Betrieb und Wirtschaft | 06. August 2015

Food-Assembly: Der Internet-Bauernmarkt

Von René Bossert
Aus Frankreich kommt ein Vermarktungskonzept mit dem Namen „Food Assembly”. Dabei handelt es sich um eine Internet-Plattform, die eine spezielle Art der Direktvermarktung ermöglicht. Das Konzept hat sich in Frankreich schnell verbreitet und nun auch in Deutschland Fuß gefasst.
Food Assembly heißt übersetzt Nahrungsmittel-Versammlung.  Eine Assembly ist eine Dreiecksbeziehung: Es gibt die Erzeuger,  die Mitglieder (Verbraucher) und die Assembly-Gastgeber. Vermarktet werden qualitativ hochwertige Lebensmittel aus der Region, wobei das Internet die Kommunikationsbasis bildet.
Auch in Deutschland gibt es seit Ende 2014 Food Assemblies. Hier ein Bild von einer Food Assembly-Eröffnung in München.

Wie ist der Ablauf?  Die Kunden bestellen im Internet. Der Gastgeber hat ihnen zuvor  eine Liste mit den aktuell angebotenen Produkten gemailt. Die Erzeuger liefern die vorbestellte Ware   an einen Ort, wo der  Gastgeber Räumlichkeiten für die Übergabe zur Verfügung stellt. Die Kunden holen die Ware dort selbst ab.
Wöchentlich
In der Regel geschieht die Übergabe einmal pro Woche. Auch was die Verbraucher und die Erzeuger angeht, ist die Food Assembly eine Sache, die typische Wochenmarkt-Kunden anzieht: Sie haben Interesse an qualitativ hochwertigen Lebensmitteln und  Spezialitäten –   und sie sind bereit, dafür auch ordentliche Preise zu bezahlen. Angeboten werden Bio- und konventionelle Produkte. Auch  Landwirte können als Gastgeber fungieren.
2011 wurden die ersten Assemblies in Frankreich gegründet. Mittlerweile gibt es 700 Stück davon, größere und kleinere. Anita Guegan ist Assembly-Gastgeberin im elsässischen Städtchen Munster. Ihre Assembly hat sie im Herbst 2014  gegründet. Sie hat derzeit 17 Lieferanten und gut 300 Verbraucher als Mitglieder. Von denen bestellen aber nur rund 10% regelmäßig, wie sie berichtet.    Mitglied zu sein kostet nichts. Es gibt  keine Verpflichtung, regelmäßig etwas abzunehmen.  
Bis Mittwochabend müssen ihre Mitglieder im Internet bestellen, was sie am Freitag abholen wollen. Der Erzeuger legt eine Mindestbestellmenge fest. Wird diese nicht erreicht, liefert er in dieser Woche nicht. Anita Guegan nutzt  einen 40 Quadratmeter großen Raum in einem Altersheim  für die Übergabe. Den hat sie sogar kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen.
Die Übergabe ist schnell abgewickelt: „Bei meiner Assembly geht das innerhalb einer Stunde am Freitagabend”, so ihre Erfahrung. In den meisten anderen Assemblies werden zwei Stunden Zeit angesetzt.
Für Anita Guegan ist die Assembly ein kleiner Zuverdienst von etwa  200  Euro im Monat –  „und es macht mir großen Spaß”, fügt sie hinzu. Sie erhält eine Umsatzprovision: 8,35% des Warenumsatzes vor Steuern. Ebenfalls 8,35% fließen an das Unternehmen, das hinter Food Assembly steht: die Firma Equanum. Dies beudeutet aus Erzeugersicht, dass insgesamt 16,7% des Umsatzes für die Dienstleistung anfallen.
Bezahlt wird im Internet per Kreditkarte – vor der Lieferung. Nicht zuletzt deswegen geht die Übergabe flott.  Auch die Webseite von Food Assembly funktioniert gut, so Guegans  Erfahrung.  Sie ist übersichtlich gestaltet und schnell zu bedienen, für sie als Gastgeberin und für die Kunden. Die Erzeuger können sich und ihre Produkte mit Fotos vorstellen.
„Wie ich als Gastgeberin genau die Übergabe gestalte, bleibt mir überlassen”, berichtet Anita Guegan. Den Dialog zwischen Kunden und  Erzeugern zu fördern, ist  Bestandteil ihrer Arbeit. Eine Kleinigkeit zum Trinken mitbringen, mal eine kleine Verkostung während der Übergabe organisieren, das sei  ein überschaubarer Aufwand. Zu Beginn musste sie einiges an Zeit investieren, nicht zuletzt  um  Erzeuger zu finden. Ein halbes Jahr Vorlaufzeit war nötig. Aber inzwischen läuft es  und die Umsätze steigen. Wenn sie im Sommer in Urlaub geht, wird sie  sich vertreten lassen – die Food Assembly soll keine Woche ausfallen.
Bedrohung?
Ist die Food Assembly eine Bedrohung für bestehende Bauernmärkte? „Es ist  eine Ergäzung”, meint Anita Guegan. Man erreiche auch Kunden, die nicht auf dem Bauernmarkt einkaufen, etwa weil sie am Samstag keine Zeit haben. Einige ihrer Erzeuger haben zwar Hofläden, aber keinen Stand auf einem Wochenmarkt. Mithilfe der  Food Assembly kann man auch die Kunden erreichen, die frische und gute Produkte kaufen wollen, aber nicht zu einem Hofladen fahren wollen. Die Logistik versuchen Guegans Erzeuger schlank zu halten: Einer nimmt für den anderen etwas mit, wenn es sich anbietet. 
Food Assembly hat sich in Frankreich sehr dynamisch entwickelt: Im Herbst  2011 gingen die ersten Assemblies an den Start, Anfang 2014 waren es schon über 300 Stück, mittlerweile sind es über 700.   2014 lag der  Umsatz aller Assemblies bei rund 24 Millionen Euro. 
In Deutschland, Großbritannien und Spanien gibt es inzwischen auch Assemblies.  In Deutschland sind die ersten Assemblies im Sommer 2014 gegründet worden, mittlerweile sind rund zwölf entstanden, weitere 25 sind im Aufbau.
Schwerpunkt ist Berlin, aber auch in München und Köln gibt es einige. Aber es sind nicht ausschließlich große Städte, in denen sich etwas tut. 
Hinter Food Assembly steht die Firma Equanum, die der ehemalige Industrie-Designer Guilhelm Chéron zusammen mit zwei Partnern 2010 gegründet hat.  Die drei Gründer halten auch heute noch rund 60 % der Anteile des Unternehmens, das inzwischen 35 Angestellte beschäftigt und 2015 schwarze Zahlen schreiben will. Inzwischen wurde auch eine deutsche Tochterfirma gegründet.
Das Unternehmen sieht sich als Teil einer gesellschaftlichen Entwicklung für nachhaltige Ernährung und sieht sich sozialen und ökologischen Zielen verpflichtet. Regional, fair und sozial sind weitere Stichworte der Unternehmensphilosophie, wobei ein Einzugsbereich von 150 Kilometern um die jeweilige Food Assembly als regional definiert wird.