Waldwirtschaft | 05. Februar 2015

Gesucht wird eine gemeinsame Sprache

Von Gernot Raiser
Die Kontroverse zwischen Bundeskartellamt und baden-württembergischem Forstministerium schwelt weiter. Eine Kompromisslösung ist kürzlich überraschend gescheitert. Am 30. Januar bezogen Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, und Max Reger, Landesforstpräsident, Stellung.
Die wirtschaftlichen Aspekte der Holzvermarktung sind im Kartellverfahren umstritten.
Ort des Zusammentreffens war das traditionelle Freiburger Winterkolloquium Forst und Holz an der Universität Freiburg.
Die Kernfrage der Debatte lautet: Ist das Auszeichnen von Bäumen im Bestand zur Holzgewinnung kartellrechtlich relevant?
Die beiden Seiten interpretieren den Stand der Dinge höchst unterschiedlich.
Aus Sicht von Max Reger ist die schriftlich mitgeteilte Haltung des Bundeskartellamtes in dem Verfahren zu widersprüchlich. Dies biete nicht die Rechtssicherheit, die erforderlich sei, um eine Reform der Forststruktur des Landes überhaupt in Angriff zu nehmen. Deshalb habe man die Ende 2014 gefundene Einigung aufgekündigt.
Das Kartellamt wird einen Beschluss fassen
„Die gemachten Zusagen sind zwar zunächst aus der Welt. Wir werden deshalb einen Beschluss fassen müssen. Ich glaube aber, dass der Kompromiss gut war und  möchte ein Stück weit für ihn werben. Ich hoffe, dass nicht alle Türen zugeschlagen sind.”
Der Präsident kann nach eigenen Angaben keine Aussagen zum Inhalt des Beschlusses machen. Schließlich handele es sich um ein schwebendes Verfahren, das zwischen Beschlussabteilung und dem Land geregelt werden müsse. Der Entscheidungsbeschluss werde den Beteiligten nochmals zur Stellungnahme vorgelegt. Als sicher könne aber gelten, dass Waldflächen von weniger als 100 ha weiter vom Verbot der gemeinsamen Vermarktung ausgenommen bleiben.
In dem Verfahren sei das Bundeskartellamt bemüht, eine gesunde Balance herzustellen zwischen den wirtschaftlichen, also kartellrechtlich relevanten Funktionen der Forstwirtschaft, und den, im Vergleich zu gewerblich-industriellen Sektoren, besonderen ökologischen und gesellschaftlichen Aufgaben des Waldes.
Es besteht aus Sicht des Kartellamtes keine Notwendigkeit, vermarktungsnahe Dienstleistungen durch das Land durchzuführen, um diese Waldfunktionen zu sichern. Im Gegenteil: „Ich glaube, dass hier eine Vermischung von hoheitlicher Tätigkeit, wirtschaftlichen Dienstleistungen und Holzverkauf zu Wettbewerbsbeschränkungen führt und das Entstehen wettbewerblicher Strukturen verhindert”, betont Mundt. Er ergänzt, dass in den Bundesländern, in denen nicht der Staat die Holzauszeichnung vornehme, keine Störungen der Nachhaltigkeit, des Naturschutzes und der Erholungsfunktionen erkennbar seien. 
Darüber hinaus betont er, dass das Verfahren mit Baden-Württemberg mit Sicherheit keine Blaupause für die bevorstehenden Verfahren mit anderen Bundesländern sein könne. Diese  müssten jeweils separat betrachtet werden.
Im Übrigen hätten die Zusagen des Landes nach seinen Aussagen keine großen Auswirkungen auf kleine Waldbesitzer gehabt. Weil diese faktisch weiterhin von den gleichen Förstern in den bereits bestehenden, dann aber formell den Landkreisen zugeordneten Forstämtern betreut worden wären. Und sie hätten ihr Holz weiter über die staatliche ForstBW vermarkten können.
„Wir haben an der Zusage des Landes kein Jota geändert”, so das Fazit von Mund
Reger bestreitet einen Konsens
Links: Max Reger, Forstpräsident in Baden-Württemberg. Rechts: Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes.
 
Das bestreitet im Kern Max Reger, der in Freiburg für das Land Baden-Württemberg Stellung bezog. „Im Oktober 2014 hatten wir geglaubt, ein Modell gefunden zu  haben, das vom Kartellamt akzeptiert wird. Kern des Kompromisses war die strikte strukturelle Trennung von Privat- und Körperschaftswald gegenüber dem Staatswald.” Dieses Modell wäre, so Reger weiter, eine sachgerechte Lösung gewesen, auch für die Holzkunden. Auf 76 Prozent der Waldfläche des Landes hätten die Einheitsforstämter auf kommunaler Ebene weiter bestanden.
Doch dann sei ein zweites, erweitertes Anhörungsschreiben des Bundeskartellamtes gekommen. In diesem Beschlussentwurf sei auf den ersten sieben Seiten das aufgeführt, was beide Seiten einvernehmlich ausgehandelt hatten. Dort beschreibt das Kartellamt die Verpflichtungserklärung des Landes als geeignet, um die kartellrechtlichen Bedenken gegen die gemeinsame Holzvermarktung auszuräumen.
Aber in der folgenden, 104-seitigen Begründung dieses Beschlussentwurfes habe sich die Behörde in ihrer rechtlichen Bewertung dem Kompromiss in ganz wesentlichen Punkten diametral entgegengestellt. Wichtige Sachverhalte seien danach vollkommen anders bewertet worden.
„Dieser Beschlussentwurf ist nach unserer Auffassung in sich völlig widersprüchlich und er bietet keinerlei Rechtssicherheit für das Land, die Kreise und auch für die Waldbesitzer. Er stellt das Verhandlungsergebnis von Oktober 2014 auf den Kopf”, urteilt der Landesforstpräsident.
Vor dem Widerruf haben das Land und ForstBW nochmals Versuche unternommen, eine Verhandlungslösung zu finden, betont Reger. Minister Bonde sei zum Kartellamt gefahren und habe persönlich in der Sache vorgesprochen.
Aber die Behörde habe auf ihrem Standpunkt beharrt und keinerlei Kompromissbereitschaft erkennen lasssen. Deshalb habe man die Notbremse gezogen und die abgegebene  Verpflichtungserklärung zurückgezogen. Die erhoffte Verhandlungslösung erscheine nun weit weg, es drohe eine lange Phase der Unsicherheit für Bedienstete, Waldbesitzer und Kunden.
Der Landesforstpräsident appelliert an das Bundeskartellamt: „Belassen Sie es bei den ersten sieben Seiten Ihres Entwurfes und streichen sie die restlichen 104.”