Die Zulassung von Glyphosat wird um fünf Jahre verlängert. Entscheidend war das Stimmverhalten der Bundesrepublik. Deutschland hat von seiner bisherigen Enthaltung in dieser Frage Abstand genommen.
Das Gerangel um den Wirkstoff Glyphosat hat auf europäischer Ebene ein vorläufiges Ende gefunden.
Die EU-Mitgliedstaaten haben den Entwurf der Europäischen Kommission am Montag im Berufungsausschuss des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) mit absoluter Mehrheit gebilligt.
Neben Deutschland haben sich 17 weitere EU-Staaten für die Wiederzulassung des Herbizidwirkstoffs ausgesprochen, darunter Spanien, Polen, Großbritannien, Dänemark und Rumänien. Dagegen stimmten neun Länder; unter ihnen befanden sich Frankreich, Italien und Österreich. Portugal hat sich zuletzt als einziges Land enthalten.
Hendricks sauer auf Schmidt
Eine Sprecherin der Kommission erklärte, dass die Behörde nun
die Wiederzulassung von Glyphosat vor dem 15. Dezember vornehmen werde.
Der zuständige EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis begrüßte
das Votum der Mitgliedstaaten zu seinem Zulassungsentwurf.„Die lange
Diskussion über die Zulassungsverlängerung des Pflanzenschutzmittels
Glyphosat wurde auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse fachlich
entschieden”, betonte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt
nach der Entscheidung.
Nicht einverstanden ist Bundesumweltministerin Barbara Hendricks mit
der deutschen Zustimmung zur Wiederzulassung von Glyphosat. Bei den
vorherigen Abstimmungen zur Glyphosat-Zulassung hatte sich Berlin auf
Druck des Bundesumweltministeriums jeweils enthalten.
Wie die SPD-Politikerin berichtete, hat sie
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt vor Beginn der Abstimmung der Mitgliedstaaten „eindeutig” erklärt, dass sie mit einer
Verlängerung der Zulassung von Glyphosat weiterhin nicht einverstanden
sei.
„Es war daher klar, dass Deutschland sich auch in der Sitzung des
Berufungsausschusses enthalten musste”, so Hendricks. Trotz der
unterschiedlichen Auffassung habe der Vertreter des
Bundeslandwirtschaftsministeriums in Brüssel eine andere Weisung
erhalten, als zwischen beiden Ressorts abgestimmt gewesen sei.
Mittlerweile haben sich die Differenzen zwischen Schmidt und Hendricks zu einem Grundsatzstreit zwischen Union und SPD ausgeweitet.
Kritik aus der Opposition
Kritik am positiven Votum kam auch von der agrarpolitischen Sprecherin
der Linksfraktion im Bundestag, Kirsten Tackmann. „Die Verlängerung der
Glyphosat-Zulassung um fünf Jahre ist unverantwortlich; sie stellt ein
enormes gesundheitliches und ökologisches Risiko dar”, sagte Tackmann.
Aus Sicht des Agrarsprechers der Grünen im Europaparlament, Martin
Häusling, hat Europa die Entscheidung zugunsten von Glyphosat dem
desolaten Zustand der Regierungsbildung in Deutschland zu verdanken. Das Verhalten des Bundeslandwirtschaftsministers bezeichnete er als
„instinktlos und skandalös”.
„Die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung ist ein überfälliger und
folgerichtiger Schritt, den die unabhängige und
fachlich-wissenschaftliche Risikobewertung vorgezeichnet hat”: So
kommentierte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes
(DBV), die Entscheidung des EU-Berufungsausschusses. Die Begrenzung der
Zulassung auf fünf Jahre sei jedoch nur eine Minimallösung.
Damit
würden die Diskussionen um diesen Wirkstoff lediglich aufgeschoben. „Der
zwingenden Notwendigkeit, die zukünftigen
Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln auf wissenschaftliche
Grundlagen und Risikobewertungen zu stellen, muss sich die Politik aber
über den Fall Glyphosat hinaus stellen”, erklärte Rukwied.
Verantwortungsvoller Einsatz
Der DBV unterstrich, dass die deutschen und europäischen
Landwirte Pflanzenschutzmittel verantwortungsvoll und mit nachgewiesener
Sachkunde, möglichst effektiv und sparsam einsetzten. Auf die auf
wissenschaftlichen Prüfungen basierenden Zulassungsverfahren müssten
sich die Landwirte im Hinblick auf Wirksamkeit, gesundheitliche
Unbedenklichkeit und Erhaltung der Biodiversität verlassen können.
Für ein effektives Resistenzmanagement sei eine breite Wirkstoffpalette
erforderlich, so der DBV. Der Wirkstoff Glyphosat ermögliche darüber
hinaus bodenschonende, pfluglose Anbauverfahren, die den Humusaufbau
stärker fördern und die CO2-Bilanz im Ackerbau verbessern.
Merkel rügt Schmidt
Die Zustimmung von Bundesagrarminister Christian Schmidt für eine Zulassungsverlängerung von Glyphosat sorgt in Berlin weiter für
politischen Wirbel.
Die Entscheidung habe gegen die Geschäftsordnung der
Bundesregierung verstoßen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am
Dienstag gegenüber Pressevertretern in Berlin. Das habe nicht der
Weisungslage entsprochen, wie sie von der Bundesregierung ausgearbeitet
worden sei.
Die Geschäftsordnung sieht vor, dass sich Deutschland bei
Abstimmungen in Brüssel enthält, wenn zwischen den zuständigen Ressorts
keine einvernehmliche Position erreicht werden kann. Das war bei
Glyphosat der Fall, nachdem Umweltministerin Barbara Hendricks eigenen
Angaben zufolge gegenüber ihrem Amtskollegen Schmidt vor der
entscheidenden Sitzung ihre ablehnende Haltung gegenüber einer
Verlängerung bekräftigt hatte. Die SPD-Politikerin hatte das Verhalten
Schmidts scharf kritisiert und eine Reaktion der Kanzlerin gefordert.
Mit ihrer öffentlich erteilten Rüge dürfte Merkel die Erwartung
verbinden, dass sich der Unmut bei der SPD angesichts der Gespräche über
die Regierungsbildung allmählich legt. Eine Entlassung Schmidts aus
dem Ministeramt gilt hingegen als sehr unwahrscheinlich – so zumindest
der Stand der Dinge bei Redaktionsschluss der BBZ am Mittwoch.