Waldwirtschaft | 04. Mai 2023

Frontalangriff gegen die Holzenergie

Von Gerhard Bernauer
Bei der Mitgliederversammlung der Forstkammer Baden-Württemberg am 27. April ging deren Präsident Roland Burger hart mit dem Entwurf des Bundeskabinetts zum neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG) ins Gericht.
Minister Peter Hauk (l.) bei seinen Grußworten an die Mitgliederversammlung. Auf dem Podium (v. l.): Forstkammer-Geschäftsführer Jerg Hilt, Forstkammer-Präsident Roland Burger, Erster Vizepräsident Karl-Eugen Graf zu Neipperg und Zweiter Vizepräsident Martin Tritschler.
Vor den rund 150 Mitgliedern und Gästen in Schwäbisch Gmünd verurteilte er das Vorhaben der Ampel-Regierung als Frontalangriff gegen die Holzenergie und den ländlichen Raum. Danach würden Pellet-, Scheitholz- und Hackschnitzelzentralheizungen im Neubau faktisch verboten. Dabei konnte kurz zuvor noch mit vereinten Kräften und dem Votum des Ministerrats der Beschluss des EU-Parlaments abgewendet werden, wonach heimisches Brennholz nicht mehr als erneuerbare Energie eingestuft werden sollte, hielt Burger dagegen.
In manchen gesellschaftlichen Entwicklungen sieht Burger Parallelen zum Wald und zur Forstwirtschaft. „Viele fragwürdige Ideen finden inzwischen Anklang in der Politik in Brüssel und Berlin. Falsche Einstellung und mangelndes Problembewusstsein bei zunehmender Deindustrialisierung und in der Energiekrise gefährden den Wohlstand des Landes, weil viele glauben, disen durch Stillstand sichern zu können.” Burger zitierte mit diesen Worten den früheren Ministerpräsidenten des Landes, Günther Oettinger, der diese Haltung nicht nur in der Politik, sondern auch in der Gesellschaft beobachtet – also bei den wohlhabenden und urban lebenden Menschen.
Der  Traum von einer unberührten NaturWildnis entsteht nicht, wenn geschützte Landschaften sich selbst überlassen werden. Zu diesem Ergebnis kommt zum Beispiel Jan Haft in seinem Buch „Wildnis – Unser Traum von unberührter Natur”. Darin führt der Biologe und Naturfilmer den Nachweis, dass Artenvielfalt Weidevieh, das heißt offene Landschaften, braucht. Zumindest für den traditionellen Naturschutz ist die Erkenntnis verblüffend, dass Wildnis das geplante Eingreifen des Menschen erfordert, meint der Autor.
Diese Beispiele zeigen Burger, dass Stillstand weder Lösung für das Problem der klimabedingten Waldschäden noch für ein vermeintliches „Zurück zur Natur” ist. Die Überzeugung, nach der die Natur es besser richten würde, bezeichnet Burger schlicht als falsch. Die Forderung, in den Gemeindewäldern die Forstwirtschaft abzuschaffen, komme längst nicht nur von ökologischen Fundamentalisten, sondern vermehrt auch aus dem von Oettinger beschriebenen Klientel, beklagte Burger. Er führt das auf deren Bezugsverlust zum Leben im ländlichen Raum und Wirtschaften mit der Natur zurück.
Neues Gesetz überflüssig
„Auch in Baden-Württemberg gibt es Kräfte, welche die Waldbewirtschaftung einschränken oder zumindest stärker reglementieren möchten”, mahnt Burger. Mit der aktuellen Novelle des Landeswaldgesetzes will die Landesregierung neue ökologische Mindeststandards vorschreiben.
Die Waldbesitzer halten das weder für notwendig noch für sinnvoll. Burger begründet dies mit den erst vor drei Jahren gesetzlich erweiterten Standards. „In den letzten Jahren sind unsere Wälder immer älter, immer vorrats- und laubholzreicher, gemischter und naturnäher geworden. Über ausreichend Tot- holzanteil müssen wir uns angesichts der Waldschäden leider auch keine Sorgen machen”, ergänzte er. „Mit Stillstand oder ökologischen Mindeststandards halten wir die Dynamik des Klimawandels nicht auf”, gab Burger zu bedenken. Klimaresiliente und vielfältig leistungsfähige Wälder könne man nicht vorschreiben. Dafür benötige man engagierte und motivierte Waldbesitzer, die nicht noch weiter eingeengt werden.
Den 240000 privaten und 1000 kommunalen Waldbesitzern in Baden-Württemberg machte Burger Mut, ihre Wälder weiter aktiv zu bewirtschaften. „Wir müssen mehr Forstwirtschaft wagen”, rief Burger die Mitglieder auf. Dies sei auch das Jahresmotto des Waldbesitzerverbandes.
