Betrieb und Wirtschaft | 11. August 2016

Getreideernte in Baden überrascht negativ

Von René Bossert
Erträge und teils auch Qualitäten bei der Getreideernte in Baden erreichen nicht das Niveau, das man sich noch im Frühsommer erhofft hatte. Weil auch in anderen Regionen die Ernte teilweise enttäuscht, erwartet die ZG Raiffeisen bei manchen Kulturen preisbefestigende Impulse.
Die ZG erwartet für Baden eine Getreide-Erntemenge, die 25 % unter der des Vorjahres liegt. Dies berichteten ZG-Vorstandsvorsitzender Dr. Ewald Glaser und ZG-Vermarktungschef Franz Utz am Dienstag vor Journalisten  auf dem Betrieb Sänger und Schwarz GbR in Rheinau-Linx. Auch wenn es zu gewissen Preisbefestigungen kommen sollte,  bleibe das Preisniveau angesichts der niedrigen Erträge für die Landwirte unbefriedigend. „Die Getreideproduktion ist oft nicht kostendeckend, was die angespannte Einkommenssituation verschärft”, stellte Glaser fest.
Zu niedrige Hektolitergewichte sind im Rheintal ein häufiges Problem bei Weizen.
 Die schlechte Ernte in Frankreich und die bisherigen Druschergebnisse in Deutschland lassen die prognostizierten Zahlen schrumpfen.   Die ZG schätzt die EU-Ernte nur noch auf rund 300 Mio. t. Vor der Ernte war man noch von 313 Mio. t ausgegangen. Auch die deutsche Ernte dürfte nach Einschätzung der ZG nur bei 43 Mio. t statt der zuvor erwarteten 48 Mio. t liegen. Damit sinke der Exportbedarf für Weizen aus der EU heraus auf 20 statt 30 Mio. t. „Diese Zahlen lösen zweifellos Preisfantasien aus”, kommentierte Glaser. 
 Unter Berücksichtigung der Eigenversorgung der Betriebe dürfte die ZG-Erfassungsmenge  zwischen 200000 und 220000 Tonnen liegen, erwartet Glaser. Das ist ein Drittel weniger als im Vorjahr. Wer den ZG-Empfehlungen gefolgt sei und hochwertige Fungizide eingesetzt habe, werde trotz des klimatisch schwierigen Jahres eine ordentliche Ernte erzielen.  Wer dagegen billigere oder keine Fungizide eingesetzt habe, werde  nur Futtergetreide ernten – wobei in manchen Fällen wegen der Staunässe die Böden für eine Fungizid-Behandlung gar nicht befahrbar waren.  Vor 50 Jahren hätte nach Glasers Meinung ein derartiger Witterungsverlauf zu einer Missernte geführt und möglicherweise eine Hungersnot ausgelöst.
Bei den einzelnen Kulturen ergibt sich folgendes Bild: Das Ertragsniveau bei  Wintergerste lag mit  4 bis 7,5 t/ha  deutlich unter den Erwartungen. Die Qualitäten sind mit einem Hektolitergewicht von 55 bis 65 kg  durchwachsen. Das  hohe Angebot an Futtergetreide drückte die Preise, die bei 100 bis 120 Euro pro Tonne lagen.
Vollgerstenanteile sehr niedrig
Winterbraugerste brachte  Erträge von  3,5 bis 7 t/ha. Die Eiweißgehalte schwanken  zwischen 8,5 und 12 %, der Vollgerstenanteil lag im Schnitt bei 80 %.  Die Erzeugerpreise liegen zurzeit bei 145 Euro pro Tonne.
Deutlich unter den Vorjahreswerten sowohl bei Ertrag als auch bei Qualität liegt  Sommerbraugerste. Im Schnitt werden 5 t/ha geerntet,  der Vollgerstenanteil liegt  im Schnitt  bei unter 83 %. Die Eiweißgehalte liegen bei  unterdurchschnittlichen 9,5 %. Einige Partien werden deshalb nicht zu Brauzwecken eingesetzt werden können.  Während im Frühjahr bei Vorverträgen von Mälzern Erzeugerpreise von unter 160 Euro/t   signalisiert wurden, liegen die Erzeugerpreise  derzeit bei 165 Euro mit steigender Tendenz. Die ZG  rechnet mit einem leicht unterversorgten Braugerstenmarkt.
