Tierhaltung | 29. November 2019

Gebrauchskreuzungen sind gefragter

Von Frank Gräter, LEL Schwäbisch Gmünd
Für die anfallenden Nutzkälber überhaupt noch einen Absatzmarkt zu finden, wird für Holsteinbetriebe immer schwieriger. Lohnt es sich, auf Gebrauchskreuzungen zu setzen?
Beim Einsatz von gesextem Sperma werden deutlich weniger Kühe in einer Herde für die eigene Nachzucht benötigt.
Die Preise für schwarzbunte Nutzkälber liegen am Boden. Die Situation im Handel ist derzeit so extrem, dass Kälber mit minderer Qualität, vor allem weibliche Holstein-Mastkälber, kaum noch abgesetzt werden können. Teilweise müssen die Landwirte froh sein, wenn Händler ihnen die Kälber überhaupt noch abnehmen.
Üblicherweise geht die Mehrzahl der schwarzbunten Bullenkälber und auch der weiblichen Nutzkälber in die Kälbermast. Sie werden über Händler und Sammelstellen erfasst, sortiert und an  Kälbermastbetriebe in Deutschland und auch im Ausland verkauft. Die Kälbermast findet überwiegend in großen, spezialisierten Betrieben statt. Hierbei wird laut Aussage des Handels von Käuferseite sehr stark auf Qualität geachtet.
Vor allem der Export ins Ausland ist derzeit stark gehemmt, zum einen durch gewisse Handelsbeschränkungen durch das Auftreten der Blauzungenkrankheit. Eine weitere Ursache ist laut Aussage des Handels, dass Transportgenehmigungen ins Ausland von den Veterinärbehörden aus Tierschutzgründen nicht mehr so leicht zu bekommen sind. Aus all diesen Gründen kommt es derzeit zu einem massiven Überangebot an Mastkälbern. Dadurch fallen Kälber mit schlechteren Qualitäten zuerst durch und sind kaum noch verkäuflich.
 
Einkreuzung mit Fleischrassebullen
Um das ökonomische Ergebnis in der Milchviehhaltung zu verbessern, gibt es viele Ansatzpunkte. Der Erlös aus dem Kälberverkauf ist nur einer und bietet sicher nicht die größte Stellschraube. Insbesondere bei der Milcherzeugung mit Milchrassen spielt der Kälbererlös schon immer nur eine vergleichsweise geringe Rolle. Trotzdem ist es wichtig, den Kälberverkauf zu optimieren, insbesondere wenn es darum geht, für die anfallenden Kälber überhaupt noch einen Absatzmarkt zu finden.
Eine Möglichkeit für Holsteinbetriebe, die Absatzmöglichkeiten der Nutzkälber zu verbessern, ist der Einsatz von Fleischrassebullen. Diese Anpaarung wird in Braunviehbetrieben bereits seit vielen Jahren erfolgreich praktiziert, hat sich aber inzwischen auch in Holsteinbetrieben etabliert. Diese Kreuzungskälber honoriert der Handel mit Preisen fast vergleichbar mit Fleckviehkälbern. Voraussetzung ist jedoch, dass eine entsprechende Qualität auf der Vaterseite eingesetzt wird. Allerdings wird dieses Anpaarungsverfahren in Milchviehbetrieben bisher meist nur bei Einzeltieren angewendet, die von  vornherein nicht für die Nachzucht  in Frage kommen.
 
Verwendung von gesextem Sperma
Diese Kreuzungsanpaarung lässt sich noch deutlich ausweiten, wenn der Landwirt gesextes Sperma einsetzt. Dabei wird bei Kühen, bei denen der Landwirt Wert auf die weibliche Nachzucht legt, gezielt Sperma eingesetzt, das zu 95 Prozent weibliche Nachkommen erwarten lässt. Dadurch werden deutlich weniger Kühe in einer Herde für die eigene Nachzucht benötigt. Die anderen Kühe können dann mit Fleischrassebullen belegt werden – im günstigen Fall mehr als  50 Prozent der Herde.
Wie sich dies auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt, ist in der Tabelle beispielhaft dargestellt. Die Preise für die Kälber sind an den Rinderreport 2018 angelehnt. Diese Preise sind kalkulatorische Ansätze zum Zeitpunkt der Geburt und spiegeln nicht den tatsächlichen Verkaufspreis wider. Da der Verkauf der Kälber in der Praxis zu unterschiedlichen Zeitpunkten (Alter, Gewicht) stattfindet und die Kälber bis zum Verkauf unterschiedlich hohe Kosten verursachen, ist der Vergleich zum Zeitpunkt der Geburt am aussagekräftigsten. Die tatsächlichen Unterschiede bei den Kälbererlösen können sich daher, abhängig von Art und Länge der Kälberaufzucht bis zum Verkauf, noch entsprechend ändern.
Es sind darüber hinaus Wertansätze, die das Preisniveau über einen längeren Zeitraum abbilden und nicht das aktuelle, sehr niedrige Preisniveau. Züchterische Entscheidungen wirken sich erst mittel- bis langfristig aus und sollten sich daher auch an langfristigen Preiserwartungen ausrichten.
Die Anpaarungsstrategie, gesextes Sperma in Verbindung mit dem Einsatz von Fleischbullen zu verwenden, kann den Holsteinbetrieben eine deutliche Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und auch der Absatzmöglichkeiten bringen, da durch diese Strategie die Anzahl der zu vermarktenden  Holsteinnutzkälber deutlich verringert wird.
 
Was zu beachten ist
Bei der Auswahl der geeigneten Vaterrasse ist allerdings Folgendes  zu beachten: Kalbeverlauf und Masteignung stehen tendenziell in negativer Beziehung zueinander. Für die Mast besonders geeignet und auch vom Handel gewünscht sind Kreuzungskälber mit Weiß-Blauen Belgiern (WBB). Diese Rasse wird auch bereits breit eingesetzt. Wichtig ist dabei, gezielt passende Besamungsbullen mit positivem Kalbeverlauf einzusetzen. Auswertungen vom VIT (Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung) in Verden zeigen nämlich, dass in der Vergangenheit  Holsteinkühe mit Kreuzungskälbern von WBB mehr Schwergeburten hatten.
Andere Rassen, wie beispielsweise Limousin, lassen einen günstigeren Kalbeverlauf erwarten, die Kälber sind allerdings vom Handel weniger gefragt. Andere potenzielle Kreuzungspartner werden derzeit von  Zuchtorganisationen wie der RBW getestet. Ziel für den Milchviehhalter sollte es sein, durch den Einsatz von Fleischrassebullen keine größeren Probleme bei Trächtigkeit, Abkalbung und Frischmelkermanagement zu haben als beim Einsatz von Holsteinbullen. Ganz entscheidend hierbei ist allerdings auch das Management in diesem Laktationsabschnitt der Kuh.
Welche Strategie ein Betrieb einschlägt, ist stark von der einzelbetrieblichen Situation und dem Management des Betriebsleiters abhängig. Der Einsatz von Fleischrassebullen kann sicher eine ökonomische Verbesserung der Kälbervermarktung bewirken. Generell gilt: Gute Qualität wird honoriert, egal welcher Herkunft.