Die Fruchtwechsel-Vorgabe im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) soll nach den Vorstellungen von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir noch nicht im nächsten Jahr zur Anwendung kommen.
Auf rund 600000 Hektar wurde in den vergangenen Jahren in Deutschland Stoppelweizen angebaut.
Gemäß dem GLÖZ 7-Standard in der Konditionalität ist von Betrieben mit mehr als zehn Hektar Ackerland ein Fruchtwechsel vorzunehmen. Der Anbau derselben Hauptkultur zwei Jahre hintereinander auf derselben Ackerfläche ist damit grundsätzlich nicht mehr zulässig. Mit Blick auf die weltweite Ernährungssicherung setzt sich Agrarminister Özdemir in Brüssel dafür ein, dass die neue Regelung zum Fruchtwechsel verschoben wird. Andernfalls könne schon bei dieser Herbstaussaat nicht mehr Weizen auf Weizen angebaut werden.
Nur erster Schritt
Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Artenschutz
seien die großen Aufgaben dieser Zeit. „Daran müssen wir uns messen
lassen”, sagte Özdemir. Der Deutsche Bauernverband (DBV) begrüßte die
Initiative. „Wir wollen weiter im bisherigen Umfang Brotweizen anbauen
können”, erklärte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Ein
Fruchtwechsel-Aufschub könne jedoch nur ein erster Schritt sein. „Wir
erwarten jetzt Vorschläge aus Brüssel und Berlin, wie die
Ernährungskrise gelöst werden kann”, betonte Rukwied. Nach Schätzung des
DBV kann bei einem Verzicht auf die Fruchtwechsel-Vorgabe im Rahmen der
Konditionalität im Jahr 2023 eine Ernte von Stoppelweizen im Umfang von
rund vier Millionen Tonnen aufrechterhalten werden.
Die Brüsseler EU-Kommission soll klarstellen, dass der Fruchtwechsel
erst im Jahr 2024 im Vergleich zum Jahr 2023 erfüllt sein muss. Dies
würde dem Berliner Agrarressort zufolge die laufenden Anbauplanungen der
Landwirte und die Abwicklung der EU-Agrarförderung im Jahr 2023
erheblich erleichtern, ohne dass damit nennenswerte negative
Auswirkungen auf den Klimaschutz oder die Biodiversität verbunden wären.
Als „Irrweg” kritisierte Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister
Dr. Till Backhaus den Vorschlag seines Berliner Amtskollegen. „Ich
frage mich allmählich, wer Herrn Özdemir berät”, so der SPD-Politiker. Bei Özdemirs Vorschlag müsse man sich wundern, wo die grünen
Positionen blieben. Erneut übte Backhaus Kritik an Özdemirs ablehnender
Haltung gegenüber dem Vorschlag, Brachflächen zur
Nahrungsmittelproduktion freizugeben.
Im Krisenmanagement angekommen
Der Vorsitzende des
Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament, Norbert Lins,
signalisierte Özdemir hingegen Unterstützung. Dessen Vorstoß zum
Fruchtwechsel wertet der CDU-Politiker als Signal, dass der Minister
„nun langsam auch im Krisenmanagement angekommen ist.”
Darüber hinaus regte Lins an, auch die Aussetzung der Stilllegungsfrage
in Brüssel gemeinsam voranzubringen. Hier soll der Anteil nach jetzigem
Stand beim Inkrafttreten der GAP ab dem kommenden Jahr auf vier Prozent
der Ackerfläche erhöht werden.