Die bisherigen Ergebnisse bei Weizen seien  in Ertrag und Qualität  zufriedenstellend bis enttäuschend. Im Rheintal liegen die Erträge um 20 bis 40 % unter  dem Vorjahr bei  knapp 6 t/ha. Das  Hektolitergewicht  liegt bei einer breiten Streuung bei unterdurchschnittlichen 73 kg, für Backweizen sind  76 kg Mindestanforderung. Die ZG spricht derzeit mit Verarbeitern über Zugeständnisse.
In einigen Partien zeigt sich Fusariumbefall. Von einem generellen Problem könne jedoch nicht gesprochen werden. Auf der Baar beispielsweise, wo die Ernte noch im Gang ist, gebe es keine Fusariumprobleme. Insgesamt rechnet die ZG für die mittleren und späteren Lagen mit besseren Erträgen und Qualitäten, wobei auch hier Einbußen gegenüber 2015 festzustellen sind.  Die Erzeugerpreise bei Weizen bewegen sich derzeit bei 140 Euro/t frei Wasserlager und 130 Euro/t frei Landlager.
Die Erträge bei Roggen liegen bei knapp 5 t/ha bei ordentlichen  Qualitäten. Da der Markt von deutlichen Überschüssen aus ostdeutscher Produktion geprägt ist, liegen die Erzeugerpreise bei 110 bis 120 Euro/t.
 Für die noch ausstehende Ernte bei Hafer erwartet die ZG  unterdurchschnittliche Ertragsmengen und Qualitäten. Die Erzeugerpreise haben leicht angezogen und liegen bei circa 145 Euro/t  für schwere Ware.
Dinkelqualität ordentlich
Die Erträge bei Dinkel liegen im nördlichen Arbeitsgebiet bei
6 bis 8 t/ha, im südlichen Bereich bei 4 bis 7 t/ha.  Die Qualitäten sind  zufriedenstellend.  Der Erzeugerpreis liegt derzeit zwischen 155 und 165 Euro/t. Aufgrund der großen Überhänge aus dem vergangenen Erntejahr erwartet die ZG  kurzfristig keine wesentliche Preissteigerung.   Die Anbaufläche für Dinkel  in Deutschland ist um 20000 Hektar auf  80000 Hektar verringert worden. 
Raps bringt durchschnittliche Erträge von  4 t/ha.   Auf der Baar, wo die Ernte gerade läuft, werden 4 bis 4,5 t/ha eingefahren.  Die Ölgehalte liegen tendenziell  bei durchschnittlichen 43 Prozent. Die Preise liegen nach Niedrigständen in Januar und Februar derzeit bei 330 bis 340 Euro/t. Die Nachfrage der Ölmühlen übersteigt aktuell den weltweit niedrigen Bestand. Raps ist die Kultur, der die ZG den höchsten Spielraum für Preissteigerungen zutraut. Mitglieder könnten ein auf diese
Situation zugeschnittenes Vermarktungsmodell nutzen.
 Für Sojabohnen erwartet die ZG  Erträge um die 4 t/ha  und damit eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr. Nach schwierigen Aussaatbedingungen und einer stark verzögerten Jugendentwicklung haben sich viele Bestände in den vergangenen Wochen erholt.  Landwirte konnten mit der ZG Vorverträge um 400 Euro/t inklusive Gentechnikverzicht- und Nachhaltigkeits-Zuschlag abschließen. Die bei rund 5900 Hektar in Baden-Württemberg gegenüber 2015 stagnierende Anbaufläche erklärt sich aus Sicht der ZG mit den enttäuschenden Erträgen im Vorjahr.
Bedeutend besser als im Vorjahr stehen die Vorzeichen für den  Körnermais. Während das Statistische Bundesamt für Baden-Württemberg eine 16-prozentige Flächenausdehnung    schätzt, nimmt die ZG  für ihr Arbeitsgebiet eine Steigerung von nur 
2 bis 3 % wahr. Nach dem Starkregen im Frühjahr waren
die Aufwuchsbedingungen zunächst nicht optimal.  Nun  stelle der Mais seine  Regenerationsfähigkeiten unter Beweis. Die Regenfälle während des Fahnenschiebens führten zu größtenteils guten Beständen. Falls
Trockenheit und Unwetter ausbleiben, rechnet die  ZG  mit einer guten Ernte und 30 bis 40 % höheren Erträgen als im Vorjahr. Der Erzeugerpreis liege derzeit  bei 145 Euro/t frei Wasserplatz. Unter anderem der hohe Futtergetreideanfall wirke preisdämpfend.