Der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) hat die Einstufung des Herbizidwirkstoffs Glyphosat als nicht krebserregend bestätigt. Auch sei das Mittel nicht als mutagen oder fortpflanzungsgefährdend einzuordnen. Es folgten kontroverse Reaktionen.
Die entlastenden Nachrichten zu Glyphosat (im Bild die Strukturformel) wurden von den Befürwortern des herbiziden Wirkstoffs erleichtert aufgenommen.
Wie RAC-Direktor Jack de Bruijn am 15. März in Brüssel zu dem Ergebnis feststellte, beruht dieses auf einer „umfassenden Bewertung” aller verfügbaren Informationen zu dem Wirkstoff. Ein Sprecher der Europäischen Kommission wies unterdessen darauf hin, dass damit der Prozess bei der ECHA noch nicht abgeschlossen sei. Die Auffassung des RAC werde nochmals in der Chemikalienagentur geprüft, bevor dann die endgültige Stellungnahme vorliege. Diese werde voraussichtlich vor der Sommerpause an die Kommission gehen. Danach würden die Kommissionsdienste erneut mit den Mitgliedstaaten über die Zulassung von Glyphosat diskutieren.
Dem Kommissionssprecher zufolge muss eine Entscheidung über die Zulassung sechs Monate nach Vorliegen des RAC-Gutachtens beziehungsweise bis spätestens Ende 2017 getroffen werden. Zum Jahresende läuft die derzeit geltende Zulassung für Glyphosat aus. Die EU-Kommission hatte die Zulassung von Glyphosat auf dem EU-Markt um 18 Monate bis Ende 2017 verlängert, nachdem die 28 EU-Mitgliedsländer in den zuständigen EU-Ausschüssen zu keiner qualifizierten Mehrheit für oder gegen die Neuzulassung des Herbizidwirkstoffs gekommen waren.
Der EU-Dachverband der Pflanzenschutzindustrie (ECPA) erwartet nun, dass die EU-Kommission Glyphosat für weitere 15 Jahre zulässt. Auch der kommissarische Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes Agrar (IVA), Dr. Dietrich Pratt, forderte die Kommission auf, jetzt die mehrfach verschobene Genehmigung von Glyphosat zu erteilen. Von der Bundesregierung dürfe man ebenfalls erwarten, dass sie sich für ein zügiges Verfahren in Brüssel einsetze. Es gehe auch um Deutschlands Glaubwürdigkeit in Europa, betonte Pratt. Vor allem aber gehe es darum, den Landwirten in der EU den Einsatz dieses wichtigen Herbizidwirkstoffs zu ermöglichen. Die Arbeitsgemeinschaft Glyphosat (AGG) sieht nun ebenfalls keine Hinderungsgründe mehr, dass sich die Mitgliedstaaten einer erneuten Zulassung von Glyphosat verweigern.
Meinungen gehen weiterhin auseinander
In Deutschland gehen die Meinungen der
Agrarpolitiker hinsichtlich der Zulassung des Herbizidwirkstoffs indes
nach wie vor auseinander. Aus Sicht des agrarpolitischen Sprechers der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Franz-Josef Holzenkamp, ist es jetzt an der
Zeit, auf Basis der nun vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse
eine faktenbasierte Entscheidung zu treffen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sollte sich den wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht
weiter verschließen und ihre Blockadehaltung endlich aufgeben, so der
CDU-Politiker. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt
erklärte, er erwarte nun eine Rückkehr zur Sachlichkeit. Grundlage für
die Entscheidung über die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln bleibe die
wissenschaftliche Bewertung.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks erklärte derweil gegenüber der
Presse, dass Glyphosat eine erhebliche Gefahr für die Artenvielfalt
darstelle. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Hagl-Kehl führte ergänzend
aus, Glyphosat sei weder für Mensch, Tier und Umwelt harmlos noch für
die Landwirtschaft nachhaltig. Langfristiges Ziel der
SPD-Bundestagsfraktion sei deshalb weiterhin der vollständige Ausstieg.
Der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling gab mit Blick auf das
RAC-Gutachten ebenfalls zu bedenken, dass die Krebsgefahr nicht das
einzige Argument gegen diesen Wirkstoff sei. Glyphosat sei „ein enormes
Risiko für die Artenvielfalt, weil es alle unerwünschten Pflanzen und
deren Samenvorräte auf Äckern, Wiesen, Wegen und Plätzen vernichtet”.
Aus Sicht von Häuslings Parteikollegen, dem Bundestagsabgeordneten
Harald Ebner, ist eine Landwirtschaft, die Glyphosat „zum regulären Teil
ihres Systems” macht, ein Auslaufmodell.
Forderung nach Verlängerung
Unterdessen kam auch aus dem Berufsstand die klare
Forderung nach einer Verlängerung der Zulassung von Glyphosat. Nun dürfe
es keine weitere Verzögerung geben, erklärte der Präsident des Bauern-
und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd (BWV), Eberhard Hartelt. Hartelt
ist auch Umweltbeauftragter beim Deutschen Bauernverband (DBV).
Der Grain Club, in dem Verbände der hiesigen Getreide-, Futtermittel-
und Ölsaatenwirtschaft vertreten sind, erwartet nun eine zügige
Fortsetzung des Genehmigungsverfahrens. Der Dachverband wies darauf hin,
dass Glyphosat ein wichtiges ackerbauliches Werkzeug sei.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) erklärte, dass
die Kritik der Umweltverbände an Glyphosat zu einem deutlichen
Problembewusstsein in der Gesellschaft und auch bei den Landwirten
geführt habe. Diese Debatte müsse nun verstärkt fortgesetzt werden,
gerade auch in Richtung einer massiven Einschränkung des Einsatzes
dieses Wirkstoffs. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
(BUND) verwies auf eine Bewertung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin vom Mai 2016 für die ECHA, die nahelege, dass
Glyphosat menschliche Organe schädigen könne. Unbestritten sei, das
Glyphosat maßgeblich verantwortlich für das Artensterben in der
Agrarlandschaft sei.