frischkäse inklusive Quark (7,1), Pasta-filata-Käse, z.B. Mozzarella (3,8), Weichkäse (2,4), Hartkäse (2,1), Schmelzkäse/-zubereitungen (1,4 kg)  sowie Sauermilch-, Koch-/Molkenkäse (0,6 kg). 
  • Der Anteil ökologisch erzeugter Milch stieg 2020 um vier Prozent.
  • Die Zahl kuhhaltender Betriebe sank um 4,3 %  auf rund 57300 mit insgesamt 3,92 Mio. Tieren. Damit betrug die Zahl der Milchkühe in Deutschland erstmals weniger als 4 Mio. Tiere seit der Erfassung im Jahr 1991.
  • Der Milchertrag je Kuh lag 2020 mit 8457 kg rund 2,6 % höher als im Jahr zuvor.    
    Infos auch unter www.ble.de/milch
 
Tipps und Anregungen?
 
Die Serie „Agrar-Karriere” ist als Hilfestellung bei der beruflichen Orientierung gedacht und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir freuen uns Die Serie „Agrar-Karriere” ist als Hilfestellung bei der beruflichen Orientierung gedacht und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir freuen uns über Tipps oder Infos per E-Mail: littner(at)blv-freiburg.de.