Politik | 23. März 2017

Glyphosat als nicht krebserregend eingestuft

Von AgE
Der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) hat die Einstufung des Herbizidwirkstoffs Glyphosat als nicht krebserregend bestätigt. Auch sei das Mittel nicht als mutagen oder fortpflanzungsgefährdend einzuordnen. Es folgten kontroverse Reaktionen.
Die entlastenden Nachrichten zu Glyphosat (im Bild die Strukturformel) wurden von den Befürwortern des herbiziden Wirkstoffs erleichtert aufgenommen.
Wie RAC-Direktor Jack de Bruijn am 15. März in Brüssel zu dem Ergebnis feststellte, beruht dieses auf einer „umfassenden Bewertung” aller verfügbaren Informationen zu dem Wirkstoff. Ein Sprecher der Europäischen Kommission wies unterdessen darauf hin, dass damit der Prozess bei der ECHA noch nicht abgeschlossen sei. Die Auffassung des RAC werde nochmals in der Chemikalienagentur geprüft, bevor dann die endgültige Stellungnahme vorliege. Diese werde voraussichtlich vor der Sommerpause an die Kommission gehen. Danach würden die Kommissionsdienste erneut mit den Mitgliedstaaten über die Zulassung von Glyphosat diskutieren.
Dem Kommissionssprecher zufolge muss eine Entscheidung über die Zulassung sechs Monate nach Vorliegen des RAC-Gutachtens beziehungsweise bis spätestens Ende 2017 getroffen werden. Zum Jahresende läuft die derzeit geltende Zulassung für Glyphosat aus. Die EU-Kommission hatte die Zulassung von Glyphosat auf dem EU-Markt um 18 Monate bis Ende 2017 verlängert, nachdem die 28 EU-Mitgliedsländer in den zuständigen EU-Ausschüssen zu keiner qualifizierten Mehrheit für oder gegen die Neuzulassung des Herbizidwirkstoffs gekommen waren.
Der EU-Dachverband der Pflanzenschutzindustrie (ECPA)  erwartet nun, dass die EU-Kommission Glyphosat für weitere 15 Jahre zulässt. Auch der kommissarische Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes Agrar (IVA), Dr. Dietrich Pratt, forderte die Kommission auf, jetzt die mehrfach verschobene Genehmigung von Glyphosat zu erteilen. Von der Bundesregierung dürfe man ebenfalls erwarten, dass sie sich für ein zügiges Verfahren in Brüssel einsetze. Es gehe auch um Deutschlands Glaubwürdigkeit in Europa, betonte Pratt. Vor allem aber gehe es darum, den Landwirten in der EU den Einsatz dieses wichtigen Herbizidwirkstoffs zu ermöglichen. Die Arbeitsgemeinschaft Glyphosat (AGG) sieht nun ebenfalls keine Hinderungsgründe mehr, dass sich die Mitgliedstaaten einer erneuten Zulassung von Glyphosat verweigern.
Meinungen gehen weiterhin auseinander
In Deutschland gehen die Meinungen der Agrarpolitiker hinsichtlich der Zulassung des Herbizidwirkstoffs indes nach wie vor auseinander. Aus Sicht des agrarpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Franz-Josef Holzenkamp, ist es jetzt an der Zeit,  auf Basis der nun vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse eine faktenbasierte Entscheidung zu treffen.  Bundesumweltministerin  Barbara Hendricks sollte sich den wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht weiter verschließen und ihre Blockadehaltung endlich aufgeben, so der CDU-Politiker.  Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt erklärte, er erwarte nun eine Rückkehr zur Sachlichkeit. Grundlage für die Entscheidung über die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln bleibe die wissenschaftliche Bewertung.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks erklärte derweil gegenüber der Presse, dass Glyphosat eine erhebliche Gefahr für die Artenvielfalt darstelle. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Hagl-Kehl führte ergänzend aus, Glyphosat sei weder für Mensch, Tier und Umwelt harmlos noch für die Landwirtschaft nachhaltig. Langfristiges Ziel der SPD-Bundestagsfraktion sei deshalb weiterhin der vollständige Ausstieg. Der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling gab mit Blick auf das RAC-Gutachten ebenfalls zu bedenken, dass die Krebsgefahr nicht das einzige Argument gegen diesen Wirkstoff sei. Glyphosat sei „ein enormes Risiko für die Artenvielfalt, weil es alle unerwünschten Pflanzen und deren Samenvorräte auf Äckern, Wiesen, Wegen und Plätzen vernichtet”. Aus Sicht von Häuslings Parteikollegen, dem Bundestagsabgeordneten Harald Ebner, ist eine Landwirtschaft, die Glyphosat „zum regulären Teil ihres Systems” macht, ein Auslaufmodell.
Forderung nach Verlängerung
Unterdessen kam auch aus dem Berufsstand die klare Forderung nach einer Verlängerung der Zulassung von Glyphosat. Nun dürfe es keine weitere Verzögerung geben, erklärte der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd (BWV), Eberhard Hartelt. Hartelt ist  auch Umweltbeauftragter beim Deutschen Bauernverband (DBV).
Der Grain Club, in dem Verbände der hiesigen Getreide-, Futtermittel- und Ölsaatenwirtschaft vertreten sind, erwartet nun  eine zügige Fortsetzung des Genehmigungsverfahrens. Der Dachverband wies darauf hin, dass Glyphosat ein wichtiges ackerbauliches Werkzeug sei.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) erklärte, dass die Kritik der Umweltverbände an Glyphosat zu einem deutlichen Problembewusstsein in der Gesellschaft und auch bei den Landwirten geführt habe. Diese Debatte müsse nun verstärkt fortgesetzt werden, gerade auch in Richtung einer massiven Einschränkung des Einsatzes dieses Wirkstoffs. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) verwies auf eine Bewertung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vom Mai 2016 für die ECHA, die nahelege, dass Glyphosat menschliche Organe schädigen könne. Unbestritten sei, das Glyphosat maßgeblich verantwortlich für das Artensterben in der Agrarlandschaft sei.