Die Landesregierung ist für Waldbewirtschaftung
Für  Peter Hauk, Baden-Württembergs Forstminister, sind die Wälder nicht nur stark vom Klimawandel bedroht, sondern selbst wichtige Klimaschützer. Er betonte, dass die Landesregierung klar zu einer Waldbewirtschaftung steht. Diese sei die Voraussetzung, um in die Dekarbonisierungsphase und den Ersatz fossiler Brennstoffe zu kommen. Wald sei deshalb Teil der Problemlösung für die Bewältigung der Klimaveränderung, stellte der Minister klar.
Die große Herausforderung sieht Hauk in der Anpassungsfähigkeit der Waldbesitzer bei diesem Transformationsprozess. Er erinnerte deshalb daran, rechtzeitig in der zweiten Jahreshälfte die Mittel im Rahmen der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) neu zu beantragen. Kassenschluss sei Anfang Dezember 2023.
In den vergangenen Jahren habe das Landeskabinett auch die Sägeindustrie ermuntert, ihre Wertschöpfung zu verbessern. Um heimisches Holz vor Ort  zu verwenden und verarbeiten zu können, wirbt Hauk für die Ansiedelung weiterer Unternehmen. „Nach meinen Erfahrungen hat Konkurrenz noch niemals dem Geschäft geschadet”, argumentierte er.
Angesichts der bundesweiten Waldschäden, die dringend den Umbau von rund drei Millionen Hektar Wald erforderten, sprach der Präsident des Bundesverbandes der Waldeigentümer (AGDW), Professor Andreas Bitter, von einer Kraftanstrengung für die Waldbesitzer und die Gesellschaft. Hierzu seien Mittel zwischen 15 und 45 Milliarden Euro nötig.
Waldbesitzer sind nach seiner Aussage Opfer des Klimawandels und keinesfalls die Täter. In der öffentlichen Opfer-Täter-Umkehr erkennt Bitter allerdings genau das Narrativ, mit dem waldbauliche Anstrengungen immer häufiger in Frage gestellt werden. Dies sei ein erheblicher Wiederspruch zur sonstigen Wertschätzung des Waldes in der Gesellschaft. Bitter ist das Bekenntnis zum Holz wichtig, der wichtigsten Versorgungsleistung des Waldes. 
Finanzierungsgrundlage neu überdenken
Zur Zukunftsfähigkeit der Waldbewirtschaftung zähle außerdem die Finanzierung. Vor dem Hintergrund der Krise und der zerstörten Wälder hält Bitter das bisherige Geschäftsmodell der Forstwirtschaft für nicht zukunftsfähig. Er sprach sich dafür aus, die gesamte Bandbreite der Ökosystemleistungen des Waldes als Finanzierungsgrundlage zu erschließen. Dazu zählt er zusätzlich zu den Erträgen aus der Holzproduktion unter anderem auch Erträge aus der Windenergie, dem Vertragsnaturschutz oder aus einem Ökokontosystem. Eine gute Perspektive sieht er auch bei Leistungen für öffentliche Güter, also für Kultur, Erholung oder das Landschaftsbild. Denn gerade in dieser Krise „brauchen wir nicht nur Forderungen und Gebote, sondern faire Angebote, die Zukunftsfähigkeit entwickeln”, forderte der AGDW-Präsident.
Kommunikation anpassen
Professor Michael Suda von der Technischen Universität München (TUM) konzentriert sich an seinem Lehrstuhl auf die Analyse politischer Prozesse im Umfeld der Landnutzung. In seinem launigen Vortrag beleuchtete er den Transformationsprozess, in dem sich Wald und Gesellschaft vor dem Hintergrund des Klimawandels befinden. Für die öffentliche Kommunikation empfahl der Wissenschaftler den Waldbesitzern, ihre eigene Geschichte zu erzählen, weil diese „unschlagbar” sei. Sie sollten ihr eigenes Tun ins Zentrum stellen und möglichst „nicht über jedes Stöckchen” springen, das ihnen hingehalten werde. Suda gab den Rat, sich in der Öffentlichkeitsarbeit nicht auf die unspezifische Masse zu konzentrieren. Besser sei es, sich auf die zentralen Akteure zu konzentrieren: Politik, Medien, Verbände und Bündnispartner.
Die Vielfalt der Eigentumsstruktur sollte als Chance genutzt werden, weil auch kleine, urbane und weibliche Waldbesitzer Vereine bilden und kommunizieren können. Anstatt sich immer nur auf den Minimalkonsens zu einigen, sollte die Forstwirtschaft in der Öffentlichkeit ruhig auch mal um die bessere Lösung streiten. Dies zeige nach außen, dass über unterschiedliche Dinge nachgedacht wird.
Sudas Schlussplädoyer lautete: „Forstwirtschaft ist nicht die Produktion von Holz, sondern die Gestaltung der Beziehung zwischen Wald und Mensch.