Die Europawahl in Deutschland am 9. Juni wird aller Voraussicht nach zu ein paar Mandatswechseln bei den deutschen Agrarpolitikern führen. Allerdings dürften auch mehrere bekannte Gesichter dem Landwirtschaftsausschuss des Europaparlaments erhalten bleiben.
Drei Agrarpolitiker, die wieder antreten für das Europaparlament, mit guten Chancen auf Wiederwahl (von links): Norbert Lins (CDU), Maria Noichl (SPD), Martin Häusling (Grüne).
Gute Chancen werden dem Vorsitzenden des Gremiums, Norbert Lins, eingeräumt. Seine Partei, die CDU, stellt ihre Kandidaten über Landeslisten auf. Lins steht in seinem Heimatbundesland Baden-Württemberg auf Platz vier der CDU-Liste. Sollte seine Partei dort das Ergebnis von 30,8 Prozent der Stimmen wie bei der Europawahl 2019 mindestens halten, kann Lins mit seinem Wiedereinzug rechnen.
Nicht erneut zur Wiederwahl antreten wird der langjährige CDU-Europaabgeordnete Peter Jahr. Er sitzt bereits seit 2009 für den Freistaat Sachsen im EU-Parlament. Jahr war unter anderem für die wichtige Strategieplan-Verordnung im Rahmen der 2023 in Kraft getretenen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) Verhandlungsführer des Parlaments.
Marlene Mortler tritt nicht mehr an
Nach nur einer Legislaturperiode in Straßburg und
Brüssel wird die CSU-Abgeordnete Marlene Mortler ebenfalls nicht mehr
zur Wahl antreten.
Ihr könnte unter Umständen Stefan Köhler nachfolgen. Er hat den
Listenplatz sechs der CSU in Bayern inne. Bei der Wahl 2019 konnte seine
Partei sechs Mandate gewinnen. Unter den aussichtsreichen Listenplätzen
der CSU ist Köhler der einzige Kandidat mit einem landwirtschaftlichen
Hintergrund. Er ist beim Bayerischen Bauernverband (BBV)
Bezirkspräsident für Unterfranken.
Nahezu sicher ist der Wiedereinzug der SPD-Agrarpolitikerin Maria
Noichl. Die Hauswirtschaftsmeisterin und Lehrerin steht auf der
Bundesliste der SPD auf Platz drei. Die vormalige bayerische
Landtagsabgeordnete ist seit 2014 Mitglied der EU-Volksvertretung und
seitdem auch Vollmitglied im Landwirtschaftsausschuss. Zudem ist sie
Sprecherin der deutschen Sozialdemokraten für Agrarpolitik.
Landesbäuerin Singer will nach Straßburg
Dem Europaparlament ebenfalls erhalten bleiben
dürfte der Grünen-Politiker Martin Häusling. Der vormalige hessische
Landtagsabgeordnete hat mit dem sechsten Platz der Europawahlliste von
Bündnis 90/Die Grünen sehr gute Chancen, erneut ein Abgeordnetenmandat
zu erringen. Er sitzt bereits seit 2009 im Straßburger und Brüsseler
Parlament und ist seitdem auch Agrarsprecher der Fraktion der
Grünen/EFA.
Dem Europaparlament nicht erhalten bleiben wird dagegen die Abgeordnete
der Freien Wähler, Ulrike Müller. Im Oktober 2023 kehrte sie in den
Bayerischen Landtag zurück. Parallel dazu ist sie aber bis zur Neuwahl
weiterhin Abgeordnete im EU-Parlament. Ihr könnte die Landesbäuerin des
BBV, Christine Singer, nachfolgen. Singer steht auf der Bundesliste der
Freien Wähler auf dem ersten Platz.
De Castro verlässt das Parlament
Auch der Vorsitzende des für die europäische Landwirtschaft wichtigen EU-Handelsausschusses, Bernd
Lange, kann damit rechnen, sein Mandat fortführen zu dürfen. Er nimmt
auf der Bundesliste der SPD den sicheren vierten Platz ein. Der
Europaabgeordnete und Umweltsprecher der Europäischen Volkspartei (EVP),
Peter Liese, gilt mit dem Listenplatz eins der CDU-Landesliste
Nordrhein-Westfalens ebenfalls als gesetzt. Unterdessen wird mit dem
Italiener Paolo De Castro ein prominentes langjähriges Mitglied des
Landwirtschaftsausschusses das Europäische Parlament verlassen. Der
ehemalige italienische Agrarminister sitzt seit 2009 in der
EU-Volksvertretung. Hier war er bis 2014 Vorsitzender des
Landwirtschaftsausschusses. Von 2019 bis 2022 war De Castro
agrarpolitischer Sprecher der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten
(S&D).
Gute Chancen auf einen Wiedereinzug hat derweil der Agrarsprecher der
EVP, Herbert Dorfmann. Mitte März bestimmte seine Partei, die Südtiroler
Volkspartei (SVP), den deutschsprachigen Norditaliener erneut zu ihrem
Spitzenkandidaten. Er sitzt bereits seit 2009 im Europaparlament.
Eine Wahlprognose
Laut einer Prognose des Pariser Marktforschungsunternehmen Ipsos zur Europawahl für den Nachrichtensender Euronews von Mitte März werden in Deutschland die CDU und CSU ihr Gesamtergebnis von 2019 mit 29Prozent der Stimmen in etwa halten können. So werden für die beiden Parteien zusammen 28 Mandate vorhergesagt. Das wäre ein Sitz weniger als 2019.
In etwa ihren Sitzanteil halten wird der Prognose zufolge auch die SPD. Sie dürfte gemäß der Umfrage auf 17 Prozent der Stimmen kommen und damit 16 Mandate erringen.
Für Bündnis 90/Die Grünen sowie die AfD wollten laut der Erhebung jeweils rund
16 Prozent der Befragten stimmen. Je Partei wären dies 15 Mandate. Damit würden die Grünen allerdings sechs Sitze im Vergleich zur vorherigen EU-Wahl verlieren. Die AfD würde hingegen laut dieser Prognose im Vergleich zu 2019 vier Abgeordnete hinzugewinnen. Dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) werden bereits im ersten Anlauf sieben Prozent der Stimmen zugeschrieben. Dies entspräche sieben Europaabgeordneten.
Die Partei Die Linke sowie die FDP werden laut der Ipsos-Wahlumfrage auf jeweils vier Prozent kommen. Beide Parteien müssten demnach im Vergleich zu 2019 einen Sitz abgeben und kämen noch auf je vier Mandate. Die Freien Wähler würden mit drei Prozent drei Abgeordnete stellen und somit einen Sitz hinzugewinnen. Zudem wären auch für andere Kleinparteien Mandate möglich, da für die Europawahl 2024 in Deutschland noch keine Sperrklausel greift. Insgesamt sitzen für die Bundesrepublik 96 Mandatsträger im Europaparlament. EU-weit werden 720 Abgeordnete bestimmt, 15 mehr als bei der Wahl 2019.