Politik | 03. April 2014

Gemeinsamer Protest mit Wirkung

Von AgE
Scharf kritisiert haben der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Gesamtverband der Deutschen land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) die Pläne zur Einführung eines Mindestlohns. Der Protest war erfolgreich, wie aus einer Meldung des Bundeslandwirtschaftsministeriums hervorgeht.
Deutschlands Landwirte beschäftigen nach amtlichen Statistiken rund 314 000 Saisonarbeitskräfte. 90 Prozent davon kommen aus dem Ausland – vorwiegend aus Osteuropa.
Die vorgesehene Regelung sei ein Eingriff in die Tarifautonomie und werde grundsätzlich abgelehnt, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Tarifautonomie-Stärkungsgesetz.
Nach Auffassung von DBV und GLFA wird der der Inhalt des Referentenentwurfs dem Namen des Gesetzes nicht gerecht. Aufgrund der vorgesehenen Regelungen handele es sich um ein Tarifautonomie-Verringerungsgesetz, heißt es in der Stellungnahme. Darin bedauern beide Verbände, dass keine ihrer Anregungen und Hinweise aus dem Branchendialog Eingang in den Referentenentwurf gefunden hätten.
Ausnahme für Saisonkräfte gefordert
Nicht umgesetzt werde die Ankündigung im Koalitionsvertrag, dass Probleme bei der Saisonarbeit bei der Umsetzung eines Mindestlohns berücksichtigt würden. Mit Nachdruck fordern beide Verbände eine Ausnahmeregelung für Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft vom Mindestlohn. Kurz vor Redaktionsschluss dieser BBZ meldete das Bundeslandwirtschaftsministerium, dass berufsständische Forderungen  nun doch berücksichtigt worden seien (siehe Kasten).
Die vorgesehenen Regelungen führten dazu, dass in vielen Fällen ein Einsatz von Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft betriebswirtschaftlich nicht mehr sinnvoll sei, so DBV und GLFA. Da im Bereich der Sonderkulturen die Lohnkosten bis zu 70 Prozent der Produktionskosten ausmachten, wirke sich deren Anstieg überproportional aus. Vor allem kleinstrukturierte Betriebe würden durch den gesetzlich festgelegten Mindestlohn von 8,50 Euro aus der Produktion ausscheiden, warnten die beiden Verbände.
In ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum Entwurf für ein „Tarifautonomie-Stärkungsgesetz” weisen DBV und GLFA darauf hin, dass ein Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Arbeitsstunde der Praxis in der Landwirtschaft nicht gerecht werde. Ihren Ausführungen zufolge würden durch die Festsetzung des Mindestlohns als Bruttolohn je Zeitstunde die bei vielen landwirtschaftlichen Saisonarbeitskräften angewandten Entlohnungsmodelle nach Akkord nahezu unmöglich werden.
Zusatzleistungen einbeziehen
Im Gesetz sei daher zu regeln, dass bei Akkordentlohnung die Höhe des Mindestlohns je Stunde im Durchschnitt aller Beschäftigungsstunden erreicht werde. Zudem müsse geregelt werden, dass Zusatzleistungen des Arbeitgebers zum mindestlohnrelevanten Bruttolohn zählten. Dazu gehörten Leistungen wie Urlaubsgeld, ein weiteres zusätzliches Gehalt sowie Ergebnisbeteiligungen in Form von Einmalzahlungen.
Nicht akzeptabel sei die Vorgabe, bestehende Tarifverträge durch den gesetzlichen Mindestlohn zum 1. Januar 2015 außer Kraft zu setzen. Die von den landwirtschaftlichen Arbeitgebern und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) abgeschlossenen Tarifverträge müssten bis zum Ende der Laufzeit am 31. Dezember 2018 weiter gelten.
Mit einem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens wird frühestens zur Sommerpause gerechnet. Möglicherweise erfolgt der zweite Durchgang im Bundesrat  erst im Frühherbst.
Gleitender Übergang für Saisonarbeiter kommt
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch kurz vor Redaktionsschluss dieser BBZ das Gesetz zum Mindestlohn („Tarifautonomie-Stärkungsgesetz”) beschlossen. Wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) meldet, findet sich darin nun doch ein gleitender Übergang für Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft bis zum 1. Januar 2017.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt würdigte die erreichte Lösung wie folgt: „Wir haben einen Kompromiss im Gesetzentwurf gefunden, der im Interesse der Landwirtschaft und der Saisonarbeiter ist. Ich bin sehr froh, dass die besonderen Anpassungsprobleme für die landwirtschaftlichen Betriebe von allen Beteiligten gesehen wurden und jetzt berücksichtigt worden sind.” Man werde die Tarifvertragsparteien dabei unterstützen, die Voraussetzungen für eine gleitende Anpassung an den allgemeinen Mindestlohn von 8,50 Euro je Zeitstunde bis zum 1. Januar 2017 zu schaffen.
Schmidt hob hervor, dass Wettbewerbsverzerrungen und eine Verlagerung von Produktion und Arbeitsplätzen ins Ausland in der Landwirtschaft nur durch den vereinbarten gleitenden Übergang bei der Einführung des Mindestlohns zu vermeiden seien. „Mit einer solchen Branchenlösung kann auch die Landwirtschaft, die durch Saisonarbeit besonders geprägt wird, mit Beginn des Jahres 2017 am allgemeinen Mindestlohn teilnehmen.” Jetzt liege es an den Tarifvertragsparteien, zügig Verhandlungen mit dem Ziel aufzunehmen, die eröffneten Möglichkeiten eines gleitenden Übergangs  zu nutzen.
Geklärt wurden laut BMEL auch die offenen Fragen bei der Entlohnung. Die Vereinbarung von Stücklöhnen und Akkordlöhnen bleibe nach Einführung des Mindestlohns zulässig, wenn gewährleistet ist, dass der Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden erreicht wird. „Dies ist ein wichtiges Signal für unsere Landwirte mit Sonderkulturbetrieben und für den Erhalt der Produktion in Deutschland”, so Schmidts Fazit der Auswirkungen des am Mittwoch  beschlossenen Gesetzes.