Unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen Branchenvertreter aus dem Milchbericht, den Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt anlässlich des sogenannten Milchgipfels vergangene Woche in Berlin vorgelegt hat.
Beim Milchgipfel wurden einmal mehr die unterschiedlichen Ansichten in der Branche hierzulande deutlich.
Der Minister zeigte sich zufrieden über den Verlauf des Gipfels. Nun müsse es darum gehen, die Erkenntnisse über bestehende Strukturdefizite in konkretes Handeln umzusetzen. Schmidt machte nach der Unterredung in großer Runde deutlich, dass er den Diskussionsstand nur als Zwischenschritt sieht.
Ganz oben steht für ihn eine Modernisierung der Lieferbeziehungen mit dem Ziel einer besseren Verteilung des Marktrisikos innerhalb der Kette, das bislang einseitig von den Erzeugern getragen werde. Schmidt erwartet von der Branche Lösungen. Optimistisch beurteilt er die Aussichten für die Bildung eines Branchenverbandes.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht Handlungsbedarf. Der DBV-Milchbauernpräsident Karsten Schmal rief dazu auf, die strukturellen Defizite in dem
genossenschaftlich geprägten deutschen Milchsektor zu beseitigen. Lieferbeziehungen zwischen Milchbauern und Molkereien müssten endlich neu ausgerichtet werden. Die in Brüssel anstehende Überarbeitung der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) könne den gesetzlichen Rahmen setzen, um eine Modernisierung der Preisgestaltung zu unterstützen. Brachliegende Wertschöpfungspotenziale müssten entschiedener angegangen werden.
Weckruf
Die anstehende Übernahme der Molkerei Omira durch den
französischen Privatkonzern Lactalis sei „mehr als ein Weckruf” für
die deutschen Genossenschaften. Ziel der anstehenden Neuausrichtung der
Lieferbeziehungen müsse es sein, die Stellung und Verantwortung der
Milchbauern zu stärken.
Offen zeigte er sich für die Schaffung eines Branchenverbandes. Dies
sei eine Chance, um zum Beispiel die Absatzförderung, die Standards
gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel oder die Umsetzung von
Instrumenten zum Umgang mit Preiskrisen zu diskutieren.
Demgegenüber sprach sich der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) gegen eine
Anpassung der EU-Vorschrift mit dem Ziel einer strikteren Regelung
hinsichtlich Rohmilchpreisen und
-mengen aus. Der DRV warnte davor, die Andienungs- und Abnahmepflicht in Frage zu stellen. Die Abnahmegarantie der Genossenschaft biete gerade
in Tiefpreisphasen den Erzeugern ein hohes Maß an Sicherheit. Der DRV
relativierte damit die Einschätzung im Milchbericht, die Andienungs- und
Abnahmepflicht erhöhe bei schwacher Nachfrage die Preisvolatilität und
befördere den Rückgang der Preise. Offen zeigt sich der DRV gegenüber
der Gründung eines Branchenverbandes. Voraussetzung sei allerdings,
dass dies von der genossenschaftlichen Molkereiwirtschaft befürwortet
werde und in der Praxis ein Mehrwert entstehe.
„Die Lieferbeziehungen zwischen Molkerei und Milcherzeuger werden
durch die Vertragsbeteiligten geregelt”, betonte der Vorsitzende des
Milchindustrieverbandes, Peter Stahl. Kritik übte er an den
Vorschlägen des Bundeskartellamtes zur Neugestaltung der
Lieferbeziehungen, die er als „nicht zielführend” bezeichnete. Wer
Lieferbeziehungen staatlich regulieren wolle, müsse das in Brüssel tun,
nicht in Bonn.
Sprechen statt schießen
Einer möglichen Änderung der
Gemeinsamen Marktorganisation steht der MIV skeptisch gegenüber, will
sich einer Diskussion aber nicht verschließen. MIV-Geschäftsführer
Eckhard Heuser räumt dem Unterfangen wenig Aussichten ein. Er zog ein
zufriedenstellendes Fazit der Gespräche: „Besser man spricht
miteinander, als dass man schießt.”
„Es muss analysiert werden, was nur auf Branchenebene geleistet werden
kann und was realistisch nicht funktionieren wird, weil die Interessen
in der Branche zu unterschiedlich sind”, erklärte der Vorsitzende des
Bundesverbandes der Milchviehhalter (BDM), Romuald Schaber. Zwar halte
man es für nötig, dass alle Beteiligten mehr Verantwortung übernehmen.
Globale Marktkrisen könnten so aber nicht gelöst werden. Sie
erforderten ein organisiertes und zeitnahes Handeln auf EU-Ebene.
Ottmar Ilchmann, Milchsprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft (AbL), bescheinigte dem Bundeskartellamt, mit seinem
Pilotverfahren gegen das Deutsche Milchkontor „richtig Bewegung” in die
bislang festgefahrene Diskussion zu bringen.
Was das Ministerium vorschlägt
Das Bundeslandwirtschaftsministerium betont in seinem 40 Seiten umfassenden Milchbericht die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette und schlägt dafür die Gründung eines Branchenverbandes vor.
Unerlässlich sei die Neugestaltung der Lieferbeziehungen zwischen Erzeugern und Molkereien. Zu den gegenwärtigen Defiziten zählt das Agrarressort die vollständige Andienungs- und Abnahmepflicht, das System der nachträglichen Preisfestsetzung sowie eine zu träge Anpassung des Rohmilchangebots an eine sich verschlechternde Marktlage. Das Ministerium verweist in dem Bericht auf die Verantwortung der Wirtschaft bei der erforderlichen Modernisierung der Lieferbedingungen und unterstreicht sein Interesse an einer Fortentwicklung von Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung.
Gefordert sieht das Ministerium die Branche auch im Hinblick auf eine stärkere Preisabsicherung. Mit Terminkontrakten für Agrarprodukte stehe ein geeignetes privatwirtschaftliches Instrument zur Verfügung.
Bewährt haben sich nach Einschätzung des Ministeriums die bestehenden Kriseninstrumente auf europäischer Ebene. Sie ermöglichten eine flexible und angepasste Reaktion auf außergewöhnliche Marktstörungen. Als unvereinbar mit dem EU-Recht werden zeitlich befristete, entschädigungslose Mengenbegrenzungen abgelehnt.